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Karrieretipps
Persönlichkeitstests im Bewerbungsverfahren: Beliebt, aber unsicher

Persönlichkeitstests im Bewerbungsverfahren: Beliebt, aber unsicher

Michelle Winner | 16.11.18

Das größte Problem sind Ungenauigkeit und die Kategorisierung von Menschen nach einem bestimmten Schema. Das wird auch in unserem Selbstversuch deutlich.

Vielen Arbeitgebern kommt es bei Bewerbern inzwischen nicht mehr nur auf die fachlichen Kompetenzen an, sondern vor allem die Soft Skills. Diese in Erfahrung zu bringen, gestaltet sich jedoch schwierig. Aus diesem Grund greifen inzwischen fast 25 Prozent der deutschen Unternehmen auf Persönlichkeitstest im Bewerbungsverfahren zurück. Doch die sind höchst umstritten. Der Großteil solcher Tests ist nicht wissenschaftlich fundiert und die Ergebnisse können schnell fehlgedeutet werden. Trotzdem sind die „Psychotests“ auf dem Vormarsch.

In Deutschland kritisiert, im Ausland Standard

Während Persönlichkeitstests hierzulande immer noch mit negativen Vorurteilen behaftet sind, erfreuen sie sich in anderen Ländern höchster Beliebtheit. So gibt es in Dänemark kaum Bewerbungsverfahren ohne sie und in England und den USA nutzen sie bereits 75 Prozent aller Unternehmen. Doch bedeutet die häufige Verwendung automatisch, dass sie ein zuverlässiges Instrument sind? Nein, wie das Beispiel eines Abteilungsleiters von einem Hifi-Hersteller zeigt. Der Mann musste in seinem Leben bereits um die 30 solcher Tests durchstehen. Einige für den Beruf, andere während seiner Zeit im Internat. Sein erster Persönlichkeitstest hatte gleich mit einer schweren Missdeutung geendet. So sollte er im Kindesalter seine Familie als Tiere malen und zeichnete seinen Vater als Löwen. Schließlich war dieser für ihn das Oberhaupt und der Beschützer der Familie. In der Auswertung deuteten die „Experten“ die Kinderzeichnung jedoch als Ausdruck von Hass und Bedrohung.

Doch wieso werden Persönlichkeitstests überhaupt benutzt?

Wie so oft lautet die Antwort auf diese Frage: „Fachkräftemangel“. Viele Unternehmen haben heute Probleme, frische Talente für sich zu gewinnen. Besonders ärgerlich ist es jedoch, wenn ein neuer Mitarbeiter bereits nach wenigen Monaten die Firma wieder verlässt. Um solchen Szenarien vorzubeugen, setzen Arbeitgeber auf die Persönlichkeitstests. Diese sollen Charakter, Intentionen und Ambitionen von Bewerbern beleuchten und zeigen, ob dieser ins Arbeitsumfeld passt. So heißt es beispielsweise in der FAZ:

Dahinter steckt die Annahme, dass fachliche Kompetenz und Wissen erlernbar sind. Die Persönlichkeit hingegen ist nur schwer veränderbar. Tests der Persönlichkeit sollen Aufschluss darüber geben, welche Charaktereigenschaften einen neuen Mitarbeiter besonders auszeichnen.

Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass eine Umfrage unter den Dax-Unternehmen zeigt, dass ein Drittel Persönlichkeitstest bereits verwendet. Ebenso lehnen nur knapp 30 Prozent diese vehement ab. Zum Tragen kommen sie natürlich im Bewerbungsverfahren, aber auch bei Beförderungen.

Das sind die beliebtesten Verfahren

Als zuverlässig und häufig angewendet gilt das „Bochumer Inventar zur Berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung“ (BIP). Lobenswert ist, dass dieses speziell darauf ausgerichtet ist, die Eignung für eine bestimmte Stelle zu analysieren. Klassisch muss der Kandidat auf einer Skala von „trifft völlig zu“ bis „trifft gar nicht zu“ Aussagen bewerten. Bei diesen geht es um Sozialkompetenz, Berufsvorstellungen und psychischen Zustand. Doch am meisten verwendet, erforscht und umstritten ist zweifelsfrei der „Myer-Briggs-Typen-Indikator“.

