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Du bist nicht alle – warum inklusives Design uns alle angeht und wie es gelingen kann
Die Clubhouse App ist exklusiv designt, © William Krause - Unsplash

Du bist nicht alle – warum inklusives Design uns alle angeht und wie es gelingen kann

Ein Gastbeitrag von Birgit Maier | 05.02.21

Die Hype App Clubhouse setzt auf ein exklusives Design, schließt potentielle User aus - und ist damit nicht allein. Doch wie werden Apps und Plattformen wirklich inklusiv gestaltet, sodass alle Menschen sie nutzen können?

Wer kürzlich im Netz unterwegs war, ist an einem Thema nicht vorbeigekommen: Clubhouse. Die Social Media-App ist in aller Munde, aber längst nicht auf aller Smartphone. Denn Clubhouse sperrt den größten Teil der Menschen aus. Ohne Einladung und ohne iPhone steht man vor verschlossenen Türen.

Diese Zugangsbeschränkung suggeriert Exklusivität und mag auch eine legitime Marketing-Strategie sein. Aber exklusiv ist nun mal das Gegenteil von inklusiv. Und das Gefühl der Ausgeschlossenheit befällt Nutzer:innen nicht nur da, wo absichtlich Barrieren geschaffen werden. Viel häufiger werden beim Design von Produkten und Services bestimmte Personengruppen und Nutzungssituationen schlicht nicht bedacht. An diesem Punkt setzt inklusives Design an. Inklusives Design möchte Menschen einladen, statt sie auszusperren. Die Fragen dabei lauten: Wie kann das gelingen und inwiefern lohnt sich der Aufwand?

Diversität ist ein Fakt, Inklusion eine Entscheidung

Inklusives Design ist eine Frage der Einstellung. Dafür gibt es keine Checkliste, hinter die man einen Haken setzen könnte. Glaubhaft wird inklusives Design erst dann, wenn die Produkte inklusiv sind – nicht nur die Kampagnen-Visuals.

Oftmals geschieht Exklusion unbewusst. Designer:innen stützen sich häufig auf ihre eigene Perspektive, bringen ihre persönlichen Erfahrungen und Vorurteile ein. Das ist ein großes Problem. Denn es gilt: Du bist nicht alle. Die Auseinandersetzung und das Bewusstmachen der eigenen Wahrnehmung und das Einbeziehen diverser Perspektiven entlang des kompletten Designprozesses spielen eine zentrale Rolle auf dem Weg zu inklusiveren Produkten und Services – und damit zu einer besseren Experience für alle.

Inklusives Design bedeutet nicht „eins für alle“. Im besten Fall entstehen durch das Einbeziehen diverser Perspektiven Lösungen, die nicht nur der anvisierten Kern-Zielgruppe das Leben leichter machen. Von Untertiteln in Videos, wie sie zum Beispiel die App TikTok nutzt, profitieren alle Nutzer:innen, die Inhalte ohne Ton konsumieren möchten – das betrifft Gehörlose genauso wie Menschen im Bus, die ihre Kopfhörer nicht dabeihaben. Gleiches gilt für die Chat App ICQ. Im Gegensatz zur Konkurrenz WhatsApp bietet diese den Nutzer:innen die Möglichkeit, Sprachnachrichten in Text umzuwandeln.

Kontext ist der Schlüssel

Stell dir vor, du gehst wandern in den Bergen und das Internet streikt. Und die Navigations-App, auf die du in diesem Moment angewiesen bist, streikt mit. Du bist – wenn auch nur für einen kurzen Moment – abgeschnitten vom Rest der Welt. Wie fühlst du dich? Abgehängt? Alleingelassen? Der Begriff Inklusion wurde lange vornehmlich im Kontext von Menschen mit Behinderung gebraucht. Inklusives Design geht uns jedoch alle an. Wir alle können jederzeit in eine Situation kommen, in der wir in unserer Interaktion mit Produkten und digitalen Services – wenn auch nur temporär – eingeschränkt sind.

Inklusiv = barrierefrei?

Während inklusives Design das dahinterliegende Mindset beschreibt, kann Barrierefreiheit als ein Set von Attributen inklusiver Produkte verstanden werden. Idealerweise schafft inklusives Design Erlebnisse, die niemanden ausgrenzen und technisch gut zugänglich und nutzbar sind. Ein Online-Optiker, dessen Website zum Beispiel nicht auf die Bedürfnisse von Menschen mit Sehschwächen abgestimmt ist, sorgt für hohes Frustpotential bei potentiellen Kund:innen.

