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Digitalpolitik
Werbeagenturen hinter Preisvergleichsseiten – Untergräbt Google das EU-Recht?
Googles Shopping-Bereich steht unter Beobachtung, Screenshot YouTube, © Google Shopping

Werbeagenturen hinter Preisvergleichsseiten – Untergräbt Google das EU-Recht?

Niklas Lewanczik | 11.10.18

Preisvergleichsseiten von Werbeagenturen sollen über Google einen vielfältigen Wettbewerb suggerieren, um dem EU-Urteil von 2017 Folge zu leisten.

Im Juni 2017 gab es einen Paukenschlag: Google wurde von der EU-Kommission zu einer Rekordstrafe von 2,42 Milliarden Euro verdonnert, weil das Unternehmen seine Marktmacht unlauter genutzt hatte, um eigene Anzeigen im Shopping-Bereich bevorzugt darzustellen. Zugleich verordnete die Kommission, dass Google Wettbewerbern im Shopping-Segment eine Gleichbehandlung über die Suchmaschine zukommen lassen muss. Eine solche scheint das Unternehmen nun mithilfe von vermeintlichen Preisvergleichsseiten nur zu suggerieren – denn diese werden oft von Werbeagenturen gestellt und sind letztlich gar nicht als Shoppingplattform gedacht.

Sucht Google einen gewieften Weg, um die EU-Kommission zu beschwichtigen?

Google soll Werbeagenturen nahegelegt haben, Preisvergleichsseiten für den Shopping-Bereich zu erstellen, während Retailern für eine Partizipation Anreize in Aussicht gestellt wurden. So berichtet der Technologie-Korrespondent von Sky News, Rowland Manthorpe. Demnach seien die neuen Vergleichsseiten im Umfeld von Google Shopping-Anzeigen promotet worden, sodass der Eindruck eines breit gefächerten Wettbewerberfelds entstand.

Eine Wettbewerbervielfalt im Bereich der Shopping Ads hatte die EU-Kommission im vergangenen Jahr im Zuge ihres Urteils gefordert, welches Google zudem mit einer Strafe in Höhe von 2,42 Milliarden Euro belastete. Um diese Vielfalt zu gewährleisten, erlaubte Google zunächst das Bieten auf Werbeplätze im Google Shopping-Bereich. Seit wenigen Monaten aber sei man auch an Werbeagenturen herangetreten, damit diese Vergleichsseiten für den Shopping-Sektor erstellen, welche dort wiederum als Konkurrenz zu Googles Seiten in Erscheinung treten. Grundsätzlich hat Google damit das eingeforderte Equal Treatment gewährleistet. Ein genauerer Blick auf die Preisvergleichsseiten zeigt aber, dass diese ebenfalls keine gleichberechtigte, weil umfassende Übersicht bieten.

Gegenüber Sky News offenbarten verschiedene Google-zertifizierte Betreiber, dass die Seiten weniger Shopping-Seiten als vielmehr werblich orientierte Systeme seien.

Nur dem Anschein nach richtige Preisvergleichsseiten

Einige der Seiten, die nun als Wettbewerber für den Preisvergleich oder vielfältige Shopping-Optionen daherkommen, sind gar nicht vornehmlich auf diese Funktionen ausgelegt. Manche seien „an advertising system that looks like a price comparison“. Die Werbefirma Optimised etwa operiert Manthorpe zufolge als Seite High Street One, die einer Preisvergleichsseite ähnelt. Aber John Cave, Mitgründer von Shoptimised, erklärt:

High Street One is not designed for people to come on and shop. It’s literally a website set up so people such as ourselves can pass on benefits to agencies and retailers.

