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Büroalltag
Mobbing am Arbeitsplatz: Wo es beginnt und wie du Hilfe findest

Mobbing am Arbeitsplatz: Wo es beginnt und wie du Hilfe findest

Michelle Winner | 02.10.18

Jeder dritte Arbeitnehmer wird im Job schikaniert. Deshalb muss Mobbing als Problem endlich von allen ernst genommen werden - nur so können Sanktionen gegen Mobber erwirkt werden.

Obwohl Mobbing ein allgegenwärtiges Thema in unserer Gesellschaft ist – unabhängig von der Altersstufe – nehmen viele Menschen das Thema nicht ernst. Im Gegenteil, meistens wird das Schikanieren sogar relativiert. Liest man Berichte über gemobbte Schüler, so ertönen meist Stimmen, die behaupten, die Jugend von heute sei einfach zu weich. Dabei sei ein bisschen „ärgern“ doch normal unter Kindern. Beklagen sich Erwachsene über Mobbing, so heißt es schnell, sie würden das Verhalten ihrer Mitmenschen überinterpretieren und zu sensibel sein. Doch so einfach lässt sich das Thema nicht abtun, denn gerade am Arbeitsplatz kommt es immer häufiger zu Mobbingattacken. Und systematisches Mobbing macht krank und kann zu Depressionen oder gar Suizid führen.

So funktionieren Mobbing-Dynamiken am Arbeitsplatz

Mobbing beginnt meist mit ungelösten Konflikten. Diese müssen dabei nicht einmal tiefgehend sein. Basis der Schikane ist oftmals das Anderssein eines Kollegen. Zu dick, zu dünn, zu hübsch, zu viele Markenklamotten, zu punkig, zu öko, zu steif. Wird jemand als anders wahrgenommen, kann er schnell das Opfer von Schikane werden. Besonders betroffen sind meist neue Mitarbeiter. Hat ein Mobber sich seine Beute ausgesucht, wendet er sich oftmals an andere Kollegen. Dies kann klassisch über gezielte Lästereien geschehen, oder eben auch über erlogene Behauptungen wie: „Findest du auch, der Neue riecht streng? Ich glaub der duscht nicht so oft. Also nur so ’ne Vermutung…“

Durch Aktionen wie diese werden weitere Kollegen instrumentalisiert. Sie beginnen unbewusst das Opfer genauer zu beobachten, seine Handlungen zu interpretieren und unschöne Schlüsse zu ziehen. Nach und nach wird der Kreis immer größer. Die anderen Mitarbeiter meiden bewusst den Kontakt und somit wird das Opfer ungewollt zum Außenseiter.

Ab wann spricht man von Mobbing?

Natürlich muss man nicht jeden Kollegen mögen. Das liegt in der Natur des Menschen. Und mal ein falsches Wort über jemanden zu verlieren, zählt nicht sofort als Mobbingattacke. Die feine Linie zwischen der eigenen Meinung und Schikane ist jedoch schnell übertreten, zum Beispiel wenn es zur Routine wird, mit dem Lieblingskollegen über einen Anderen herzuziehen. Arbeitsrechtler André Kasten erklärt, wann es sich aus juristischer Perspektive um Mobbing handelt:

Es muss eine Täter-Opfer-Konstellation vorliegen und das Verhalten muss sich über einen längeren Zeitraum kontinuierlich fortsetzen. Zudem muss es systematisch und zielgerichtet sein und auf die Verletzung des Persönlichkeitsrechts oder der Gesundheit des Betroffenen abzielen.

Diese Definition ist zugegeben etwas vage. Die Intention des Mobbers lässt sich nicht immer klar erkennen. Und zudem muss der Zeitraum nicht auschlaggebend sein, um sich gemobbt zu fühlen. Im Gegenteil, unregelmäßige Mobbingattacken können eine große Belastung sein. Man stelle sich vor, ein Kollege sagt etwas Verletzendes. Die folgenden Wochen scheint jedoch alles wieder normal zu sein und man entwickelt ein Gefühl der falschen Sicherheit. Und dann geschieht plötzlich wieder etwas Verletzendes. Beim Opfer können diese unsteten Zeitabstände genauso ein Gefühl der Angst und Verunsicherung auslösen wie tägliches Mobbing.

Jeder dritte Arbeitnehmer wird gemobbt

Eine Studie des Bündnis gegen Cybermobbing zeigt, dass die Zahl von Mobbingfällen am Arbeitsplatz drastisch gestiegen ist. 30 Prozent der Befragten bestätigten bereits Opfer von Schikane geworden zu sein, was einen Anstieg von 6,4 Prozent seit 2014 darstellt. Frauen seien am häufigsten betroffen. In Zeiten der Digitalisierung hat besonders das Cybermobbing zugenommen. Mobber machen keinen Unterschied mehr, ob sie jemanden online oder in der realen Welt schikanieren – beide Seiten sind eng miteinander verwachsen. Zum Internetmobbing zählen übrigens auch diffamierende Bilder und Videos, die Kollegen untereinander austauschen, egal ob der Betroffene oder die breite Öffentlichkeit diese nicht sehen kann.

