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Social Media Marketing
Schnelles Denken, kurze Nachrichten: Was Trumps Wahlsieg für das Marketing bedeutet

Schnelles Denken, kurze Nachrichten: Was Trumps Wahlsieg für das Marketing bedeutet

Tina Bauer | 14.11.16

Trump hat sich die heutige Informationsaufnahme und menschliche Schwächen zunutze gemacht und unter anderem damit gewonnen. Was das übertragen auf das Marketing bedeutet.

Die diesjährige Wahl in den USA war schmutzig, laut und die wohl unbequemste jeher. Dass Donald Trump als Sieger hervorgeht und jetzt Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika ist, mag viele schockiert haben, doch ist der Gewinn, in Anbetracht der eingesetzten Mittel und wie diese genutzt wurden, nur folgerichtig. Denn das veränderte Nutzerverhalten und die damit in Verbindung stehenden geringen Aufmerksamkeitsspannen hängen eng mit Trumps Sieg zusammen. Unter anderem ein Ausflug ins Neuromarketing.

Schnelles Denken – So funktioniert die Informationsaufnahme heute

Um eines vorweg zu nehmen: Wäre die reine Anzahl an Stimmen ausschlaggebender Faktor für den Ausgang der Wahl, läge Hillary Clinton vorn und wäre nun Präsidentin. Da das Wahlsystem in den USA aber antiquiert ist und anderen Regeln unterliegt, konnte Trump die Wahl für sich entscheiden. Dennoch: Obwohl seine Reden stets inhaltslos waren und er zu keinem Zeitpunkt ein politisches Programm vorlegen konnte, überzeugte er Menschen von sich. Sein Sieg ist eng damit verbunden, wie Informationen im Jahre 2016 versendet und aufgenommen werden.

#1 Die Wahl wurde über Social Networks ausgetragen

Wie die Wahl sich im Hinblick auf die Sozialen Netzwerke entwickelt hat, ist ein Fass ohne Boden und soll hier nicht Thema sein. Das Stichwort zur Rolle von Facebook und Co. lautet „Filterblase“ und über die zu tragende Verantwortung kann durchaus diskutiert werden. Was jedoch heraussticht ist, dass der Fokus des Wahlkampfs auf Sozialen Medien, genauer Twitter, lag. Der Mikroblogging-Dienst war Trumps liebstes Sprachrohr. Was für die meisten User eine Herausforderung ist, hat sich als Trumps größter Vorteil herausgestellt: die 140 Zeichen-Beschränkung. Die Präsenz auf Twitter hat zweierlei Vorteile:

  1. Die Wähler wurden dort angesprochen, wo sie sich aufhalten.
    Knapp 57 Millionen Twitter User verzeichnet das Netzwerk in den USA und Donald Trump weist derzeit 14 Millionen Follower auf. Twitter war der meist genutzte Kanal dieses Wahlkampfs.
  2. Bots verbreiten Nachrichten effektiv
    Gut ein Drittel aller Follower von Trump sind Bots. Neben ihm selbst verbreiten auch diese seine Tweets in kurzer Zeit im gesamten Internet und verschaffen Trump so Gehör.

Die Simplizität von Trumps Messages hat, wie wir in Punkt #2 sehen werden, nicht grundlos eine Vielzahl von Menschen angesprochen. Die Social Networks fungierten als Dreh- und Angelpunkt der (Werbe-)Maßnahmen und sorgten für eine weite und schnelle Verbreitung – dies gilt auch für die gestreuten Misinformationen, die die Mitbewerber haben in einem schlechten Licht dastehen lassen. Wie das auch hierzulande in postfaktischen Zeiten der Fall ist, wird die Masse durch kurze, Aufmerksamkeit heischende Behauptungen angesprochen, nicht durch langweilige Fakten.

Ein Grund dafür ist bei den verringerten Aufmerksamkeitsspannen zu finden. Konsumenten werden heutzutage mit Informationen überschüttet, was zu einer Reizüberflutung führt. Um sinnvolle Informationen zu filtern, müssen unsere Emotionen direkt angesprochen werden.

