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Digitalpolitik
Angriff auf GAFA: Die EU plant „Datenkontinent Nummer eins“ zu werden

Angriff auf GAFA: Die EU plant „Datenkontinent Nummer eins“ zu werden

Niklas Lewanczik | 26.11.20

Die EU stellte das Daten-Governance-Gesetz vor. Demnach soll der Strom von öffentlichen Daten nicht über US-Konzerne laufen, sondern über eingesetzte Datenmittler, die einen transparenten Datenbinnenraum eröffnen.

Der neue Daten-Governance-Plan der Europäischen Union wurde jüngst von der Vizepräsidentin und Digitalkommissarin der EU-Kommission, Margrethe Vestager, und Binnenmarkt-Kommissar Thierry Breton vorgestellt. Der ausgearbeitete Plan soll der EU eine Datenhoheit verschaffen, die das Teilen von Daten über Wirtschaftssektoren und Mitgliedstaaten hinweg erleichtert. Bürgerinnen und Bürgern aus der EU sollen ebenso davon profitieren wie Unternehmen, denn Datenmittler mit Sitz in der EU sollen als Vermittler zwischen Nutzende und Produzenten von Daten treten. Diese Mittler sollen dann auch öffentliche Daten für gesellschaftliche Zwecke zur Verfügung stellen, um beispielsweise das Gesundheitswesen oder die Mobilitätsentwicklung zu fördern. Auf diese Weise könnte sogar ein milliardenschwerer Markt entstehen.

Gleichzeitig möchte die EU US-Konzernen wie Google, Amazon oder Facebook weniger Macht über öffentliche Daten ermöglichen. Das soll auch das Vertrauen der Menschen und Unternehmen in der EU in eine Datenweitergabe fördern. Dieser gesicherte Datenbinnemarkt soll Europa laut Breton zum „weltweiten Datenkontinent Nummer eins“ machen.

Infrastruktur für europäische Datenströme: EU plant umfassenden Einsatz von Datenmittlern

Aus der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über europäische Daten-Governance (Daten-Governance-Gesetz) geht hervor, dass der neue Rechtsrahmen auf die folgenden Vorhaben abzielt:

  • „Bereitstellung von Daten des öffentlichen Sektors zur Weiterverwendung in Fällen, in denen diese Daten den Rechten anderer unterliegen,
  • gemeinsame Datennutzung durch Unternehmen gegen Entgelt in jedweder Form,
  • Ermöglichung der Nutzung personenbezogener Daten mithilfe eines ,Mittlers für die gemeinsame Nutzung personenbezogener Daten‘, der Einzelpersonen bei der Ausübung ihrer Rechte gemäß der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) unterstützen soll,
  • Ermöglichung der Nutzung von Daten aus altruistischen Gründen.“

Konkret möchte die EU einen sicheren Zugriff auf zahlreiche Daten ermöglichen, die bei öffentlichen Stellen liegen und den Rechten Dritter unterliegen. Dabei kann es sich laut Verordnung um personenbezogene und nicht personenbezogene Daten handeln. Die großen Ziele sind eine gemeinsame Datennutzung in Europa und die Schaffung eines größeren Vertrauens in die Datenmittler. Ein möglicher Rechtsakt im kommenden Jahr könnte der EU hier weiterhelfen.

Um das Vertrauen zu stärken, setzt die EU insbesondere darauf, dass die besagten Datenströme nicht über die großen US-Konzerne, sondern über die unabhängigen Organisationen als Mittler laufen. Sie sollen als Treuhänder auftreten und dürfen die Daten nicht kommerziell verwenden. Den US-Konzernen und ihrer Marktmacht in Bezug auf die Daten soll so in Europa ein Riegel vorgeschoben werden, während der Einsatz der Daten für gemeinnützige Zwecke fokussiert wird. Beispiele sind die Forschung und die Wissenschaft, aber auch das Gesundheitssystem. So sollen etwa öffentliche Krankendaten oder freiwillig geteilte Patientenangaben im Kampf gegen Covid-19 und andere Krankheiten eingesetzt werden.

Offener Binnenmarkt soll auch Unternehmen Wettbewerbsvorteile sichern

Um zu einem so relevanten Datenkontinent zu werden, wie die EU es plant, braucht es Anreize für Menschen und Unternehmen, um der Verordnung zu folgen. Ein wichtiger Punkt, den Vestager und Breton betonen, ist die Kontrolle über die eigenen Daten. Personen sollen die von ihnen erzeugten Daten besser kontrollieren können, weil die Datenmittler Treuhandfunktionen übernehmen müssen, die von der EU kontrolliert werden.

