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Human Resources
„Volle Gleichberechtigung werden wir jedoch erst dann haben, wenn Geschlecht bei Top-Positionen schlicht kein Thema mehr ist“ – Interview mit Beraterin Claudia Schlossberger

„Volle Gleichberechtigung werden wir jedoch erst dann haben, wenn Geschlecht bei Top-Positionen schlicht kein Thema mehr ist“ – Interview mit Beraterin Claudia Schlossberger

Selina Beck | 29.08.22

Die Gleichberechtigung im Job ist immer noch nicht erreicht. Wir haben mit einer Expertin darüber gesprochen, wie dieses Ziel realisiert werden kann.

Der Anteil von Frauen in Führungspositionen steigt nur langsam. Es sind lediglich durchschnittlich 13 Prozent Frauen, die in Führungsgremien tätig sind. Zwar gibt es in den Vorständen börsennotierter deutscher Unternehmen so viele Frauen wie noch nie, aber in etwa der Hälfte der Firmen sitzt immer noch keine Frau in der Leitung – ein verheerendes Signal für den Stand der Gleichberechtigung im Jobbereich.

Auch laut des aktuellen Global Gender Gap Reports ist Gleichberechtigung noch längst nicht erreicht. Im Gegenteil: 132 Jahre soll es noch dauern, ehe Frauen gleichgestellt sind. Mehr Infos dazu findest du in diesem Artikel.

Claudia Schlossberger kennt die Thematik: Mehr als 25 Jahre arbeitete sie in Führungspositionen großer Unternehmen, 15 Jahre davon im Vorstand. Sie verantwortete die Personalbereiche der Metro Group sowie der Carlsberg Group.

Seit 2019 ist sie als Beraterin für verschiedene Konzerne und Führungskräfte tätig und übernimmt diverse Aufsichtsratspositionen. OnlineMarketing.de hat mit ihr über Frauen in Führungspositionen gesprochen. Im Interview erklärt sie zudem, wie eine erfolgreiche Teamarbeit in der Chef:innenetage realisiert werden kann.

Das Interview

OnlineMarketing.de: Du warst über 25 Jahre in Führungspositionen großer Unternehmen tätig. Was sind deine wichtigsten Erkenntnisse über die Gleichberechtigung in der Chef:innenetage aus dieser Zeit?

Claudia Schlossberger: Formal ist Gleichberechtigung in großen Konzernen sicherlich gegeben, im Mittelstand braucht es hingegen noch etwas. In den letzten zwanzig Jahren hat sich viel getan, eine neue Generation von Führungspersönlichkeiten erlebt heute auch berufliche Karrieren zu Hause – bei Töchtern und Partnerinnen. Volle Gleichberechtigung werden wir jedoch erst dann haben, wenn Geschlecht bei Top-Positionen schlicht kein Thema mehr ist – ebenso wie Nationalität.

© Claudia_Schlossberger

Du plädierst dafür, dass bei der Auswahl von Top-Teams auch Teamfähigkeit ein wichtiges Kriterium sein sollte. Warum ist die Teamarbeit gerade auch in Führungspositionen so wichtig?

Unternehmen werden von Geschäftsführungen beziehungsweise Vorstandsgremien geleitet. Denn dafür, dass eine:r allein an der Spitze steht, ist ein Unternehmen heute viel zu komplex. Hinzu kommt, dass gute Unternehmensführung unterschiedliche Kompetenzen braucht. Es ist aber ein weit verbreiteter Irrtum, dass ein Führungsgremium automatisch auch als Team zusammenarbeitet – dazu braucht es gegenseitigen Respekt, Offenheit, die Fähigkeit zuzuhören sowie sich zurücknehmen zu können. Aber auch die Fähigkeit, Kolleg:innen zu challengen. Wenn das nicht gegeben ist, wenn Teammitglieder – wie es oft der Fall ist – nur an ihrer eigenen Agenda interessiert sind, wenn sie politisch spielen oder wenn der:die Chef:in die Mitarbeiter:innen nur einzeln führt, dann wirkt sich das toxisch auf das ganze Unternehmen aus. Denn Mitarbeiter:innen folgen ihrem:ihrer Chef:in.

Welchen Stellenwert nimmt das Kriterium Teamfähigkeit im Zusammenspiel mit anderen Aspekten wie Erfahrung und Führungsfähigkeit ein?

Es sollte ein Dreiklang bestehen in der Persönlichkeit. Führungsfähigkeit wird oft mit Dominanz und großem Ego verwechselt. Ein:e Chef:in ist nichts ohne ihr:sein Team. Das sollte ihr:ihm zuallererst bewusst sein.

Wie kann das Teambuilding in das Corporate Management eingebunden werden?

Hierfür werden oft gemeinsame Social Events oder Outdoor Trainings empfohlen. Ich habe jedoch selten gesehen, dass diese wirklich etwas bewirken. Man kann sich wunderbar abends am Tresen verbrüdern und morgens im Meeting Attacke reiten. Kleine, ernstgemeinte, von Chef:innen eingeführte Rituale bewirken da hingegen deutlich mehr. So nutzte mein erster dänischer CEO in Kopenhagen zehn Minuten am Ende jeder Board-Sitzung, um jede:n Einzelne:n in der Runde um Feedback zu bitten: Was lief heute gut im Miteinander? Wo sollten wir uns im nächsten Meeting verbessern? Und er nahm – wie alle anderen – das Feedback ernst.

Wie kann eine erfolgreiche Teamarbeit in der Chef:innenetage gelingen?