Marketer sollten jetzt nicht denken, dass Bots das Mittel der Wahl sind, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Der Reichweitenerfolg auf Twitter bedeutet vor allem eines: Mit der richtigen Message und auf dem richtigen Netzwerk lässt sich eine enorm große Zielgruppe ansprechen. Das Postingvolumen sollte allerdings von Menschenhand sein.

#2 Trump hat sich die Emotionen der Menschen zunutze gemacht

Die amerikanische Gesellschaft ist gespalten, die Schere zwischen arm und reich groß wie nie. Verdrossen beobachten die Amerikaner seit Jahren, dass die bisherigen Präsidenten zwar viel versprochen, aber wenig geleistet haben. Die Weltsituation ist angespannt, die Menschen haben Angst. Das amerikanische Volk ist dabei aus kultureller Hinsicht ein sehr ängstliches. Diese Angst machen sich Machtinhaber seit jeher zunutze – so auch Trump. Im Wahlkampf fokussierte er sich auf Themen wie die ökonomische Zukunft der Menschen oder die Bedrohung durch zunehmende Einwanderung. Seine Inhalte waren dabei meist einfach gehalten, emotional, zielten auf eine bestimmte Denke ab und sprachen damit direkt das veränderte Userverhalten mit geringer Aufmerksamkeitsspanne an. Der US-amerikanische Psychologe und Nobelpreisträger Daniel Kahneman hat zwei Denksysteme definiert:

© ConversionXL
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  1. System 1 – Schnelles Denken:
    Schnell
    Automatisch
    Immer aktiv
    Emotional
    Stereotypisierend
    Unbewusst
  2. System 2 – Langsames Denken:
    Langsam
    Logisch
    Selten aktiv
    Rational

    Berechnend
    Bewusst

Es gehört zur Natur des Menschen, das langsame Denken (System 2) wann immer es geht zu vermeiden – und genau da setzt Trump an.

Neuro Science Marketing gibt in diesem Zusammenhang folgendes Beispiel: Das Programm zur Einwanderungspolitik von Hillary Clinton wurde in neun Punkte unterteilt und detailliert erklärt. Sich die gesamten Punkte aufmerksam durchzulesen, erfordert bei den doch sehr politischen Formulierungen eine hohe Aufmerksamkeit beim Rezipienten. Die wenigsten werden die erforderliche Zeit dafür aufgewendet haben.

Trumps Programm zur Einwanderung ist einfach gehalten und ein Satz bestehend aus 5 Wörtern: „I’ll build a wall“. Damit spricht er das weitaus beliebtere schnelle Denken und somit eine Vielzahl von Wahlberechtigten an. Diese wenig aussagekräftigen Claims ziehen sich durch Trumps kompletten Wahlkampf. „Make America great again“? Welche politische Message verbirgt sich dahinter? Trump vermeidet es, wo er kann, politische Statements abzugeben und kratzt, wenn überhaupt, nur an der Oberfläche der Themen.

Für das Marketing bedeutet das: Das System 1 mit kurzen, einfachen Messages bedienen und sich nicht in Details verlieren, die die potentiellen Kunden verwirren oder mit Fakten langweilen. Tiefergehende Informationen sollten für das langsam denkende System 2 dennoch verfügbar gemacht werden, aber nicht auf den ersten Blick erkenntlich sein.

#3 Trump ist authentisch

Auch hat die Wahl gezeigt, dass die Menschen platte Werbeversprechen endgültig Leid sind. Es ist ja nicht so, dass auch nur ein einziger POTUS in den vergangenen Legislaturperioden einen Bruchteil seiner Wahlversprechen eingehalten hätte. Alle wollten grundlegend etwas ändern, niemand konnte viel erreichen. Während Hillary also sich ziemlich offensichtlich verstellte und auch dabei ertappt wurde, wie sie behauptete, dass man eine öffentliche und eine private Meinung haben sollte, walzte Trump sich vermeintlich ehrlich durch den Wahlkampf: Er gilt als authentisch, weil er mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg hält und ausspricht, was offensichtlich ein Großteil der Bevölkerung nur zu denken wagt.

