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Human Resources
Folgt auf den Gender Gap nun auch der Age Gap? Wie Altersdiskriminierung im Berufsalltag Diversität einschränkt

Folgt auf den Gender Gap nun auch der Age Gap? Wie Altersdiskriminierung im Berufsalltag Diversität einschränkt

Ein Gastbeitrag von Colm O'Cuinnean | 01.03.22

Altersdiskriminierung ist die zweithäufigste Benachteiligungsform im Berufsleben. Wie sich diese im Arbeitsalltag und im Bewerbungsverfahren bemerkbar macht und wie man dagegen vorgehen kann, erfährst du im Artikel.

In der 2015 erschienenen Komödie Man lernt nie aus fragt ein junger Rekrutierer den 70-jährigen Ben Whittaker bei einem Vorstellungsgespräch, wo er sich in zehn Jahren sieht. Zum Hintergrund: Ben Whittaker, gespielt von Robert De Niro, hat sich im Rahmen eines Gemeindeprojekts als Praktikant bei einem E-Commerce-Mode-Startup beworben. Die Hollywood-Komödie, die uns als Zuschauer:innen zum Lachen bringen soll, spiegelt auch in Teilen die Realität über unser Verständnis von „älteren“ Mitarbeiter:innen wider. Auch wenn in der realen Welt 70-jährige Praktikant:innen die Ausnahme sind, wird das Lebensalter am Arbeitsplatz heiß diskutiert. Egal ob jung oder alt, weiblich, männlich oder divers – das Thema Altersdiskriminierung im Berufsleben ist gelebte Normalität.

Altersdiskriminierung im Berufsalltag

Das Wort „Diskriminierung“ kommt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie „abgrenzen“, „unterscheiden“, „absondern“. In Deutschland schützt das „Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz“ (AGG) vor Benachteiligung aus sechs Gründen: ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion, Behinderung, sexuelle Identität und Alter. Wer aufgrund eines dieser Merkmale zum Beispiel im Berufsleben ungleich behandelt wird, kann dagegen klagen. Nach der Geschlechtsdiskriminierung ist Diskriminierung aufgrund des Lebensalters die zweithäufigste Benachteiligungsform im Arbeitsleben, wie eine Online-Umfrage des Jobbewertungsportals Glassdoor 2019 ergab.

Allgemein betrifft Altersdiskriminierung im Vergleich zu anderen Lebensbereichen überwiegend das Berufsleben. Altersbedingte Benachteiligungen entstehen unter anderem bei der Auswahl und Einstellung von Personal, bei Gehaltszahlungen, Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, Sozialleistungen (zum Beispiel Anzahl der Urlaubstage und Rente), Beförderungschancen und Entlassungen. Grundsätzlich basiert Altersdiskriminierung auf dem Glauben, dass Personen bestimmte Leistungen aufgrund ihres Alters nicht mehr oder noch nicht ausüben können. Dies bezieht sowohl jüngere als auch ältere Arbeitnehmer:innen mit ein. Laut der Antidiskriminierungsstelle des Bundes äußert sich dieser Sachverhalt unter anderem darin, dass beispielsweise jüngere Mitarbeiter:innen bei gleicher Qualifikation höchstwahrscheinlich weniger Gehalt als ihre älteren Kolleg:innen erhalten und bei Beförderungen häufiger übergangen werden, während ältere Arbeitnehmer:innen oftmals keinen Zugang zu Fort- und Weiterbildungsprogrammen erhalten.

Altersdiskriminierung bei der Personalauswahl

In unserer Gesellschaft existieren vielfach Voreingenommenheiten bezüglich des Alters. Voreingenommenheiten sind die Basis unserer Entscheidungsfindung. Sie beziehen sich auf die Vereinfachung der von uns zur Verfügung stehenden Informationen, Erfahrungen und Stereotypen. Im Bezug auf das Lebensalter und das Berufsleben heißt das zum Beispiel, dass eine Person Mitte 50 als zu alt für die Arbeit in der Gastronomie gehalten wird. Ihr werden gewisse Fähigkeiten wie Schnelligkeit oder Flexibilität pauschal aberkannt. Umgekehrt sieht es beispielsweise bei einer Person Anfang 30 aus, die qualifiziert genug wäre, eine Führungsposition in einem großen Konzern zu übernehmen. Dieser Person werden Attribute wie berufliche und persönliche Unerfahrenheit oder fehlendes Durchsetzungsvermögen zugeschrieben.

