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Social Media Marketing
Content-Diebstahl auf Instagram: Kunst aus fremdem Eigentum

Content-Diebstahl auf Instagram: Kunst aus fremdem Eigentum

Tina Bauer | 27.05.15

Realität gewordener Albtraum - der Künstler Richard Prince stellt aktuell Bilder von Screenshots anderer Instagram User aus und monetarisiert sie ohne Erlaubnis.

Dass du die Urheberrechte für deine hochgeladenen Bilder an der Haustür abgibst, wenn du dich bei Facebook und Konsorten herumtreibst, ist hinreichend bekannt. Dass die Betreiber der sozialen Netzwerke deine Fotos frei nutzen, sie etwa auf zwei mal zwei Meter große Plakate ziehen und damit für eigene Zwecke werben können – auch das ist unlängst bekannt und findet stillschweigend Akzeptanz. Bislang hielt sich das Entsetzen über die potentielle Nutzung in Grenzen, denn es blieb lange Zeit Theorie. Die User laden fleißig weiter Inhalte hoch, wohlwissend, dass sie sehr wohl von den Unternehmen monetarisiert werden könnten. Richard Prince, ein amerikanischer Künstler, hat seine ganz eigene Auslegung der freizügigen Regelungen für fremde Inhalte.

Appropriation Art – die Lizenz zum Diebstahl?

Fangen wir von vorn an. Richard Prince ist ein New Yorker Künstler und Vertreter der sogenannten Appropriation Art. Diese Kunstrichtung bezeichnet einen Stil, bei dem Künstler strategisch und mit Vorsatz Werke anderer Künstler kopieren, wobei sie das Kopieren ansich als Kunst verstanden wissen wollen. Auch die Adaption bereits vorliegenden Materials mittels eigener Manipulationen gilt als probates Mittel dieser Kunstrichtung und kann als Hommage oder mit kritischem Hintergrund erfolgen.

Prince erlangte bereits zu früherer Zeit Bekanntheit durch seine „Cowboys“-Serie, die aus zusammengeschnittenen Marlboro-Anzeigen besteht. Im Jahre 2005 konnte eines der Bilder aus der Serie bei Christie’s New York für einen Höchstwert von 3,4 Millionen Dollar verkauft werden. Im letzten Jahr zog er die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich, als er erstmals eine Ausstellung zum Thema Instagram eröffnete, bei der er freizügige Bilder berühmter Personen, wie Pamela Anderson oder Kate Moss, versehen mit seinen eigenen Kommentaren zeigte. Prince lebt mit seiner Kunst also vom Kopieren. Sein neuestes Projekt sorgte in den vergangenen Tagen jedoch für große Aufruhr, denn auf seiner neuen Ausstellung im Frieze New York verkauft er Screenshots von Instagram-Bildern. Ungefragt und zu ansehnlichen Preisen. Rechtlich sieht Prince die ganze Sache unproblematisch und beruft sich dabei auf die Fair Use-Doktrin, die Künstlern das Nutzen fremder Inhalte unter bestimmten Bedingungen erlaubt.

Verwischte Grenzen und was ist überhaupt mit der Moral?

Natürlich sollte man die Kirche erst einmal im Dorf lassen, bevor der juristische Rundumschlag angedroht wird. Professionelle Fotografen, Grafiker oder Künstler lassen nichts unversucht, ihre Bilder vor Fremdnutzung zu schützen. So versehen sie ihre Werke mit großen Wasserzeichen auf den Bildern oder in deren Metadaten und weisen bei jedem Bild auf das Urheberrecht hin. Sie müssen sich auch schützen, verdienen sie doch ihren Lebensunterhalt mit ihren eigenen Fotos oder Grafiken. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Fotografen während ihrer aktiven Zeit mit Diebstahl geistigen Eigentums konfrontiert werden und der Umgang mit diesen Begebenheiten routiniert stattfindet: Nach einer persönlichen und informellen Aufforderung, die fremden Inhalte zu entfernen, folgen die Abmahnung, Unterlassung und dergleichen.

