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Unternehmenskultur
Urteil des Bundesarbeitsgericht: Dienstreisen sind Arbeitszeit

Urteil des Bundesarbeitsgericht: Dienstreisen sind Arbeitszeit

Michelle Winner | 19.10.18

Ein Fall aus Rheinland-Pfalz regt die Debatte an: Wann und unter welchen Umständen können Mitarbeiter sich Reisezeit als Mehrarbeit anrechnen lassen?

Ein Chef eines Bauunternehmens schickt einen technischen Mitarbeiter nach China. Allein die Reisezeit umfasste vier Tage. Trotzdem wurden dem Mann jeweils nur acht Stunden Arbeitszeit pro Tag gut geschrieben. Ist das gerechtfertigt? Nein, urteilte nun das Bundesarbeitsgericht. Und dieses Urteil könnte einiges auf dem Arbeitsmarkt ändern – sowohl für Arbeitgeber als auch Mitarbeiter. Denn bisher galt, dass die auf „Dienstreisen geleistete Mehrarbeit“ nicht als Arbeitszeit gezählt werden muss.

Dienstreisen geschehen im Interesse des Arbeitgebers

Wer geschäftlich verreist, tut dies nicht um Urlaub zu machen, sondern um zu arbeiten. Aus diesem Grund fällt die Reisezeit auch unter die Arbeitszeit. In der aktuellen Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts heißt es daher:

Entsendet der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vorübergehend zur Arbeit ins Ausland, sind die für Hin- und Rückreise erforderlichen Zeiten wie Arbeit zu vergüten.

Diese Einschätzung lässt besonders Arbeitnehmer aufhorchen, die viel auf Reisen sind. Jedoch gibt es auch hier einen rechtlichen Haken, wie der zu Beginn genannte Fall zeigt. Es muss genau ermittelt werden, was als Reisezeit anzurechnen ist. So hat der technische Mitarbeiter des Bauunternehmens sich einen Flug in der Business Class buchen lassen mit Zwischenstopp in Dubai, obwohl auch ein Direktflug nach China in der Economy möglich gewesen wäre. Ob dies einen Einfluss auf den individuellen Ausgang dieses Falles hat, muss in weiteren Verhandlungen erst noch geklärt werden. Nichtsdestotrotz kann das Urteil Neuerungen für viele Arbeitnehmer und Arbeitgeber in Deutschland bedeuten.

Höhere Kosten für Arbeitgeber und offene Fragen

Die erste Frage, die sich nach dem Urteil stellt, ist ob dies nur für Auslands- oder auch Inlandsreisen gilt. Theoretisch für beides, sagt der Anwalt für Arbeitsrecht Bahram Aghamiri. Damit würden Arbeitgeber neuen, höheren Ausgaben gegenüberstehen. Vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass deutsche Unternehmen bis 2017 über 187 Millionen Dienstreisen tätigten, wie eine Studie zeigt. Insgesamt ergeben sich daraus Kosten in der Höhe von 52 Milliarden – welche sich durch das Urteil jetzt noch steigern könnten. Zudem gibt Anwalt Aghamiri noch zu bedenken:

Das könnte nicht nur Auswirkungen auf die Vergütung, sondern auch auf die arbeitszeitschutzrechtliche Bewertung von Dienstreisen haben. Das hätte weitreichende Folgen, weil sich dann zum Beispiel die Frage stellen würde, ob man überhaupt Dienstreisen antreten darf, die länger dauern als elf Stunden.

Gilt das Urteil ab sofort?

Verpflegungspauschale und die Übernahme von Übernachtungskosten bei Dienstreisen sind nichts Neues und einige Tarifverträge sind bereits so geregelt, dass auch die Reisezeit selbst vergütet wird. Trotzdem stehen mit Eintreten des Urteils Änderungen bevor. Wann es jedoch so weit ist, hängt von der Verkündung der Urteilsbegründung ab. Diese könnte in sechs bis acht Wochen erfolgen, wie das Bundesarbeitsgericht mitteilt. Es bleibt also abzuwarten, ob Mitarbeiter sich bald Bahnfahrten, Flüge oder auch Autoreisen als Arbeitszeit auszahlen lassen können.

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