Auch in Situationen, in denen ältere Arbeitnehmer:innen nach einer Unterbrechung wieder Arbeit suchen, sind viele Unternehmen voreingenommen. So werden ältere Personen meist nicht mehr eingestellt, weil bei ihnen angeblich die Flexibilität, neue Kenntnisse zu erlernen, oder sich an eine andere eventuell dynamische Arbeitsumgebung anzupassen, nicht (mehr) vorhanden ist. Die häufigsten Diskriminierungsfallen aufgrund des Lebensalters lauern also bei der Arbeitssuche und im Bewerbungsverfahren. Dies belegt auch eine bevölkerungsrepräsentative Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zum Thema Diskriminierungserfahrungen in Deutschland.

Touchpoints von Altersdiskriminierung im Bewerbungsverfahren

Chancenungleichheiten aufgrund des Lebensalters entstehen an mehreren Kontaktpunkten während der Candidate Journey. Welche das sind und wie eine effektive und altersneutrale Personalbeschaffung und Einstellungspraxis funktioniert, wird im Folgenden erläutert.

Stellenausschreibungen und Informationen für alle zugänglich machen

Unternehmen schreiben ihre Stellen heutzutage vermehrt online aus, zum Beispiel über Jobportale wie Indeed und Stepstone oder über soziale Netzwerke wie LinkedIn und Xing. Das Problem: Nicht alle nutzen das Internet auf die gleiche Weise. Wenn also online nach Kandidat:innen gesucht wird, muss man sicherstellen, dass alle erreicht werden. Ansonsten entsteht ein unmittelbarer Nachteil für Altersgruppen, die das Internet und soziale Netzwerke weniger oder gar nicht nutzen. Aus diesem Grund sollten Personalbeschaffungskanäle so breit und divers wie möglich aufgebaut sein und auch Stellenanzeigen in Printmedien nicht vernachlässigt werden.

Inklusive Sprache und Wortwahl der Stellenanzeige

Ob eine Altersgruppe exkludiert wird, hängt auch von der Sprach- und Wortwahl ab. So können gewisse Formulierungen in Stellenausschreibungen Personen eines bestimmten Alters favorisieren. Vorsicht ist beispielsweise bei der Formulierung „Junges und dynamisches Team sucht Dich“ geboten. Sowohl die Bezeichnung „jung und dynamisch“ als auch das Duzen schließt ältere Personen augenscheinlich aus. Auch der Begriff „Digital Natives“ bezieht sich auf eine bestimmte Personengruppe. Besser ist es, Stellenanzeigen altersneutral zu formulieren, damit sie auf alle demografischen Gruppen ausgerichtet sind.

Voreingenommenheiten lösen: Anforderungsprofile und Familienplanung

Das Anforderungsprofil einer Stelle ist oftmals mit gewissen Eigenschaften verknüpft, die man eher älteren oder jüngeren Personen zuschreibt. Die damit verbundene Altersdiskriminierung geht sowohl in Richtung „zu jung“ als auch „zu alt“. Werden eher technische Eigenschaften und ein hohes Maß an Flexibilität zum Beispiel in Bezug auf Arbeitszeiten oder Geschäftsreisen gefordert, werden ältere Menschen benachteiligt. Umgekehrt werden jüngere Personen bei Stellen benachteiligt, die eine langjährige Berufserfahrung voraussetzen. Speziell für Berufseinsteiger:innen entsteht ein Permission Paradox. Häufig werden auch jüngere Frauen benachteiligt, denen (direkt oder indirekt) unterstellt wird, durch mögliche Schwangerschaften und längere Elternzeit früher oder später auszufallen. Der Ausweg aus diesem Gedankenkarussell ist, sich seiner eigenen Voreingenommenheit bewusst zu sein. Eine 50-jährige Frau kann genauso technisch affin sein wie ein 22-jähriger Mann. Schulungen zur unbewussten Voreingenommenheit können Recruitern helfen, eigene Vorurteile zu erkennen und Bewerber:innen so zu begegnen, dass sich daraus im Rahmen der Personalbeschaffung keine Probleme entwickeln.