Eine von den Mitgliedstaaten benannte zuständige Behörde wird für die Überwachung der Einhaltung der mit der Bereitstellung dieser Dienste verbundenen Anforderungen zuständig sein,

heißt es in der Verordnung. Aber nicht nur die Kontrolle steht im Zentrum des Plans, sondern auch die transparente Weitergabe und Nutzung von Daten durch Unternehmen. Thierry Breton betont laut Tagesschau.de:

Angesichts der ständig wachsenden Rolle von Industriedaten in unserer Wirtschaft braucht Europa einen offenen und doch souveränen Binnenmarkt für Daten.

Ein Fact Sheet der EU zu Daten-Governance-Gesetz gibt an, wie groß der ökonomische Wert der Maßnahmen sein könnte. Man rechnet mit bis zu 120 Milliarden Euro Einsparungen in der Gesundheitsbranche der EU pro Jahr, bis 2028 könnte das Datenteilen einen Markt von sieben bis elf Milliarden Euro an jährlichen Einkünften schaffen. Die Gesundheitsvorsorge, der Klimaschutz, die öffentliche Verwaltung und er öffentliche Nahverkehr könnten alle vom Konzept profitieren. Was wiederum den Menschen in der EU zugute käme.

Das Fact Sheet der EU zum Daten-Governance-Plan und seinen Effekten
Das Fact Sheet der EU zum Daten-Governance-Plan und seinen Effekten (ein Ausschnitt, der Klick aufs Bild bringt dich zum gesamten Sheet), © Europäische Union

Grundsätzlich möchte die EU die Datenhoheit von wenigen großen Unternehmen aus den USA auf verschiedene EU-basierte Organisationen verteilen, um auch Datenmonopole zu unterbinden. Laut Tagesschau.de sollen die Großkonzerne künftig auch zu mehr Transparenz bei der Nutzung ihrer Algorithmen und der deutlichen Kennzeichnung jeglicher Art von Dateneinsatz zu Werbezwecken gezwungen werden.

Kann die EU sich von den US-Konzernen entfernen? Bisher noch kein gesetzlicher Rahmen

Die Verordnung zum Daten-Governance-Gesetz ist noch nicht inkraftgetreten und auch einen konkreten Gesetzesentwurf für die vorgeschlagenen Maßnahmen gibt es noch nicht. Der soll aber schon am 9. Dezember folgen. Bis es dazu kommt, dass alle gesetzlichen Regelungen eingeführt sind, können allerdings sogar noch Jahre vergehen. Trotzdem ist dieser Vorstoß ein großer Schritt der EU im Bestreben, sich in Richtung „Datenkontinent Nummer eins“ zu entwickeln. Ob man Konzernen wie Google, Amazon, Apple oder Facebook tatsächlich in dem Maße entgegentreten wird, wie es nun geplant ist, muss noch abgewartet werden. Schließlich würden den Konzernen nur einige öffentliche Daten vorenthalten bleiben, nicht aber die enormen Datenströme, die EU-User ohnehin diesen Konzernen über deren Plattformen zuspielen.

Dennoch ist der Ansatz der Europäischen Union getrieben von einer großen Idee, die mehr Kontrolle, Sicherheit und ökonomisches Wachstum in der EU genauso im Blick hat wie altruistische Dateneinsätze. Wichtig sind ist in diesem Kontext auch der Fokus auf Kontrollinstanzen, um zu verhindern, dass der transparente Datenaustausch opportunistische Player auf den Plan ruft, die diese Daten unlauter für ihre Zwecke missbrauchen. Ähnliche Vorwürfe wurden schließlich schon häufig an Konzerne mit großen Datenmengen, die ihnen zur Verfügung stehen, gerichtet. Die weitere Entwicklung des Daten-Governance-Gesetzes in der EU könnte über wirtschaftliche Abhängigkeiten und technologische Fortschritte mitentscheiden – und ist daher mit großem Interesse zu verfolgen. Das EU-Parlament und die Mitgliedstaaten werden den Entwurf zur Verordnung nun erstmal eingehend diskutieren. Den Entwurf kannst du im PDF der Europäischen Union nachlesen und ein FAQ zu den geplanten Regulierungen stellt die EU-Kommission bereit.

Kommentare aus der Community

Nico am 26.11.2020 um 15:41 Uhr

Ederdaus, die EU wird also jetzt auch offiziell zur Datenkrake oder das 2. Google und baut sich ein zweites Standbein auf, wenn immer mehr Länder aus der EU austreten wollen oder aus der Pleite gerettet werden müssen.

Wenn das so kommt, wie es da steht, ist das schon echt harter Toback. Die EU sammelt alle Daten aller Europäer und schaut dann mal, was sie damit machen oder wer was abbekommt. Die Krankenkasse bekommt die Pizza- und Zigarettenbestellen über ein Online-Portal mitgeteilt, die Polizei die Zugriffe auf ein paar zwielichtigen Internetseiten und gegen ein kleines Endgeld werden die Daten dann doch auch an Google und FB verkauft. Man will schließlich auch sein Stück vom Datenkuchen haben. Und dann immer das Deckmäntelchen des Datenschutzes schwingen. Das ist doch einigermaßen zum kotz**

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