Cave ging sogar so weit zu sagen manche Comparison Shopping Services (CSSs) seien „fake“. Viele Seiten in Googles CSS Partner-Programm werden von Werbefirmen geführt. Sucht man bei Google nach bestimmten Produkten, gelangt man über die Anzeigen auf Seiten wie Productcaster oder Periscopix. Diese werden von Summit Media beziehungsweise Merkle gesteuert. Zwar sind nun diese Seiten per se nicht illegitim; und Google hat tatsächlich mehr Konkurrenzangebote für den Shopping-Bereich integrieren können. Doch sind diese vermeintlichen Vergleichsseiten durch ihre Klienten beeinflusst und promoten keinesfalls in unparteiischem Maße.

If you have a comparison site that’s run by an advertising agency patently using only its clients, that’s not even slightly a comparison site in any sense,

wird Jasmine Birtles, Gründerin von Money Magpie, bei Sky News zitiert. Das zeigt sich, wenn man Productcaster besucht und etwa nach einer Kaffeetasse sucht.

Productcaster als zweifelhafte Vergleichsseite (mit einem Klick aufs Bild gelangt ihr zur größeren Ansicht), Screenshot Productcaster

Hier wird einzig ein Anbieter mit seinen Angeboten dargestellt.

Ein weiterer Aspekt, der für das eher eingeschränkte Angebot im Shopping-Bereich spricht, ist, dass Retailer Rabatte – monatlich etwa 32.000 Pfund – erhalten können, wenn sie über CSS werben. Nun können aber die Betreiber der CSSs auch Gebühren für den Zugang zu ihren Seiten fordern. Damit ist der Vergleich also auf die Anbieter beschränkt, die nicht zwingend den besten Preis bieten, sondern am meisten in von Werbefirmen gesteuerte Vergleichsseiten mit Google-Zertifikat investieren.

Keine unlautere Praktik, aber wird Google damit den Forderungen der EU-Kommission gerecht?

Viele Werbeagenturen operieren inzwischen in Googles CSS-Programm; auch damit Retailer als Kunden gehalten werden können. Dabei ist die Praktik der Vergleichsseiten, wenngleich sie doch nur einen eingeschränkten Vergleich auf Grundlage von Geschäftsbeziehungen bieten können, natürlich erst einmal nicht verwerflich. Aber wird mit dem aktuellen Status quo die Forderung der EU nach Chancengleichheit für Wettbewerber erfüllt oder versucht Google diese zu untergraben?

In der Erklärung der EU-Kommission hieß es voriges Jahr nach dem Wortlaut von Kommissarin Margrethe Vestager:

Googles Verhalten ist nach den EU-Kartellvorschriften unzulässig. Google hat anderen Unternehmen die Möglichkeit genommen, im Wettbewerb durch Leistung zu überzeugen. Vor allem aber hat es verhindert, dass die europäischen Verbraucher wirklich zwischen verschiedenen Diensten wählen und die Vorteile der Innovation voll nutzen können.

Außerdem wurde beschlossen:

Insbesondere muss das Unternehmen den Grundsatz der Gleichbehandlung auf konkurrierende Preisvergleichsdienste und seinen Dienst anwenden.

Konkret bedeutet dies, dass Google für die Platzierung und Anzeige konkurrierender Preisvergleichsdienste auf seinen Suchergebnisseiten dieselben Verfahren und Methoden wie bei seinem eigenen Dienst anwenden muss.

Bei einer Zuwiderhandlung drohten dem Unternehmen weitere Strafzahlungen in Höhe „von bis zu 5 % des durchschnittlichen täglichen weltweiten Umsatzes seiner Muttergesellschaft Alphabet“.

Aus Sicht von Foundem-Mitgründer Shivaun Raff, der im Fall der EU-Kommission gegen Google als Beschwerdesteller aufgetreten war, versucht Google den Beschluss der EU auszuhebeln.

This isn’t just brazenly non-compliant – Google have now reached the level of trying to circumvent the commission’s guilty verdict.