Sehschwächen, Hörverlust, eingeschränkte Mobilität: das alles sind Phänomene, die mit steigendem Alter zunehmen – bei uns allen. Angesichts unserer alternden Gesellschaft gewinnt inklusives Design hier noch verstärkt an Relevanz.

Daraus ergeben sich spannende Aufgaben für Designer:innen. Wie gestaltet man Produkte für Menschen mit Einschränkungen, die nicht automatisch den Stempel „altbacken“ oder „langweilig“ tragen? Warum nicht Produkte so gestalten, dass sie den Bedürfnissen von vielen gerecht werden? Das E-Bike zum Beispiel erleichtert nicht nur die Mobilität und Fitness im Alter, sondern ermöglicht auch fitten Menschen schwere Bergetappen mit dem Mountainbike zu meistern.

Es muss nicht perfekt sein, aber besser als gestern

Der Entwicklung inklusiverer Produkte muss mehr Beachtung geschenkt werden. Es bleibt die Frage: Wo anfangen? Sicher ist: Für Unternehmen ist jetzt die Zeit, der eigene Best Case zu werden. Denn in Sachen inklusives Design ist noch viel Luft nach oben. Hier eine kleine Starthilfe:

1. Von Diversität lernen

Inklusives Design beginnt im Kopf. Sich der eigenen Voreingenommenheit bewusst zu werden, ist der erste Schritt hin zu inklusiveren Produkten. Das Einbeziehen verschiedener Perspektiven, zum Beispiel durch divers aufgestellte Research und Design-Teams, ist hier essenziell. Bei der Rekrutierung von Proband:innen für Research-Maßnahmen sollte auf Vielfalt geachtet werden. Auch Co-Creation Sessions sind ein toller Weg, um eine Bandbreite an Nutzer:innen in die Produktentwicklung aktiv zu involvieren.

2. Den Use Case beachten

Nach wie vor richtet sich die Entwicklung von Produkten häufig (zu) stark einzig an Zielgruppen aus. Was dabei oft außer Acht gelassen wird, ist der Nutzungskontext: In welchen Situationen werden Nutzer:innen das Produkt verwenden? Und was muss es dafür leisten können? Ein Umdenken von Hauptzielgruppen zu Hauptnutzungskontexten ist in der Konsequenz ein wichtiger Schritt hin zu inklusiveren Produkten. Ziel ist es, allen Nutzer:innen – ganz gleich unter welchen Umständen – eine wertvolle und vergleichbare Experience zu bieten.

3. Die eigenen Methoden herausfordern

Spricht man von Zielgruppen, spricht man schnell von Personas. Auch hier gibt es einiges an Optimierungspotential. Personas geben den potentiellen Nutzer:innen eines Produkts ein Gesicht und helfen, sich besser in die Zielgruppe hineinzuversetzen. Doch abgesehen davon, dass Personas in ihrer Darstellung häufig noch alles andere als divers sind, lässt sich von der Charakteristik auch nicht unbedingt auf die Handlungen einer Person schließen. Hier bieten absichtsbasierte Methoden wie das ‚Jobs-to-be-done‘ Framework eine andere Perspektive und stellen die Aufgabe, den „Job“, den eine Person mit einem Produkt oder Service erfüllen möchte, in den Fokus der Betrachtung. Mögliche kontextuelle Einschränkungen können miteinbezogen und entsprechend in der Gestaltung berücksichtigt werden.

Keine Zeit für Exklusivität

Inklusives Design lohnt sich in vielerlei Hinsicht. Nicht nur das Marktpotenzial vergrößert sich, weil die Produkte für mehr Menschen zugänglich werden. In der inklusiven Gestaltung von Produkten steckt auch die Chance, die Diversität unserer Gesellschaft abzubilden und weniger Menschen auszuschließen. Frustrationsmomente seitens der Nutzer:innen werden reduziert, die Experience verbessert.

Nicht zuletzt fordert die Entwicklung inklusiver Produkte die Kreativität von Designer:innen heraus – was nicht nur in persönlichem Wachstum, sondern auch in besseren Produkten für alle resultiert.

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