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Unternehmenskultur
„Lohngleichheit ist ein Prozess, nie ein abgeschlossener Zustand“
Wir haben mit Katrin Baumann, Marketing Director Central Europe bei Adobe, über ihre Erfahrungen als Frau in einer Führungsrolle gesprochen.

„Lohngleichheit ist ein Prozess, nie ein abgeschlossener Zustand“

Tina Bauer | 18.03.19

In punkto Gleichstellung gibt es europaweit Aufholbedarf – vor allem Deutschland hinkt hier noch immer hinterher.

Besonders zwischen den Gehältern klaffen große Lücken: Hier liegt Deutschland unter dem EU-Durchschnitt, abgeschlagen hinter Skandinavien, Frankreich oder Großbritannien. Der konkrete Wert lautet hier 21 Prozent – so hoch ist der unbereinigte Gender Pay Gap in Deutschland. Dieser wird in Deutschland auf Grundlage von 1,9 Millionen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten aus allen Branchen und Berufen ermittelt und beschreibt den prozentualen Unterschied zwischen dem durchschnittlichen Bruttostundenverdienst von Männern und Frauen.

Faktoren wie Unterschiede in der Berufswahl lässt dieser Faktor jedoch aus. Als Korrektiv wird daher der bereinigte Wert berechnet. Dieser trägt strukturellen Unterschieden bei der Berufswahl, Beschäftigungsumfang, Bildungsstand und Berufserfahrung sowie dem geringeren Anteil von Frauen in Führungspositionen Rechnung. Dennoch liegt auch der bereinigte Wert noch bei sechs Prozent.

Wir haben mit Katrin Baumann, Marketing Director Central Europe bei Adobe, über ihre persönlichen Erfahrungen als Frau in einer Führungsrolle und Adobes Ansatz für mehr Gleichberechtigung, insbesondere in Bezug auf die Bezahlung, gesprochen.

OnlineMarketing.de: Verschiedene Studien belegen ein „Sichtbarkeitsproblem“ von Frauen in der Kreativwirtschaft. Wie können Unternehmen hier besser werden und welche Ratschläge gibst Du Akteurinnen der Branche? 

Katrin Baumann: Frauen halten sich im Arbeitsalltag nach wie vor zu sehr zurück. Gleichzeitig sind männliche Chefs oft nicht gut genug geschult, um Frauen aus der Deckung zu holen und ihnen eine Bühne zu geben.

Ich selbst hatte das Glück, zu Beginn meiner Karriere eine Vorgesetzte zu haben, die mich wirklich toll darin unterstützt hat, mir mehr zuzutrauen und meine Arbeitsergebnisse und Learnings auch zu kommunizieren. Ich empfehle allen Frauen, sich einen Mentor zu suchen – das kann ein Mann oder eine Frau sein, in derselben Firma oder auch außerhalb. Wichtig ist, dass man der Person vertraut. Außerdem sollte es jemand mit Erfahrung und Empathie sein.

Du bist eine Frau in einer wichtigen Führungsposition. Hast Du auf Deinem Karriereweg Erfahrungen gemacht, die von einem antiquierten Rollenverständnis herrührt?

Eine meiner bittersten Erfahrungen war sicherlich im Rahmen der Schwangerschaft und Elternzeit. Man ging einfach davon aus, dass ich entweder gar nicht zurückkommen würde oder wenn, dann nur mit verringerter Stundenzahl – und stellte einen männlichen Nachfolger ein. Dennoch ist es mir relativ bald wieder gelungen – sogar zunächst in Teilzeit – wieder die Verantwortung für ein Team zu übernehmen. An meiner Kompetenz und langjährigen Erfahrung, an meinem persönlichen Einsatz hatte sich nichts geändert, das wurde den Verantwortlichen sehr schnell klar.

Zu Beginn war ich zudem eine von sehr wenigen Frauen im Management. In Meetings und Offsites habe ich einige frauenfeindliche Bemerkungen erfahren müssen. Man kann diese Vorfälle scharf oder säuerlich kommentieren – am Ende des Tages sollte man seine Energie aber lieber in die eigene Marke stecken. Wer durch Kompetenz und Werte überzeugt und sich auf einen klaren Standpunkt stellt, nimmt solchen Kommentaren am effektivsten den Wind aus den Segeln.

Wie beurteilst Du den aktuellen Stand in der Digitalbranche und im Marketing?

Im Marketing spielen Frauen schon länger eine stärkere Rolle und besetzen häufiger Führungspositionen. In der Digitalbranche haben wir noch Nachholbedarf: Wir müssen unsere Berührungsängste mit der Technologie überwinden und sie uns zunutze machen. Mir macht digitales Marketing extrem viel Spaß: Endlich kann ich Aussagen zu so gut wie allen Punkten der Customer Journey und ihrer Performance treffen und damit alle Zweifler von meinen Kampagnen überzeugen. Die Kür ist, wenn ich diese Ergebnisse in Zusammenhang mit meinem Know-How über die Zielgruppen in Verbindung bringen und belegen kann.

Im Rahmen der digitalen Transformation gibt es unglaublich viel zu lernen. Das hört nie auf und es empfiehlt sich wirklich, dranzubleiben. Es gibt so viele Online Lern-Ressourcen als Unterstützung. Auch hier gilt: Frauen müssen sich überwinden, sich zu fragen trauen und dann das, was sie können auch zeigen und kommunizieren.

