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Was, wenn Werbung plötzlich nützlich ist?

Was, wenn Werbung plötzlich nützlich ist?

Ralf Scharnhorst | 17.10.16

Die „Useful Brand Experience Conference“ diskutiert genau dieses Thema. Ralf Scharnhorst verrät die Geheimtipps für das Marketing.

In Deutschland werden pro Haushalt 735 Euro für Werbung ausgegeben – könnte man damit nicht etwas Sinnvolles machen? 29,2 Milliarden Euro waren es in 2015 insgesamt laut Statista bei 40,7 Millionen Haushalten.

Früher war es so: Die meisten nachhaltigen Marken entstanden, weil eine Firma ein Produkt mit einem neuartigen Nutzen entwickelt hatte. Die Werbung musste nur noch diesen Nutzen mitteilen und bekannt machen.

Produkte und Werbung sind austauschbar geworden

Inzwischen gibt es fast für jeden Zweck und gegen jeden Fleck Produkte unterschiedlicher Marken. Die Werbung versucht, sie emotional aufzuladen. Oder will um jeden Preis Aufmerksamkeit bekommen, versucht lustig zu sein und zeigt dazu nur die Nachteile des Produktes – in letzter Zeit eine besonders häufige Variante.

Die Aufmerksamkeit der geschätzten Zielgruppe wird jedoch immer dünner. Es wäre an der Zeit, den Kampagnen oder dem Produkt einen Mehrwert zu geben. Ist die Werbung nützlich, klappt es auch mit den Social-Media-Shares und der Markensympathie.

Aber wie soll das gehen? Um das zu diskutieren oder überhaupt erst einmal die Denkweise zu etablieren, hat die Internet-Agentur Virtual Identity AG eine Konferenz organisiert: die Useful Brand Experience Conference. Beginnen wir mit einigen Beispielen.

BMW rettet Rehe

BMW hat „Night Vision“: Das Auto erkennt Rehe auf der Straße im dunklen Wald. Leider nur gegen hohen Aufpreis in den Spitzenmodellen der Marke. Die Werbung für die neue 7er-Reihe muss natürlich auf die gesamte Marke abstrahlen, damit sie sich lohnt. Die Idee: digitale Plakatwände, die im Wald stehen und um die Ecke schauen. Sie warnen alle Fahrer, falls die Straße im weiteren Verlauf nicht frei ist.


BMW zeigt auf der digitalen Plakatwand das Reh auf der Straße zur Warnung an

Werbung, die Leben rettet – das Ergebnis: An allen 61 „Plakatstellen“ gab es im Kampagnen-Zeitraum keine Wildunfälle. Der Haken: Hohe Preise pro Sichtkontakt und nach dem Kampagnen-Zeitraum war das Mediabudget aufgebraucht, die digitalen Plakate wurden wieder abgebaut.

Samsung macht angstfrei

Der Vortrag von Samsung auf der UBX.
Der Vortrag von Samsung auf der UBX.

Samsung geht es grundlegender an – schon lange muß man sich gegen die egozentrische Marke mit dem „i“ positionieren. Und hat in seinem internationalen Marketing einen festen Platz dafür geschaffen, den Konsumenten in den Mittelpunkt zu stellen. Samsung nennt es „launching people“ statt „launching products“. Wie können die Produkte den Kunden noch mehr Nutzen stiften? Welche Energien würden freigesetzt, wenn die Konsumenten Ängste loswerden könnten, unter denen sie leiden? Mit der Virtual-Reality-Brille Samsung Gear, der Puls-messenden Uhr und passenden Apps bietet Samsung Training gegen Höhenangst an. Man kann von zuhause aus in die Bergwelt eintauchen und virtuell auf Wolkenkratzern stehen. Oder sich darauf vorbereiten, vor großem Publikum zu sprechen und das Lampenfieber zu reduzieren.

Zuerst mit der VR-Brille trainiert, dann angstfrei erlebt

Dieses Beispiel zeigt auch sehr schön, wie sich eine Idee aus Europa im globalen Marketing bewähren kann. Der Erfolg: insgesamt über 100 Millionen Views auf YouTube und sicher das eine oder andere zusätzlich verkaufte Samsung-Zubehör.