Screenshot der Instagrammerin Doe Deere auf der Frieze New York
Screenshot der Instagrammerin Doe Deere auf der Frieze New York // Quelle: Instagr.am/@doedeere

Erfolgreiche Instagrammer sind in der Regel keine professionellen Fotografen (sie würden weniger offen mit ihren Inhalten umgehen), sondern Blogger, die mit Werbung für verschiedenste Marken und Unternehmen Geld verdienen. Dürfen ihre Inhalte deswegen ungefragt vermarktet werden und das auch noch, ohne sie zu beteiligen? Die einzige „Änderung“, die Prince an den Screenshots vorgenommen hat, ist das Hinzufügen eines Kommentares. Der oben gezeigte Screenshot von Userin Doe Deere erzielte so einen Verkaufspreis von etwa 90.000 Dollar, die sich der kontroverse Künstler in die eigene Tasche steckt. Nach eigenen Angaben will die Urheberin aber nicht gegen Prince vorgehen. Instagram-User @natzkiee fand dazu pragmatische und treffende Worte.

wtf, why buy a $90k screenshot if you could just do it and print it yourself. lol

Jedem steht es selbstverständlich frei, sein Geld zum Fenster hinaus zu werfen. Es sollte nur niemandem zugute kommen, der sich mit fremden Federn schmückt und die Früchte, die aus seiner Saat erwachsen, mit niemandem teilen möchte, sie sogar den Urhebern vorenthält. Mit der Akzeptanz solcher Praktiken werden Grenzen aufgeweicht, die es nicht ohne Grund gibt. Das Internet ist bei weitem kein rechtsfreier Raum, in dem jeder tun und lassen kann, was er möchte – im Hinblick auf Urheberrecht aber sieht das etwas anders aus. Dennoch sollte niemand Profite mit fremdem Content erzielen – schon gar nicht ohne deren Erlaubnis.

Fair Use auf Kosten der Urheber

Mit der Anmeldung in einem sozialen Netzwerk gibt jeder User eine Einverständnis dazu ab, dass die hochgeladenen Inhalte jederzeit frei für (werbliche) Zwecke genutzt werden können (je nach Einsehbarkeit entweder vom sozialen Netzwerk oder von Dritten bei öffentlichen Inhalten). Wer sie allerdings kommerziell nutzen darf und welche Konsequenzen ihn bei Verstößen erwarten, hängt unmittelbar mit der Rechtssprechung des jeweiligen Landes zusammen. In Deutschland arbeiten jede Menge findige Anwälte, die sich auf Urheberrecht spezialisiert haben und auch sind die Gesetze hier vermutlich restriktiver als in vielen anderen Ländern. Dennoch: Solange es keine internationale Einigung in Bezug auf ein übergreifendes Internetrecht gibt, ist mit Konsequenzen eher nicht zu rechnen.

Nun bekommt Bilderdiebstahl in sozialen Netzwerken allmählich ein Gesicht und wird damit für viele bewertbar. Was gab es damals für einen Aufschrei in der Netzgemeinde, als bekannt wurde, dass Facebook und Co. User Content für Werbung ungefragt verwenden darf. An einer Mitgliedschaft oder dem munteren Hochladen privater Fotos gehindert hat das nur wenige. Eher ist der Dämon zum täglichen Begleiter geworden, der im Laufe der Zeit seinen Schrecken verloren hat. Da Prince sich bei seiner Kunst stets auf den Fair Use beruft, konnte bislang nichts gegen die Nutzung unternommen werden, mit der er Millionen verdient. Wer so etwas verhindern möchte, muss wohl oder übel wieder damit beginnen, seinen visuellen Content mit Wasserzeichen zu versehen, um ihn für andere zu entwerten.

Kommentare aus der Community

Jürg Kobel am 28.05.2015 um 08:34 Uhr

Die Geschichte geht eine Runde weiter, Suicide Girls haben reagiert: https://suicidegirls.com/members/missy/blog/2837632/tuesday/

Antworten
Sask am 27.05.2015 um 18:40 Uhr

Tolle Aktion von Richard Prince!

Um die Kunst bzw. die Mehrwert-Leistung von Prince darin zu verstehen, muss man nur das Zitat von @natzkiee umdrehen:

„wtf, why go to work every day if you could just sell a screenshot for $90k. lol“

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