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Unternehmenskultur
Prokrastination: Aufschieben als Fluch und Segen zugleich?

Prokrastination: Aufschieben als Fluch und Segen zugleich?

Maja Hansen | 22.01.19

Schuldgefühle, Stress, miese Laune - alles Folgen von Prokrastination. Aufschieben ist für uns etwas Negatives, dabei birgt es ungeahnte Vorteile.

Das neue Jahr steht noch in den Startlöchern, die guten Vorsätze sind vielleicht noch nicht ganz vergessen und klar, dieses Jahr soll die Chance erhalten, das beste bisher zu werden. Teil davon ist natürlich auch der Selbstoptimierungskult, der auch vor dir nicht Halt macht. Noch schneller, besser, effizienter, gesünder und hübscher werden. Um Vorsätze im Allgemeinen zu erreichen, müssen diese aber erst einmal umgesetzt werden. Und da scheitert es dann bei vielen, denn das Gefühl von „Ich mach das morgen“ setzt ein. Und wir warten ab und schieben auf.

Aber dieses Jahr wird ja schließlich alles anders. Du hast dir vorgenommen, weniger Dinge aufzuschieben, sei es auf der Arbeit oder im Privatleben, und sofort anzugehen? Wenn du das willst, dann schaffst du das sicherlich. Aber: Das Aufschieben hat auch eine gute Seite. Prokrastination ist weitestgehend negativ konnotiert – ungerechtfertigt, wie der Karrierecoach Dr. Bernd Slaghuis meint. Ist es deine Kraft wirklich wert, gegen das Aufschieben anzukämpfen?

Morgen, morgen, nur nicht heute – die negative Seite des Prokrastinierens

„Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen“ oder „Morgen, morgen, nur nicht heute, sagen alle faulen Leute“. Diese Sprichwörter zählen mit zu den typisch deutschen Originalen und sind den meisten von uns bekannt. Doch was macht das mit uns? Ein Gefühl von Druck und Stress macht sich breit, denn niemand von uns möchte als faul deklariert werden. Aufschieben ist deshalb, so der gesellschaftliche Konsens, etwas Schlechtes.

So passiert es, dass dein Kopf brummt, denn eigentlich wolltest du heute noch fünf weitere Punkte auf deiner To-do-Liste abarbeiten, aber du hast dich einfach nicht aufgerafft bekommen. Mit Schuldgefühlen gegenüber dir selbst, verdirbst du deine Laune und beschäftigst dich mit anderen Aufgaben – zum Beispiel der neuen Folge deiner Lieblingsserie auf Netflix. Was würde nur helfen, dieser sogenannten Aufschieberites zu begegnen? Wie schaffst du es, Aufgaben ohne großes Aufschieben zu bewältigen?

Im Netz lassen sich dazu allerhand Ratgeber finden, die dir helfen wollen, dein Problem in den Griff zu bekommen. Bestimmtes Erstellen von To-do-Listen, Belohnungs- und Zeitplanmethoden oder dem gut gemeinten Ratschlag: „Fang doch einfach an!“ sollen Abhilfe verschaffen. An dieser Stelle muss allerdings erwähnt werden, dass Prokrastination als Krankheitsbild auch nicht herunter gespielt werden sollte. Einige Menschen leiden unter dieser Erkrankung, meist als Begleiterscheinung von Depressionen, sodass in bestimmten Fällen eine therapeutische Behandlung unabdingbar ist. Doch keine Angst, wenn du zum Prokrastinieren neigen solltest, denn das tun ganze 80 Prozent der Menschen regelmäßig. Hat das Aufschieben den schlechten Ruf unter diesen Umständen überhaupt verdient? Sollten so viele Menschen deswegen überhaupt im täglichen Kampf gegen sich selbst stehen?