Der Metronom rettet Autofahrer vor dem Stau

Eignet sich das Konzept „Marketing, das dem Konsumenten dient“ auch für kleinere Unternehmen und Kampagnen? Ja – das zeigt ein aktuelles Beispiel für die private Eisenbahngesellschaft Metronom, einen Zug besonders für Pendler nach Hamburg. (Befangenheits-Mitteilung: die Idee stammt von Scharnhorst Media). Wie kann man den Autofahrern, die man als Kunden gewinnen will, einen Nutzen stiften? Recht einfach: die Autofahrer stehen im Stau und vor Bahnübergängen – während der Metronom durchfährt. Mit dem Smartphone wollen sie ihre Verspätung mitteilen. Oft in Gegenden mit schlechtem Mobilnetz.

Gunter Dueck vergangene Woche auf der UBX
Gunter Dueck vergangene Woche auf der UBX

(Treffendes Zitat dazu von Vordenker Gunter Dueck auf der Konferenzbühne: „Deutschland hat drei beste Mobilfunknetze, aber kein gutes“). Zurück zum Pendlerzug Metronom: Er spendiert den Autofahrern ganz einfach W-LAN an Stau-Hotspots.

Bewirbt es mit Aufstellern und Plakaten und einem Augenzwinkern auf Plattdeutsch: „kommodiger pendeln könnten sie in unserem Zug“. Der Erfolg: sofortige Online-Registrierungen für drei-Tage-Probetickets.


Ein W-LAN-Hotspot im Stau als Service des Zuges für Pendler

Navis mit Kinderstimme verhindern Unfälle

Noch ein letztes Beispiel, wie der Nutzen intuitiv in das Produkt eingebaut wird: Wie kann man Autofahrer dafür sensibilisieren, vor Schulen nicht zu rasen? Die Firma IF aus Finnland entwickelte dafür ein Navigationssystem, das in der Nähe von Schulen auf eine Kinderstimme wechselt. Ganz automatisch verändert sich die Aufmerksamkeit der Autofahrer. Die Navi-Ansagen der Kinder aufzunehmen, ist nicht besonders kostspielig – in der Praxis umgesetzt wurde die Idee aber angeblich bislang nicht. Hallo Google – vielleicht ginge es ja mit Google Maps „cloud-basiert“ leichter als bei den fest installierten Hardware-Navis?

Das zeigt: es gibt noch viel Potential im Bereich „nützliches Marketing“. Es wird dauern, die Denkweise zu verbreiten. Aber sie hat nur Vorteile:

  • Marken können durch Einzigartigkeit herausstechen.
  • Es lässt sich eine Brücke schlagen zwischen Produktentwicklung und Werbung.
  • Konsumenten wehren sich nicht gegen diese Art von Werbung.
  • Die Kampagnen verbreiten sich überdurchschnittlich gut über die Sozialen Medien weiter.
  • Und zu guter letzt: die Werber können sich unsterblich machen mit einer Idee, die so nützlich ist, dass sie über den Kampagnen-Zeitraum hinaus lebt.

Geheimtipps für mehr Kreativität 

Bleibt die Frage: Wie kommt man auf solche Ideen? Dazu stand Hirnforscher Bas Kast auf der Konferenzbühne. Er rät wissenschaftlich fundiert:

  • konfrontieren Sie Ihr Gehirn mit Ungewöhnlichem (beispielsweise VR-Brillen)
  • mehr Ideen kommen durch Entspannung (Spaziergang, Spielen) als durch Anspannung oder Konzentration
  • Teamwork hilft, wenn die Teammitglieder unterschiedlich genug sind.

Ganz unfundiert: Kreative, die Katzenvideos schauen und gemeinsam Alkohol trinken, tun das also nur für die Arbeit – so lange es nicht zur Gewohnheit wird.

Auf an die Arbeit, machen wir Marketing nützlich!

Kommentare aus der Community

Guillaume am 29.11.2022 um 20:37 Uhr

Ich studiere Marketing. Deshalb weiß ich, wie essenziell Werbung ist. Mich verwundert es nicht, dass pro Haushalt 735 Euro für Werbung ausgegeben werden.

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Sebastian am 18.10.2016 um 08:56 Uhr

Interessante Beispiele, die gerade den wirklichen Nutzen voranstellen. Nur die Kinderstimme vor Schulen ist ja nicht ein direkter Mehrwert, sondern höchstens indirekt, indem aufmerksamer vor Schulen gefahren wird. Stimmenunterschiede vor Blitzern, Staus, Baustellen oder Schlaglöchern hingegen würden eher als direkter Mehrwert wahrgenommen werden.

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