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Digitalpolitik
Talibans, Hehlerbanden und Lügner: Der Streit um das „Leistungsschutzrecht“

Talibans, Hehlerbanden und Lügner: Der Streit um das „Leistungsschutzrecht“

Ralf Scharnhorst | 10.12.12

Bericht von Talibans, Hehlerbanden und Lügner der aktuelle Stand beim „Leistungsschutzrecht“ #LSR

Die deutschen Verleger haben ein Gesetz gegen Zitate im Netz und Google News entworfen, Google mobilisiert seine Nutzer für die „Freiheit des Netzes“.

Ralf Scharnhorst berichtet von einer Podiumsdiskussion der Kontrahenten in Berlin am 6.12.2012.

Der Streit eskalierte in den Medien: Topmanager des Axel-Springer-Verlages bezeichneten Google als „Taliban“ und „Hehlerbande“, weil sie Inhalte der Online-Nachrichtenseiten für Google News verwenden. Google Deutschland reagierte und fordert erstmalig in seiner Geschichte auf seiner Startseite die Nutzer dazu auf, sich bei ihren Abgeordneten im Bundestag zu beschweren. 50.000 Unterstützer sammelte die Suchmaschine in einer Woche.
Die betroffenen Zeitungen selbst berichteten hauptsächlich über die Vorteile des „Leistungsschutzrechts“. Daraufhin wurde ihnen Abhängigkeit und Eigeninteresse vorgeworfen, denn unabhängige Experten des Max-Planck-Instituts beurteilten das Gesetz als „nicht durchdacht.“ und sehen die „Gefahr unabsehbarer negativer Folgen“.
Bislang ist unklar, wie weit das Gesetz Zitate und Links im Internet einschränken würde. Befürchtungen führen bis zu Abmahnwellen und der Einschränkung der Rede- und Meinungsfreiheit.

Was ist der Kern des Streits?

Google News zeigt Auszüge und Überschriften von Online-Nachrichten-Artikeln. Die Verleger gestatten Google seit circa zehn Jahren diese Verwendung ihrer Arbeit, weil Google dadurch Klicks auf die Angebote der Zeitungen bringt. Sie finden nun, dass sich die Rahmenbedingungen geändert haben und möchten Geld von Google.

Den dazu gehörigen Gesetzesvorschlag nennen sie „Leistungsschutzrecht“ – von Kritikern „Leistungsschutzgeld“ genannt. Die Verlage steuern durch Angaben im HTML-Code ihrer Seiten (robots.txt) sehr genau, was Google von ihren Seiten erfassen und zitieren darf.
Sie könnten also einfach die Verwendung ihrer Texte durch Google abschalten oder einschränken.

Auf einer von UdL Digital organsierten Diskussion am 6.12. zwischen Christoph Keese von Axel Springer und Kay Oberbeck von Google wurde genau dies tiefer beleuchtet.
Im Laufe der Auseinandersetzung wurde immer klarer: die Verlagen wollen nicht, dass Google ihre Texte nicht mehr verwendet. Dadurch würden sie viel Traffic verlieren. Es geht den Verlegern darum, Geld von Google zu bekommen.

Kritiker sehen es als ein Lehrstück des deutschen Lobbyismus. Der Axel-Springer-Verlag hatte es in 2011 geschafft, einen geschwächen Bundespräsidenten zu stürzen und begeht nun seine nächste Machtprobe. Ein Gesetz, geschrieben von zwei Brüdern: Dietrich von Klaeden, Leiter Regierungsbeziehungen der Axel Springer AG und Eckart von Klaeden, Staatsminister im Bundeskanzleramt.
So fragen sich die Skeptiker, was wir als nächstes zu erwarten haben. Und es gibt viele Kritiker aus den unterschiedlichsten Richtungen. Gegen das Gesetz ausgesprochen haben sich unter anderem die Jugendorganisationen aller deutschen Bundestags-Parteien, Netz-Initiativen wie IGEL und D64 sowie 25 Wirtschaftsverbände – darunter der Bundesverband der Deutschen Industrie BDI und BITKOM.

Befürworter des „Leistungsschutzrechts“ sind seltener. Sie argumentieren, dass die Verleger nicht die gleichen Rechte haben wie Musik-Labels und -Publisher, sie aber bekommen sollten. Und dass sie anderenfalls mit ihren Autoren extreme Knebelverträge („total-buy-out“ von Artikeln) abschließen müssten, um deren Urheberrechte zu ihren Gunsten wahrnehmen zu können.

Der deutsche Bundestag sah es mit einem Gähnen. Am 29.11.2012 kurz vor elf Uhr abends wurde das Gesetz in einer halben Stunde diskutiert und durchgewunken an die Fachausschüsse.
Nun bleibt es spannend. Eventuell macht der Bundestag noch im Februar 2013 mit der Mehrheit der Regierungsparteien das „Leistungsschutzrecht“ zum Gesetz. Im Koalitionsvertrag von 2009 stand, dass die Verleger geschützt werden sollen. Den meisten Abgeordneten wird das Thema zu unwichtig sein, um gegen ihre Fraktion zu stimmen. Es kann aber auch sein, dass die Abstimmung nicht mehr in dieser Legislaturperiode stattfindet.

Aktuelle Informationen zum „Leistungsschutzrecht“ sind auf Twitter unter dem Hashtag #LSR zu finden.

Kommentare aus der Community

Leo am 10.12.2012 um 13:30 Uhr

‚Der deutsche Bundestag sah es mit einem Gähnen‘
Köstlich :-)

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