Lass uns prokrastinieren: Vorteile des Aufschiebens erkennen

Der Karrierecoach Slaghuis formuliert fünf Gründe, die er bei seinen Klienten beobachtet hat, weshalb diese zum Aufschieben neigen:

  1. Wir haben Angst vor der Bearbeitung einer Aufgabe oder ihren Konsequenzen.
  2. Wir verfügen nicht über alle notwendigen Informationen zur Erledigung einer Aufgabe.
  3. Wir empfinden eine Aufgabe als ungerecht, unsinnig, unnötig oder langweilig.
  4. Wir sind körperlich oder mental gerade nicht in der richtigen Verfassung.
  5. Wir benötigen Druck, um uns zu fokussieren und gute Leistungen zu erbringen.

Jeder dieser Gründe ist laut Slaghuis eine Rechtfertigung, die Aufgabe erst einmal aufzuschieben. Denn durch das Abwarten der Erledigung gewinnt die Person Zeit zum Nachdenken. So können sich Personen durch das Prokrastinieren darüber bewusst werden, welche Konsequenzen folgen könnten oder fehlende Informationen beschaffen. Aber auch der körperlichen oder mentalen Verfassung wird Zeit gegeben, sodass sich der Zustand verbessern kann. Und wenn die Konzentration fehlt, um eine Aufgabe zu erledigen, ist es sogar mehr als sinnvoll, das Erledigen dieses To-dos aufzuschieben, um unter den richtigen Voraussetzungen effizient zu arbeiten.

Bewusstes Entscheiden für das Aufschieben

Es gilt also einen genaueren Blick auf uns selbst zu richten, um das eigene Verhalten zu verstehen. Warum schiebe ich Dinge auf und ist diese Eigenschaft wirklich so schlimm, dass ich negative Konsequenzen tragen muss? Anhand dieser sich daraus ergebenden Feststellung kann jeder von uns bewerten, inwieweit Verhaltensänderungen folgen müssen.

Slaghuis rät beispielsweise dazu in der nächsten Situation, die zum Prokrastinieren verleitet, sich selbst zu fragen, inwiefern es sich auszahlt, diese Aufgabe aufzuschieben. Um die negativen Gefühle des Aufschiebens zu verbannen, denn diese Eigenschaft ist gesellschaftlich nun einmal verrufen, müssen wir uns ganz bewusst dazu entscheiden, eine Aufgabe nicht sofort, sondern später zu erledigen, wenn wir daraus Vorteile ziehen können.

Prokrastination – ein chancenreiches Laster

Ganz klar: Prokrastination ist belastend. Eine Aufgabe, die du schon seit zwei Wochen angehen willst und morgen beenden musst, beginnst du am Abend vorher. Das bedeutet Stress. Stress, der vermeidbar gewesen wäre. Schuldgefühle, Selbstzweifel und schlechte Laune sind dann vorprogrammiert. Natürlich wünschen sich viele Menschen gerade deshalb Tipps und Ratschläge, wie sie das Aufschieben vermeiden und ihre Motivation steigern können. Dadurch entsteht ein Markt für alle möglichen Ratgeber, die den Prokrastinierenden Hilfe versprechen.

Aber gibt es überhaupt DEN einen Tipp, um das Aufschieben zu vermeiden? Gibt es nicht so viele individuelle Faktoren, die die Schnelligkeit und den Moment des Bearbeitens einer Aufgabe beeinflussen? Gerade deshalb, um all die negativen Gefühle des Prokrastinierens zu vermeiden, gilt es ganz bewusste Entscheidungen über das eigene Handeln zu treffen. Zwischen „Ich schiebe diese Aufgabe jetzt auf, weil…“ oder „Nein, ich schiebe diese Aufgabe nicht auf, weil ich mich jetzt dazu in der Lage fühle, dieser Aufgabe gerecht zu werden“ sollten wir uns bewusst entscheiden. Und wenn wir uns das nächste Mal dazu entscheiden, etwas aufzuschieben, dann mit dem Bewusstsein warum wir das tun, um so ohne ein schlechtes Gewissen zu prokrastinieren.

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