Was unternimmt Adobe im Bereich Diversity und wie profitiert das Unternehmen von seiner heterogenen Mitarbeiterstruktur?

Wir arbeiten gezielt daran, bessere Chancen für Frauen und Minderheiten zu schaffen, beispielsweise indem wir Initiativen fördern, die Frauen den Weg in Tech-Berufe erleichtern. Zudem schulen wir unsere Entscheider regelmäßig, um den unbewussten Bias im Einstellungsprozess zu eliminieren. In punkto Diversitäts- und Gleichberechtigungsziele sind wir leider noch nicht dort, wo wir hinwollen, aber wir sind auf einem sehr guten Weg. Transparenz ist hier entscheidend – sowohl für die Gesellschaft als auch als Ansporn für uns. Deshalb veröffentlichen wir unsere Mitarbeiterstatistiken jährlich in unserem Corporate Responsibility Report.

Außerdem wollen wir natürlich allen Mitarbeitern ein Arbeitsumfeld anbieten, in dem sie sich wohlfühlen. Dazu gehören unter anderem differenzierte Weiterbildungsmöglichkeiten, familienfreundliche Strukturen, Interessennetzwerke, aber natürlich auch Lohngleichheit zwischen Frauen und Männern.

Stichwort Gender Pay Gap: Wo steht Adobe hinsichtlich der gleichen Bezahlung für Frauen und Männer?

Grundsätzlich ist es ja so, dass sehr viele Faktoren die ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern beeinflussen: Von individuellen Karriereentscheidungen über Bewerbungs- und Einstellungsverfahren bis hin zu Karrierechancen. Hier einen Ausgleich zu schaffen, ist uns bei Adobe eine Herzensangelegenheit. Im Herbst 2018 haben wir unser Ziel erreicht, weltweit gleiche Bezahlung für Männer und Frauen zu erzielen.

Wie wurde das Ziel „Equal Pay“ bei Adobe vorangetrieben? Welche Herausforderungen gab es bei der Umsetzung?

Auch wenn es banal klingt: Zunächst muss man eine klare Definition der Lohngleichheit festlegen. Für uns heißt Parität, dass Mitarbeiter am gleichen Ort und in vergleichbaren Positionen fair bezahlt werden – unabhängig von Geschlecht und ethnischer Zugehörigkeit. In den USA und in Indien – dort arbeiten 80 Prozent unserer Angestellten – haben wir gleiche Bezahlung bereits Ende 2017 bzw. Anfang 2018 erzielen können. Die Herausforderung war hier, eine sinnvolle Ausgangssituation für den Vergleich der Gehälter herzustellen. Viele Mitarbeiter, die unterschiedlichen Aufgabenbereichen zuarbeiten und verschiedene Fähigkeiten einbringen, waren in gleichen Jobkategorien zusammengefasst. Es gab zum Beispiel keine Unterscheidungen zwischen den Marketing Managern – auch wenn einige im Brand Marketing, andere in der Suchmaschinenoptimierung oder im Event Management gearbeitet haben. Also haben wir unsere Jobkategorien auf den Prüfstand gestellt und, wenn nötig, neue Einteilungen getroffen.

Eine echte Herausforderung war aber die globale Phase: Die restlichen 20 Prozent der Angestellten arbeiten in über 30 verschiedenen Ländern! Oft sind das nur kleine Niederlassungen mit sehr wenigen Mitarbeitern. Hier haben wir eine Binärstruktur aufgebaut und Industrie- bzw. Entwicklungsländer unterschieden. Natürlich bestehen zwischen Ländern wie Brasilien oder Südkorea generelle Unterschiede, insgesamt ist die Lohnentwicklung aber vergleichbar.

Auf diesen Grundlagen haben wir die individuellen Gehälter angeglichen. Tatsächlich gab es gar keine so großen Veränderungen – insgesamt waren gerade einmal fünf Prozent der Angestellten betroffen. Das zeigt, dass wir bereits vorher eine relative Lohngleichheit etabliert hatten.

Wie sehen Adobes Pläne in diesem Bereich für die Zukunft aus?

Natürlich ist es toll, dass wir im letzten Jahr Lohngleichheit für alle Mitarbeiter erzielen konnten. Darauf dürfen wir uns aber nicht ausruhen: Wir behalten deshalb nicht nur die Gehälter unserer Mitarbeiter im Blick, sondern haben auch Strukturen für die Einstellung neuer Mitarbeiter geschaffen. Wir fragen Bewerber deshalb nicht mehr nach ihrem vorherigen Gehalt. Das macht den Ablauf zwar etwas komplizierter, doch es ist die einzige wirksame Möglichkeit, Lohnunterschiede aus vorherigen Firmen nicht fortzuführen. Zusätzlich testen wir gerade auch ein paar Tools, mit denen wir Recruiting Teams dabei unterstützen können, faire Lohnangebote zu erstellen und ungleiche Gehälter zu vermeiden.

Lohngleichheit ist ein Prozess, nie ein abgeschlossener Zustand – auch wir lernen immer noch dazu. Ganz im Geiste des Equal Pay Day hoffen wir, dass unsere Erfahrungen andere Unternehmen auf ihrem Weg zu fairen und gleichen Gehältern zu unterstützen.

Danke für das Interview und viel Erfolg auf dem weiteren Weg!

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