Fokus auf das Relevante bei der Vorauswahl und beim Vorstellungsgespräch

Bei der Vorauswahl der Kandidat:innen sollten nach Möglichkeit alle Altersindikatoren, wie Geburts- und Abschlussdaten, ausgeblendet werden. Es sollte dann überprüft werden, ob beim ersten Screening nur die für die Stelle relevantesten Daten erfasst wurden. Sind aus den Bewerbungsunterlagen keine altersbedingten Merkmale erkennbar, werden diese jedoch spätestens beim Vorstellungsgespräch sichtbar. Folglich und mit am häufigsten findet Altersdiskriminierung im Vorstellungsgespräch statt. Wichtig ist, sich auch hier auf das Relevante zu konzentrieren und äußere Faktoren auszublenden. Die Kernfrage sollte hier lauten: Ist die Person aller Voraussicht nach geeignet, die vom Unternehmen an ihn oder sie gestellte Aufgabe erfolgreich zu bewältigen? Um dies festzustellen, und um Voreingenommenheit in Bewerbungsverfahren zu reduzieren, eignen sich datengesteuerte Prozesse wie beispielsweise das Structured Hiring.

Bei der Anwendung eines strukturierten Einstellungsverfahrens wird eine Stelle samt der damit verbundenen Anforderungen und Qualifikationen eindeutig definiert und darauf basierend ein Interview-Kit erstellt. Dieses beinhaltet relevante Fragen, die darauf ausgelegt sind, die Fähigkeiten und Qualitäten eines Bewerbers oder einer Bewerberin zu bewerten. Somit kann unter anderem auch sichergestellt werden, dass eine 60-jährige Person nicht gefragt wird, wo sie sich in zehn Jahren sieht – nämlich in Rente. Folglich können datengesteuerte Prozesse Einstellungsverfahren optimieren, indem gleiche Standards geschaffen und evidenzbasierte Entscheidungen getroffen werden. Dies kann Vorurteile verringern, da Personen aufgrund ihrer Qualifikationen und nicht aufgrund irgendwelcher Merkmale wie etwa des Alters eingestellt werden. Bewerbungsverfahren werden dadurch für alle Beteiligten (Bewerber:innen und Personalverantwortliche) nachvollziehbar und transparent.

Transparente Kommunikation im Einstellungsprozess

Ist man bereits in Vertragsverhandlungen, erfahren häufig jüngere Personen eine Benachteiligung. So zum Beispiel beim Thema Gehalt und soziale Leistungen oder der Anzahl an Urlaubstagen. Hier lohnt es sich, eine Policy auszusetzen, die als Argumentationsbasis gilt und offen und transparent im Unternehmen geteilt wird.

Voreingenommenheit reduzieren und Diversität erhöhen

Wir alle wissen, dass Vorurteile menschlich sind und dass eine Personalbeschaffung, die zu einer homogenen Belegschaft führt, dem Unternehmen auf lange Sicht schadet. Das Einstellen von Personen unterschiedlicher Altersgruppen bereichert das Team, so können jüngere Mitarbeiter:innen von älteren beziehungsweise erfahrenen Kolleg:innen lernen und umgekehrt. Vielfältige Perspektiven und Ansichten fördern somit den Teamgeist und führen zu einem nachhaltigen Unternehmenserfolg. Wenn der berufliche Kontext dann auch noch zum allgemeinen Ziel – dem Abbauen von Vorurteilen – beitragen kann, profitieren die Menschen auch in ihrem Privatleben davon.

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