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4-Tage-Woche als Retter in der Not: Geschützte Jobs, höhere Produktivität und mehr Zufriedenheit

4-Tage-Woche als Retter in der Not: Geschützte Jobs, höhere Produktivität und mehr Zufriedenheit

Michelle Winner | 25.08.20

Kann eine Verkürzung der Arbeitszeit uns durch die Coronakrise helfen und Jobs retten? Ja, sagen Gewerkschaften und Politik. Es wird Zeit, das Modell anzuerkennen.

Das Arbeitsmodell der 4-Tage-Woche wird häufig zum Thema emotionaler Diskussionen über die Zukunft unserer Arbeitswelt. Die einen sehen darin eine Entschuldigung zum faul sein, die anderen glauben an die positiven Auswirkungen wie mehr Flexibilität und steigende Produktivität. Einige Unternehmen testen das Modell sogar schon. Die Diskussionen um die 4-Tage-Woche wurden nun aber von der IG Metall erneut angeregt: Das Konzept soll Jobs sowohl vor der Digitalisierung als auch der anhaltenden Coronapandemie schützen.

Gewerkschaften und Politik unterstützen das Modell

Industriejobs halten statt abschreiben – das erhofft sich der Erste Vorsitzende der IG Metall, Jörg Hofmann. Die zunehmende Automatisierung in der Metall- und Elektroindustrie bringe laut der Gewerkschaft Jobs in Gefahr. Um dem entgegenzuwirken, wird die Einführung der 4-Tage-Woche erwägt, wobei es einen „gewissen Lohnausgleich“ für die Mitarbeiter geben soll, so Hoffmann. Die Linke geht noch einen Schritt weiter und verlangt eine Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden die Woche für alle Beschäftigten, um so Jobs zu retten. Und auch Arbeitsminister Hubertus Heil von der SPD zeigt sich dem Konzept auch hinsichtlich der Coronakrise nicht abgeneigt und sagt:

Reduzierte Arbeitszeit bei teilweisem Lohnausgleich kann eine geeignete Maßnahme sein, wenn sich die Sozialpartner darauf verständigen. Gute und pragmatische Ideen sind gefragt, um gemeinsam durch die Krise zu kommen.

Nichtsdestotrotz bleibt das Arbeitsmodell umstritten. Skeptiker merken an, dass die Digitalisierung nicht zwingend zum Verlust von Arbeitsplätzen führen würde. Außerdem würden die Kosten für Unternehmen steigen, wenn für die gleiche Arbeit mehr Mitarbeiter benötigt werden. Marcel Fratzscher, Präsident des deutschen Wirtschaftsinstituts, hält die 4-Tage-Woche zwar für ein geeignetes Kriseninstrument, jedoch nur ohne einen vollen Lohnausgleich. Und auch der CDU-Wirtschaftsrat lehnt eine Verkürzung der Arbeitszeit mit vollem oder begrenzten Lohnausgleich vehement ab.

Arbeitnehmer wünschen sich 4-Tage-Woche

Unabhängig von den Stimmen der Gewerkschaften und Politik, hat eine aktuelle YouGov-Studie gezeigt, dass viele Beschäftigte das Arbeitsmodell für gut befinden. Insgesamt 61 Prozent der Befragten befürworten die 4-Tage-Woche mit Lohnausgleich:

© YouGov

Frank Rechsteiner, Recruiting-Experte und Autor, spricht sich ebenfalls für das Modell aus und gibt interessante Einblicke in die Chancen und Möglichkeiten der 4-Tage-Woche. So erklärt er beispielsweise, dass die verkürzte Arbeitswoche die Produktivität steigern kann – so zu beobachten bei Microsoft in Japan, wo die Beschäftigten nach Einführung des neuen Arbeitsmodells 40 Prozent produktiver waren.

Vor- und Nachteile der 4-Tage-Woche

In seinen Ausführungen reflektiert Rechsteiner das Konzept jedoch auch kritisch und geht auf einige Vor- und Nachteile ein. Auf der positiven Seite ist natürlich der Zugewinn an Freizeit zu erwähnen, der direkt ins Privatleben investiert werden kann. Abgesehen davon fördert die 4-Tage-Woche auch die Gesundheit der Mitarbeiter: weniger Rückenschmerzen, seltenere Schlafprobleme, ein geringeres Risiko für Herzinfarkte sowie ein genereller Rückgang der Krankheitstage wurden in einer Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz festgestellt. Außerdem steigt wie bereits erwähnt die Produktivität. Beschäftigte arbeiten meist konzentrierter und gleichzeitig steigt ihre Zufriedenheit.

Bei den Nachteilen des Konzepts warnt Rechsteiner vor einer wachsenden Workload. Wird ein Arbeitstag gestrichen, die Stundenzahl jedoch gleich behalten, werden die verbliebenen Tage automatisch länger. Es kann dazu kommen, dass Pausen dadurch zu kurz kommen. Zusätzlich bedeutet ein freier Freitag auch das Wegfallen der Freitagsumsätze sowie eine längere Bearbeitungszeit von Kundenanfragen. Diesen beiden Nachteilen kann jedoch entgegengewirkt werden, indem beispielsweise nicht das ganze Unternehmen an ein und demselben Tag frei hat und statt auf Stunden auf erfüllte Leistung gesetzt wird.

4-Tage-Woche als Chance für Unternehmen

Rechsteiner hat die Umstellung selbst gewagt und festgestellt, dass es zu Beginn natürlich nicht einfach war. Doch nach der Einführungsphase überwiegen die Vorteile – nach eigener Aussage sowohl für seine Kunden als auch die Mitarbeiter. Außerdem schaffe er in den vier Arbeitstagen mehr als in fünf. Er erklärt:

Wenn du genau weißt, dass du weniger Zeit hast, dann konzentrierst du dich automatisch auf die wesentlichen Punkte und die unwesentlichen lässt du einfach weg. Auf diese Weise vergeudest du nicht deine Zeit mit Dingen, die deine Arbeitsziele nicht steigern.

Es zeigt sich also, dass das Arbeitsmodell 4-Tage-Woche nicht so unrealistisch ist, wie viele denken, und tatsächlich mit großen Vorteilen einhergeht – ganz vorne sind dabei die steigende Produktivität und die wachsende Mitarbeiterzufriedenheit zu nennen. Wenn das Konzept nun zusätzlich auch als Instrument in Krisenzeiten genutzt werden kann, sollten Unternehmen das Experiment wagen. Wichtig dafür ist nur, dass wir von dem alten Irrglauben loskommen, dass Anwesenheit am Arbeitsplatz mehr Arbeitszeit auch automatisch mehr Leistung bedeuten. Denn diesen hat die 4-Tage-Woche überzeugend entkräftet.

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