Für das Marketing bedeutet dieser Fakt, dass Konsumenten Authentizität über das Produkt stellen. Mit Werbesprech werden nur noch wenige Menschen erreicht. Heutzutage können sie sich aussuchen, wem sie ihre Aufmerksamkeit schenken. Werbung im linearen TV kann weggeschaltet werden, die Adblocker Rate nimmt weiter zu und so fort. Unternehmen, die es heute nicht schaffen ehrliche Messages zu senden, werden es auch in Zukunft nicht leicht haben. Dabei gilt es eine spezielle Zielgruppe direkt anzusprechen. Adam Hartung schreibt auf Forbes, dass es heute wichtiger denn je ist, Menschen persönlich zu erreichen, Dinge zu thematisieren, die sie beschäftigen und gleichzeitig Lösungen anzubieten:

It takes an ability to touch people on a more personal, closer to home basis.  It is critical now, more than for many years, to create identification with local issues within the home and workplace, and often reinforce social relationships.

Trump hat im Rahmen seiner kompletten Kampagne die Persona des kleinen Mannes angesprochen. Dieser fühlt sich seit langen Jahren übergangen und von der Politik vernachlässigt. Und dieser kleine Mann scheint eine große Allgemeinheit zu stellen, die, wenn auch nicht quantitativ, zum Sieg der Marke Trump beigetragen hat.

Kommentare aus der Community

UrsH am 19.11.2016 um 19:36 Uhr

Man sieht dabei ganz deutlich, welche Macht mittlerweile die soziale Medien und auch das Suchmaschinenmarketing haben. Und auch wenn ich nicht glaube, das Mr. Trump davon mehr Ahnung hat wie seine Konkurrentin, hatte er in seinem Stab aber wohl Leute, die wussten was sie hier taten, und wie sie Leute erreichen und zur Wahl animieren konnten

Antworten
Anne am 16.11.2016 um 08:45 Uhr

Ich finde die Idee gut, sein Handeln auf das Marketing zu beziehen. Auch in unserer Agentur muss schnell gehandelt werden, vor allem, wenn neue Kunden uns anschreiben und wahrscheinlich gleichzeitig noch bei drei weiteren Agenturen ein Angebot angefordert haben. Dazu ist es wichtig, schnell zu handeln und die Wünsche desjenigen sofort anzusprechen. Und genau dies hat Trump auch gemacht.

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Testine am 15.11.2016 um 11:12 Uhr

Diese Aufteilung beider einfachen Gruppen ist aus meiner Sicher wieder nur eine weitere stereotypisch Betrachtung von Menschen, die mit einfachen Mitteln die Welt aufteilen wollen, ähnlich wie es Trump selbst für seine Wähler tat: nur schwarz oder weiß, nur gut oder böse.
Warum kann ein Mensch nicht schnell und logisch zu gleich denken oder auch noch dabei berechnend sein? Warum muss Logik immer linear sein? Eine schnelle Auffassungsgabe und Verarbeitung heißt doch nicht, dass dies grundsätzlich ohne Tiefe oder ohne Weitsicht erfolgt. Erst recht nicht wenn die Person auf seinem Gebiet viel Erfahrung sammeln konnte, um Zusammenhänge schnell zu erkennen.
Es ist richtig, dass die Menschen abschalten, sowohl bei Unter- als auch bei Überforderung. In beiden Fällen helfen Schubladen im Kopf das eigene Weltbild zu prägen. Nun wird die Welt immer komplexer und unüberschaubarerer. Der dies nicht nutzen kann, fühlt sich schnell abgehängt. Die die dies nutzen können, nutzen es naturbedingt natürlich in erste Linie auch für das eigene Wohl. Jetzt kommen wir zum eigentlichen Problem, dem Mensch selbst. Auch wenn eine Person die Interessen anderer Vertreten würde, würde er – egal aus welcher Schicht – es nie gegen seine eigenen Interessen tun.

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Angela am 11.11.2016 um 11:21 Uhr

Yep.

Trump war der bessere „Kopfkino-Regisseur“.

Und dazu gehört, das richtige Szenenbild in der passenden Sprache aufzusetzen – und dann, wie oben beschrieben, zeitgemäß zu verbreiten!

http://c-communication.com/trump-gewinnt/

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Jojo am 21.11.2016 um 03:37 Uhr

Kopfkino-Regisseure ist ein schönes Wort. Marketing und Politik unterscheiden sich wohl kaum.

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