Mit 18 Prozent ist der Anteil von Cybermobbing zwischen den 20 bis 25 Jahre alten Personen besonders hoch. Uwe Leest vom Bündnis gegen Cybermobbing erklärt, dass diese Gruppe zur „ersten Generation Smartphone“ gehöre. Sie sei es gewohnt, dass ein Großteil ihres Lebens auch digital stattfindet und kenne Cybermobbing zumeist noch aus Schulzeiten. Da dieses jedoch damals noch nicht ausreichend reguliert und bestraft wurde, setzen Mobber dieser Generation die Online-Schikane auch im Arbeitsleben fort.

Was kann ich gegen Mobbing tun?

Wie sooft ist Deutschland auch bei diesem Thema rückständig, denn im Gegenteil zu Frankreich oder Schweden, gibt es hier bislang keine gesetzliche Regelung was Mobbing am Arbeitsplatz angeht. In der Theorie stellt Mobbing einen „Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und einen Angriff auf das Grundrecht auf körperliche und seelische Unversehrtheit“ dar. Dies muss vom Arbeitgeber allein des Gesetzes wegen geschützt werden. Toleriert ein Chef Mobbing, so macht er sich also strafbar und schadensersatzpflichtig. Trotz dessen ist der Gang zum Anwalt für Mobbingopfer meist sinnlos, denn man müsse die bösen Absichten des Schikanierenden erst einmal beweisen, so Anwalt Joachim Wichert.

Es folgt eine ellenlange Beweisaufnahme. Das Problem dabei ist, dass man für alle einzelnen Aktionen eine feindliche Willensrichtung nachweisen muss. Mit einer Klage wäre ich generell vorsichtig.

Experten empfehlen das Führen eines Mobbintagebuchs. Darin sollte das Opfer jede Schikane festhalten und wenn möglich auch notieren, welche Personen Zeugen davon geworden sind. Diese Kollegen können vom Gericht zur Aussage berufen werden. Die Erfolgsrate ist jedoch klein. Anders verhält es sich lediglich beim Thema Gleichberechtigung. Diskriminierung aufgrund der Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder des Alters kann meist besser nachvollzogen werden und wird eher geahndet.

Wo kann ich nach Hilfe suchen?

Der Kampf gegen Mobbing sollte im Unternehmen selbst beginnen. Der Gedanke eine Versetzung zu beantragen mag reizvoll klingen, ist jedoch nicht unbedingt eine Lösung. Schließlich wird der Mobber nicht bestraft und das Opfer tritt den Rückzug an. Stattdessen sollte der Vorgesetzte oder die Personalabteilung darauf aufmerksam gemacht werden. Zudem bieten manche Unternehmen auch Schlichtungsangebote und Unterstützung an. Des Weiteren gibt es diverse anonyme Hotlines, die durch Gewerkschaften, Krankenkassen oder Organisationen wie das Bündnis gegen Cybermobbing gefördert werden. Jedoch sollte bei zu hoher psychischer Belastung auch ärztlicher Rat eingeholt werden. Im schlimmsten Fall sollte das Opfer jedoch einen Arbeitsplatzwechsel in Erwägung ziehen.


Wenn auch du das Gefühl hast am Arbeitsplatz unterzugehen und der Schikane anderer ausgesetzt zu sein, kannst du dir auf verschiedenen Wegen Hilfe holen:

Bündnis gegen Cybermobbing: Auswahl an Hotlines
https://www.buendnis-gegen-cybermobbing.de/links/hilfe-hotlines.html

Bürgerinitiative Pro Fairness gegen Mobbing: Liste Beratungszentren Deutschlandweit
http://www.mobbing-web.de/links/mobbing-web-verzeichnis.php

Das Hilfetelefon: Spezialisiert auf Frauen die Gewalt und Mobbing erfahren
https://www.hilfetelefon.de/

Hab keine Angst davor, dass dein Problem zu unbedeutend sei oder man dich nicht ernst nehmen würde. All diese Hilfsangebote nehmen Mobbing als das wahr, was es ist: Ein soziales Problem, dem man etwas entgegen setzen muss.

Kommentare aus der Community

Simon am 04.10.2018 um 10:24 Uhr

Ich denke auch, dass man als Opfer aktiv der Sache entgegen treten soll. Gerade nämlich die Selbstsicherheit bzw. die verspürte Überlegenheit der Täter gegenüber der Opfer führt dazu, dass die Mobbing-Angriffe immer stärker werden, wenn nichts getan wird. Mitunter hilft ja sogar eine gute Rechtsschutzversicherung, um sich dagegen wehren zu können.

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