Der Wille in der Führung muss gegeben sein. Es gibt eine Reihe von Chef:innen, die einzeln führen, und die Teamsitzungen nur zu einer Art Rapport und Kontrolle nutzen. Und es gibt natürlich auch Teammitglieder, die aus den unterschiedlichsten Gründen keine Lust auf Zusammenarbeit haben. Teamarbeit fällt nicht vom Himmel, sie muss erarbeitet werden. Je diverser das Team, desto mühseliger ist das am Anfang – aber auch befriedigender und besser in den Ergebnissen. 

Wie kann das Teambuilding auch in dysfunktionalen Teams – sowohl bei den Arbeitnehmer:innen als auch bei den Mitgliedern des Vorstands – erfolgreich funktionieren?

Dysfunktionale Teams sind Teams, in denen Respekt und Zusammenarbeit verweigert werden – meist nicht offen, aber versteckt. Wenn kein Vertrauen besteht, ist Teambuilding sehr schwierig. In 1:1-Gesprächen kann der:die Chef:in, aber auch Kolleg:innen untereinander versuchen, die Themen sachlich und freundlich anzusprechen. Manchmal muss man eine Person, die blockt, aber auch austauschen. Das kann neue Optionen für das gesamte Führungsteam öffnen. In jedem Fall sind es die Mitarbeiter:innen, die enorm unter dysfunktionalen Führungsstrukturen leiden – sie werden oft instrumentalisiert, ihnen werden Kontakte zu anderen Abteilungen verboten oder sie werden in Stellvertreterkämpfe geschickt.

Der Frauenanteil in Führungsgremien liegt bei nur durchschnittlich 13 Prozent. Worin siehst du die Gründe für dieses immer noch erhebliche Ungleichgewicht?

Es gibt da ein ganzes Bündel von Gründen:

  • Unternehmen haben noch nicht die kritische Masse, um Frauen in Führungspositionen auszuwählen – dafür brauchen sie mehrere gut qualifizierte Kandidatinnen.    
  • Unternehmen ziehen nach wie vor Männer vor.              
  • In vielen Fällen wollen Frauen auch nicht – aus unterschiedlichen Gründen: weil Mobilität verlangt wird, extreme Reisetätigkeit, Familiengründe oder weil für sie – anders als für einen Mann – der Verzicht auf vieles andere zugunsten der Karriere keine attraktive Option ist.

Welche Erfahrungen hast du persönlich in Führungspositionen gemacht? Siehst du eine Veränderung im Bereich gleichberechtigter Führungsebenen?

Ich war bis auf ein Jahr immer die einzige Frau im Vorstand. Das war anstrengend. Allerdings hatte ich in keinem Unternehmen den Eindruck, nicht als gleichberechtigt angesehen zu werden.

Bezüglich der Diversität scheint es in letzter Zeit (wenngleich oft nicht ausreichende) Bestrebungen zu geben, für mehr Diversität auf der Führungsebene zu sorgen. Welchen Stellenwert nimmt das Thema diverses Recruiting heutzutage ein? Wie kann Diversität im Kontext der Teamfähigkeit hilfreich sein?

Diversität hat Gott sei dank spürbar an Bedeutung zugelegt, im Recruiting wie im Besetzungsprozess von Führungspositionen. Ein diverses Team ist langfristig immer agiler und leistungsfähiger. Ich hatte zeitweise in meinem HR-Team 13 verschiedene Nationalitäten – eine bunte Mischung, auch was Alter und Gender anging. Man sollte aber nicht übersehen, dass diverse Teams dem:der Chef:in deutlich mehr abverlangen. Das beginnt mit Kommunikationsstilen, der Frage, wie viel Struktur müssen Meetings haben, und endet mit handfesten Wertediskussionen.

Wie kann es deiner Ansicht nach gelingen, dass mehr Frauen in die Vorstände der deutschen Unternehmen gelangen können? Wie kann bereits das Recruiting dementsprechend optimiert werden?

Es braucht eine kritische Menge gut ausgebildeter Frauen im Unternehmen, denn viele werden wegfluktuieren. Unternehmen müssen es schaffen, auch über Familienzeiten hinweg Frauen in Vollzeit zu halten. Zur individuellen Förderung sind Development Center exzellente Tools – bei Frauen wie bei Männern.

Wie können Frauen, die bereits im Unternehmen tätig sind, bei ihrem beruflichen Aufstieg mehr gefördert werden?

Ich bin kein großer Fan von Mentor:innenprogrammen und frauenspezifischen Netzwerken. Verantwortung geben, sei es für eine Position oder ein Projekt, ist die beste Förderung. Und als Vorgesetzte:r ansprechbar sein. 

Wie bewertest du die Rolle der Frauenquote in diesem Zusammenhang?

Unternehmen sollten sich Quoten für alle Ebenen ihrer internen Personalentwicklung setzen. Quoten an der Spitze allein führen selten zu wirklichen Veränderungen. Besonders in Nachwuchsgruppen und Führungszirkeln braucht man eine kritische Masse – siehe oben.

Welche Tipps hast du für Frauen, die beruflich aufsteigen wollen?

Sich melden, wenn interessante Aufgaben anstehen. Sagen, das mach ich. Üben – üben – üben. Und sich vorher über seine eigenen Harmoniebedürfnisse klar werden.


Wir bedanken uns recht herzlich für die Insights von Claudia Schlossberger, die sie uns im schriftlichen Interview zur Verfügung gestellt hat.

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