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Digitalisierung
Abschalten im Home Office: Brauchen wir ein Recht auf Nicht-Erreichbarkeit?

Abschalten im Home Office: Brauchen wir ein Recht auf Nicht-Erreichbarkeit?

Michelle Winner | 07.12.20

Zu viele Mitarbeiter fühlen sich zur ständigen Erreichbarkeit genötigt. Deshalb wollen EU-Abgeordnete nun ein Recht für Arbeitnehmer erwirken, dass vor Burnout und der fehlenden Trennung von Arbeit und Privatem schützen soll.

Die Coronakrise hat bewirkt, dass Home Office weniger verpönt ist und viele Arbeitnehmer sich die Option auf die Arbeit von zu Hause aus auch nach Ende der Pandemie nicht nehmen lassen wollen. Arbeitgeber wollen auf diesen Wunsch eingehen, jedoch birgt das ganze neue Herausforderungen. Derzeit heißt es von Beschäftigten im Home Office oft, dass ihnen vor allem die ständige Erreichbarkeit und die fehlende Trennung von privat und beruflich zu schaffen macht. Um diesem Problem entgegenzuwirken, fordern EU-Abgeordnete jetzt ein Recht auf Nicht-Erreichbarkeit für Arbeitnehmer, wie heise online berichtet.

Wieso ein Recht aus Nicht-Erreichbarkeit?

Im Home Office werden oft die privaten Geräte, meist Handy und Computer, für die Arbeit genutzt. Das verleitet jedoch dazu, dass Arbeitnehmer auch außerhalb der regulären Arbeitszeiten Mails und Nachrichten beantworten oder Aufgaben erledigen. Viele haben dabei Angst, dass sie etwas Wichtiges verpassen oder Ärger mit den Vorgesetzten bekommen, sollten sie Nachrichten nicht innerhalb eines bestimmten Zeitfensters beantworten. Der Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten des EU-Parlaments vertritt jedoch die Meinung, dass Nicht-Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeiten ein Grundrecht jedes Arbeitnehmers sein sollte. Und so stimmten 31 Abgeordnete für die Initiative, 18 enthielten sich und nur sechs waren dagegen.

Der Ausschuss will den Vorschlag der EU-Kommission unterbreiten und so dafür sorgen, dass beispielsweise entsprechende Klauseln in Tarifverträge eingebaut werden. Denn tatsächlich gibt es bislang laut EU-Gesetzten noch kein ausdrückliches Recht auf Nicht-Erreichbarkeit. Der Ausschuss begründet den Vorschlag damit, dass ständige Erreichbarkeit sich nicht nur negativ auf das Verhältnis von Arbeit und Privatleben auswirkt, sondern auch Druck auf Mitarbeiter ausübt und auf Dauer auch die Psyche angreifen kann.

Folgen des Corona-Home-Office deutlich spürbar

Bei seinem Vorschlag beruft sich der Ausschuss zudem auf einen Bericht der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen Eurofound. In diesem wird über die Auswirkungen des Corona-Home-Office auf Arbeitnehmer berichtet. Darin wird außerdem gewarnt, dass es neben den fehlenden Grenzen zwischen Arbeit und Privatem auch zu Verlängerungen der Arbeitszeit kommen kann. Der parlamentarische Berichterstatter Alex Agius Saliba aus Malta beklagt zudem, dass inzwischen viele Arbeitnehmer unter der Isolation im Home Office sowie Müdigkeit, Augen- und Muskelkrankheiten sowie Depressionen leiden würden. Diese Begründungen lassen darauf schließen, dass der Wunsch nach Home Office nur erfüllt werden kann, wenn auch Wert auf den Schutz der Arbeitnehmer gelegt wird.

Hierzulande wurde das Problem von der SPD bereits im Jahr 2019 zur Europawahl thematisiert. Im Programm der Partei wurde davor gewarnt, dass das digitale Arbeiten negative Folgen auf Beschäftigte haben kann und die „Entgrenzung der Arbeit und eine fortwährende Erreichbarkeit“ nicht zum Status quo werden dürfen. Und auch heute streitet der Bundestag über ein generelles Recht auf Home Office und gleichzeitig darüber, wie Arbeitnehmer zureichend geschützt werden können.

Was den Vorschlag des EU-Ausschlusses angeht, so muss die Entschließung noch vom Plenum des Parlaments abgesegnet werden. Dies wird voraussichtlich im Januar geschehen. Erst danach wird das Recht auf Nicht-Erreichbarkeit als Empfehlung an die EU-Kommission und den Ministerrat weitergetragen. Jedoch scheint es hinsichtlich der wachsenden Akzeptanz der Heimarbeit und dem Bedürfnis vieler Arbeitnehmer danach unabdingbar, dass neue Regelungen und Gesetze zum Schutz der Mitarbeiter in Kraft treten.

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