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New Work
New Management: Wenn auch der Azubi gelegentlich zum Boss wird

New Management: Wenn auch der Azubi gelegentlich zum Boss wird

Michelle Winner | 01.03.19

Hierarchien am Arbeitsplatz sind out. Stattdessen sollten wir lernen zu führen und zu folgen - je nach dem, wer die besten Qualifikationen mitbringt, ein Projekt zu leiten.

Flexibilität gehört zu unserem Arbeitsalltag – und zwar nicht nur in Bezug auf die Arbeitszeit. Immer wieder kommen neue Projekte, an deren Bedürfnisse und Umstände man sich anpassen muss. Doch sollte wirklich immer der Geschäftsführer Leiter solcher Aufgaben sein? Was, wenn der Mitarbeiter mit der besten Qualifikation die Führung übernimmt? Selbst, wenn es „nur“ der Azubi ist? Die geteilte Führung ist eine Idee mit Potenzial. Doch ein geteilter Chefposten – geht das überhaupt? Ja, sagen New Work-Experten.

Hierarchien sind out – Unternehmen müssen umdenken

Um New Work zu verstehen und durchzusetzen, muss man sich zuerst von etablierten, aber altmodischen Arbeitsmodellen verabschieden. Die meisten von uns sind sicherlich mit der Vorstellung aufgewachsen, dass der Chef an der Spitze der Nahrungskette steht, Aufgaben erteilt, gewisse Freiheiten hat und alle anderen sich unterordnen müssen. Doch starre Hierarchien sind schon lange nicht mehr zeitgemäß. Zahllose Studien haben belegt, dass Mitarbeiter ihr Potenzial am besten entfalten, wenn ihnen Freiräume gelassen werden. Hermann Arnold, Gründer und Verwaltungsratspräsident bei Haufe-umantis, erklärt, dass wir uns noch davor fürchten Führung losgelöst von Hierarchie zu betrachten.

Momentan ist ein Chef meist jemand, der führt und Entscheidungen trifft. Bei jedem Projekt. Doch genau davon sollten wir uns laut Arnold verabschieden. Verschiedene Projekte sind meist einzigartig und unterscheiden sich in wesentlichen Punkten voneinander. Eben darum sollte jedes Projekt von demjenigen geleitet werden, der die besten Voraussetzungen mitbringt. Dabei ist es egal, ob es sich um die Geschäftsführung, einen Mitarbeiter oder einen Neuzugang handelt. Doch damit das Modell funktioniert, welches von Arnold auch „Führen und Folgen“ genannt wird, muss genau das gelernt werden.

Umsetzung in der Praxis? Kann ganz einfach sein

Um sich bildlich vorzustellen, wie das Modell der geteilten Führung funktioniert, arbeiten wir mit einem Beispiel. Man stelle sich vor, das Unternehmen plant ein großes Event. Grundsätzlich haben wohl die meisten, sowohl Geschäftsführung als auch Mitarbeiter, eine Ahnung davon, was es alles zu erledigen gibt. Jedoch ist da eine Mitarbeiterin, die bereits einige Jahre in der Eventbranche tätig war und über Erfahrungen verfügt, die selbst der Chefetage fehlen. In diesem Fall übernimmt jene Mitarbeiterin die Führung für das Projekt. Damit ist sie befugt, Entscheidungen zu treffen und Aufgaben zu verteilen – auch an die eigentlich Vorgesetzten. Zum Ende erklärt Arnold:

Ist das Projekt beendet, wird der Rückstell-Knopf gedrückt – und bei der nächsten Aufgabe gibt es wahrscheinliche eine neue Führungskraft. Wer zuvor Mitarbeiter war, übernimmt nun vielleicht die Führung – und die Führungskraft des letzten Projekts kehrt ganz selbstverständlich ins Team zurück.

Führen und Folgen muss jedoch gelernt sein, beziehungsweise werden. Für die einen stellt das plötzliche Anleiten sicherlich eine Herausforderung dar – vor allem für Mitarbeiter, die eher introvertiert sind. Doch noch schwerer ist es, zu folgen. Besonders für die eigentliche Führungsebene. Viele Chefs fühlen sich ihrer Macht beraubt, selbst wenn sie nur kleinere Aufgaben delegieren. Dieses Mindset muss schleunigst aus den Köpfen der Arbeitgeber verschwinden. Um geteilt zu führen, dürfen wir nicht länger in Positionen und Hierarchien denken.

Weitere Vorrausetzungen für die Etablierung von geteilter Führung

Ohne gewisse Spielregeln funktioniert das Modell nicht. So ist es unabdingbar, dass vorher über das Team und die Führung gesprochen wird. Die momentan anleitende Person darf nicht mit negativen Konsequenzen rechnen, weil sie dem eigentlichen Geschäftsführer Anweisungen erteilt. Ebenso muss es Respekt auf beiden Seiten geben für das jeweilige Können – schließlich gibt es einen Grund, wieso eine bestimmte Position diese oder jene Aufgabe im Projekt einnimmt. Vor allem müssen die Mitarbeiter darauf vorbereitet und geschult sein, flexibel vom Folgen ins Führen und umgekehrt zu wechseln. Das Modell von jetzt auf gleich zu etablieren und alle ins kalte Wasser zu schmeißen, bringt nichts.

Skeptiker müssen ebenfalls erst verstehen, worum es überhaupt geht

Wie schon erwähnt, sind Projekte oft temporär und man muss sich individuell auf sie einstellen. Für jedes neue Projekt wird eine neue Planung gemacht. Und ebenso sollte das Thema Führung daran angepasst werden. Sprüche wie: „Das machen wir immer so“ und „Beim letzten mal haben wir aber…“ werden dafür aus dem Wortschatz gestrichen. Doch natürlich wird das Modell oft skeptisch betrachtet, wie Arnold eindrucksvoll erzählt:

Wenn ich dieses Konzept vorstelle, werde ich oft erstaunt gefragt: Dann werden in Zukunft also Mitarbeiter Chefs führen und Chefs folgen Mitarbeitern? Ja, das wird sicher so sein – aber natürlich nicht nur. Wenn es der Situation entspricht, wird auch ganz herkömmlich die Chefin ihren Mitarbeiter führen. Ich erwähne dies hier explizit, denn schon die Fragestellung passt nicht mehr so recht in das Zeitalter von New Work: Wir werden zukünftig nicht mehr in Positionen und Hierarchien denken. Es kommt immer nur auf die Situation und die jeweils beste Lösung an.

New Work-Modellen eine Chance geben

Auf der einen Seite haben wir innovative Arbeitsmodelle und Ideen, die unseren Arbeitsalltag verändern sollen. Auf der anderen Seite fehlt uns für viele davon noch die Vorstellungskraft. Gerade deshalb, weil der Großteil von uns mit dem traditionellen Bild von Hierarchie am Arbeitsplatz großgeworden ist. Oder der Vorstellung der klassischen 40-Stunden-Woche. Doch der Arbeitsmarkt hat sich gewandelt und wir müssen uns anpassen, um Schritt zu halten. Diese Meinung vertritt auch Arnold und plädiert dafür, dass, wer New Work will, auch New Management zulassen muss. Und vielleicht lassen sich die vielfältigen, neuen Arbeitsmodelle einfacher etablieren, wenn zunächst in der Führungsebene mit der Veränderung angefangen wird.

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