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Unternehmenskultur
Rückblick auf ein Jahr Entgelttransparenzgesetz: Ein ernüchterndes Urteil

Rückblick auf ein Jahr Entgelttransparenzgesetz: Ein ernüchterndes Urteil

Michelle Winner | 15.01.19

Es sollte ein Weg sein, um die Gender Pay Gap zu schließen. Jedoch ignorieren viele Unternehmen das Gesetze einfach, während Angestellte kaum davon Gebrauch machen.

Vor einem Jahr wurde das Entgelttransparenzgesetz von der Regierung verabschiedet. Ziel war es, dadurch die Gender Pay Gap zwischen Frauen und Männern zu schließen – oder zumindest zu verkleinern. Doch der Schuss ging nach hinten los, wie laut Spiegel eine noch unveröffentlichte Studie des  Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) zeigt.

Effekte werden vergebens gesucht

Es scheint, als würden Unternehmen das neue Gesetz mehr als eine Art Richtlinie wahrnehmen. Zumindest suggerieren dies die Ergebnisse der Studie. So sind es 74 Prozent der Betriebe mit über 500 Mitarbeitern, die die Entgelttransparenz ignorieren und Gehaltsstrukturen nicht überdenken. Ähnliches zeigt sich auch in den mittelgroßen Firmen mit 200 bis 500 Mitarbeitern (72 Prozent). Die größte Resonanz auf das Gesetz ist branchenspezifisch. Informations- und Kommunikationsunternehmen und auch der Finanz- und Versicherungssektor reagierten rege darauf, jedoch sind es selbst hier nicht einmal ein Drittel aller Betriebe. Aber auch die Mitarbeiter selbst zeigen wenig Interesse am Gehalt der Kollegen. Nur in jedem zehnten Unternehmen kam es demnach zu Anfragen seitens der Angestellten. Die folgende Grafik gibt darüber Auskunft:

Screenshot Spiegel.de

Gründe für die fehlenden Effekte

Zum Einen scheint es so, als wenn konservative Unternehmen auch eine konservative Einstellung gegenüber dem Gesetz haben. Denn laut der Studie sind es vor allem Betriebe mit sehr jungen Mitarbeitern, die besonders aktiv nach der Entgelttransparenz fragen. Noch problematischer ist es jedoch, dass das Gesetz nur begrenzt gilt. Unternehmen mit weniger als 200 Mitarbeitern werden außen vor gelassen. Im Rückschluss bedeutet dies, dass nur 0,7 Prozent der Unternehmen betroffen sind und damit lediglich 32 Prozent der Arbeitnehmer. Die Verfasser der Studie sind sich einig: Das Gesetz muss verbessert werden. Vor allem verlangen sie Sanktionen gegen Unternehmen, die sich nicht daran halten. Diese fehlen bislang nämlich in Gänze. Zudem sollten auch kleinere Betriebe miteinbegriffen werden.

Einige positive Effekte traten auf

Auch wenn das neue Gesetz nicht für die kleineren Unternehmen gilt, so scheinen gerade diese es gern in Anspruch nehmen zu wollen. Dort wurde nämlich trotz fehlender Gültigkeit häufiger nach einem Gehaltsvergleich gefragt. Und dieser hatte in vielen Fällen sogar eine Angleichung zur Folge. Wohlgemerkt auf freiwilliger Basis des Arbeitgebers.

Screenshot Spiegel.de

Es würde also durchaus Sinn machen, das Entgelttransparenzgesetz auch für kleine Unternehmen geltend zu machen. Vor allem weil ein Grundstein in Richtung Gender Equality schon gesetzt ist. Einer, der jedoch noch weiter entwickelt werden muss. Positiv ist auf jeden Fall, dass das Gesetz viele Personaler zum Nachdenken angeregt hat und einige Betriebe damit begonnen haben, gezielt auf Gehaltsunterschiede zu achten. Um ein Problem aus der Welt zu schaffen, muss dieses den Menschen zunächst bewusst gemacht werden. Und das Gesetz hilft dabei, eine kleine Hürde in diese Richtung zu nehmen, auch wenn es noch einiger Verbesserungen bedarf.

Kommentare aus der Community

Heinz am 16.01.2019 um 18:38 Uhr

Es ist schon irre was so per Gesetz geregelt werden soll, denn was bedeutet es für mich zu wissen wie hoch das Einkommen meiner Kollegin / Kollege ist, es sein den sie hätten exakt die gleichen Ausbildungen, Berufserfahrungen, sprich die gleichen Qualifikationen wie ich. Wie wird denn da differenziert? Allein zu sagen „eh die Kollegin / der Kollege verdient viel mehr als ich“ ich möchte genau das gleiche verdienen ohne dessen vielleicht höhere Qualifikation zu haben finde ich ganz persönlich völlig daneben. Wie genau wird diesbezüglich beim Gesetz differenziert? Und fördert dies nicht auch ein missgünstiges Kollegen- und Betriebsklima?

Mit freundlichen Grüßen Heinz

Antworten
Niklas Lewanczik am 17.01.2019 um 09:47 Uhr

Hallo Heinz,

das Entgelttransparenzgesetz soll wörtlich „das Gebot des gleichen Entgelts für Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit“ durchsetzen. Dabei geht es also vor allem darum, dass nach
§ 3 EntgTranspG eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung aufgrund des Geschlechts beim Entgelt verboten ist. In § 4 des Gesetzes wird die Feststellung gleicher oder gleichwertiger Arbeit definiert. Eine identische oder gleichartige Tätigkeit wird von Faktoren wie der Art der Arbeit, auch den Ausbildungsanforderungen und den jeweiligen Arbeitsbedingungen abhängig gemacht; die objektiv eingeschätzt werden müssen.

Hier sind die Einzelheiten nachzulesen: https://www.gesetze-im-internet.de/entgtranspg/BJNR215210017.html

Natürlich könnte es dem Betriebsklima abträglich sein, wenn man diese Transparenz unerklärt einfordert. Allerdings ist es das gute Recht Arbeitnehmender, wenn etwa eine Benachteiligung aufgrund des Geschlechts angenommen wird. Einfach zu sagen, dass man genauso viel verdienen möchte, wie ein Kollege/ eine Kollegin, ist zu kurz gedacht. Wenn aber bei gleichen Voraussetzungen die gleiche Arbeit verrichtet wird, dann darf auch das Entgelt nicht anders ausfallen.
Da das häufig noch der Fall sein dürfte, ist das Gesetz sicher eine gute Möglichkeit, um derlei Ungleichbehandlungen zu begegnen.

Beste Grüße

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