Nun stellt sich die Frage: werden Nutzern die besten und günstigsten Angebote angezeigt? Die EU erklärt, dass vorerst offen bleibt, ob Googles Handlungen mit dem Beschluss von 2017 konform gehen; noch habe man nicht eindeutig Stellung bezogen. Philipp Klöckner, SEO-Experte und langjähriger External Search Strategy Consultant für Rocket Internet, unter anderem aber auch Minderheits-Gesellschafter bei Visual Meta GmbH (Ladenzeile.de) – die ebenso am Beschwerdeverfahren der EU gegen Google teilnimmt –, hat uns seine Sicht der Dinge dargestellt:

Als Reaktion auf die EU Wettbewerbs-Rekordstrafe versuchte Google zuletzt sein Preisvergleichsprodukt für Konkurrenten zu öffnen, um den Auflagen der EU-Kommission wenigstens scheinbar nachzukommen. Während die EU ein ,equal treatment ‘ von konkurrierenden Produktsuchmaschinen erreichen wollte, öffnet Google nun aber sein eigenes Produkt, die Shopping Ads über den Suchergebnissen, für Adwords-Agenturen. Diese können mittels dem neuen ,CSS-Programm ‘ – sofern sie den Eindruck erwecken eine Produktsuche zu betreiben – Angebote im Auftrag ihrer Werbekunden in die Google-Shopping-Box einspeisen.

SEO-Experte Philipp Klöckner

Um die Konkurrenz künstlich zu stimulieren, soll Google vielen Marktteilnehmern hohe Rabatte in Form von Kickbacks auf das im CSS-Programm ausgegebene AdWords-Budget gewährt haben. Wirtschaftlich treibt dieser Stimulus jedoch nur die Auktionspreise für alle Bietenden hoch, während Google als ,Auktionator‘ der eigenen Produktsuche diese Gewinne wieder einsammelt. Für die wenigen überlebenden Konkurrenten hat sich die Situation hierdurch weder deutlich verbessert, noch kann man feststellen, dass Google die Diskriminierung von Konkurrenzprodukten eingestellt hätte. Daher ist damit zu rechnen, dass die EU-Kommission feststellt, dass diese Verschlimmbesserung nicht im Sinne von den zu schützenden Wettbewerbs- und Konsumenteninteressen ist und zurückgewiesen wird. Aus Googles Sicht ist aber jede noch so defekte Scheinlösung und sogar ein erneutes Bußgeld günstiger als die Benachteiligung aufzugeben, da die Produktanzeigen einen Großteil von Googles Umsatz und Wachstum generieren. Es bleibt also zu befürchten, dass Google hier auch gern ein weiteres günstiges Parkticket kassiert.

Eine wirklich umfassende und unparteiische Vergleichsfunktion für Shopping-Angebote ist in Googles Anzeigen demnach wohl nicht zu finden. Es gilt also abzuwägen, ob das als Teil von Googles Geschäftsmodell geduldet wird oder ob die Suchmaschine aufgrund ihrer Marktmacht auch verbindlich eine Verantwortung zu tragen haben wird, die darüber hinausgeht.

Kommentare aus der Community

Anonymus am 12.10.2018 um 15:37 Uhr

Aber Klaro ist das ein Witz. Die Kickback-Zahlungen werden doch offiziell auf der CSS-Seite benannt. Ab 01.11. müssen diese zwingend in neues Werbebudget umgewandelt werden, so dass Google diese Gutschriften wieder einsacken wird. Günstigere Klickpreise, wie angekündigt, werden durch den Markt bereinigt. Viele Agenturen haben massiv Kundenfang mit ihren CSS betrieben, auch das ein Vorteil für Google, denn dadurch konnten kleine Agenturen oder Freelancer ausgebootet werden. Das Google kein Interesse an Agenturen hat, die für sich einen Teil des Werbebudgets benötigen, welches auch direkt an Google bezahlt werden könnte, ist ebenfalls kein Geheimnis. Mit AdWords Express und „KI“-Kampagnen drängt Google immer mehr auf Automation (welche unzureichend renditeorientiert funktioniert).

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