Dabei werden den Teilnehmern 100 Fragen gestellt, anhand derer sie in ein Raster aus 16 Persönlichkeitstypen eingeordnet werden. Diesen Typen werden wiederum konkrete Eigenschaften zugeordnet, […]. Hinzu kommt eine prozentuale Gewichtung der Komponenten, die das Ergebnis des Persönlichkeitstests noch weiter ausdifferenziert.

In den USA kennen die meisten Bewerber ihren Typ und insgesamt machen 2,5 Millionen Menschen den Test im Jahr – sei es für die Bewerbung oder aus privatem Interesse. Doch trotzdem gibt es viel Kritik an diesem Test. Die Antwortmöglichkeiten seien zum Beispiel zu einseitig. Entweder stimmt man einer Aussage zu, oder eben nicht. Eine Mitte, wie sie bei vielen Fragen gebraucht würde, gibt es nicht. Zudem besteht auch hier, wie bei vielen anderen Persönlichkeitstests, das Risiko von Unehrlichkeit. Getestete antworten besonders bei Bewerbungsverfahren so, wie es sozial angesehen ist und nicht wie sie es persönlich empfinden. „Sind sie gern unter Leuten?“ wird dadurch etwa bejaht, obwohl der Bewerber eher ein Einzelgänger ist. Doch auf Grund sozialer Normen möchte er dies nicht zugeben.

Myer-Briggs im Selbstversuch – Ist die Kritik gerechtfertigt?

Die erste Schwierigkeit bei diesem Test ist es, den richtigen überhaupt zu finden. Bei der Internetrecherche ergeben sich viele abgewandelte oder angepasste Ergebnisse. Doch schlussendlich findet sich eine Version, die auf den 16 Persönlichkeitstypen basiert. Insgesamt waren viele der 100 Fragen nichts Besonderes und man kennt sie bereits aus anderen Tests. Doch einige stachen hervor, weil sie nach Interesse an Büchern, Filmen, Videospielen oder Kostümveranstaltungen fragten. Insgesamt sollte der Test in maximal zwölf Minuten abgelegt werden, was durchaus machbar ist. Doch zum Teil geriet ich bei der Beantwortung ins Grübeln – mir fehlte die Option, auch eine Mischung aus „stimmt“ oder „stimmt nicht“ anzukreuzen. Am Ende bot sich mir folgendes Ergebnis:

Screenshot

Natürlich kann es sein, dass meine Selbstwahrnehmung anders ist als die Einschätzung anderer Personen über mich. Doch trotzdem muss ich sagen, dass ich das Ergebnis eher durchwachsen sehe. Wie bei fast allen Persönlichkeitstests, passen einige Beschreibungen, andere wiederum überhaupt nicht, beispielsweise die Distanzierung von Gefühlen, um erfolgreich zu werden. Übrigens werden auch direkt Prominente und fiktive Personen angezeigt, welche denselben Persönlichkeitstyp haben. Meine „Geschwister“ sind Steve Jobs, Gordan Ramsey, Harrison Ford und Whoopi Goldberg – vier Menschen, die ich anhand ihrer öffentlichen Auftritte nicht als besonders ähnlich gesehen hätte.

Wer den Test selber machen möchte, kann das hier tun.

Was machen wir nun mit Persönlichkeitstests im Arbeitsalltag?

Trotz aller Kritik und Ungenauigkeit setzen immer mehr Unternehmen auf Persönlichkeitstests in Bewerbungsverfahren. Wichtig ist, dass Personaler die Ergebnisse dieser nicht als 100 Prozent zutreffend ansehen. Menschen sind individuell und lassen sich nicht einfach in ein Schema einteilen – 16 Typen sind immer noch zu wenig. Am besten sollten Tests wie das BIP verwendet werden, da diese auf die Eignung für eine spezifische Stelle angepasst sind. Und was kann man als Bewerber tun? Vorbereiten kannst du dich auf solche Tests nur schlecht. Bleibe ehrlich und wähle Antworten nicht nur aus, weil du sie für angemessen hältst. Zudem solltest du vermeiden auf Skalen immer nur die Mitte anzukreuzen. Doch auch wenn du ehrlich bleiben solltest, kannst du versuchen die Zielstellung einer Fragestellung zu erkennen und deine Antwort dementsprechend anpassen. Schlussendlich sollten jedoch persönliche Gespräche, Rollenspiele und Probearbeiten zeigen, wie ein Bewerber wirklich tickt – und nicht ein Ankreuztest.

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