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Selfimprovement
Stress als Freund und Helfer: Abrechnung mit einem Irrglauben

Stress als Freund und Helfer: Abrechnung mit einem Irrglauben

Toni Gau | 23.01.20

Wir alle kennen und verachten ihn: Stress. Lang glaubten wir, dieser sei schädlich für unsere Gesundheit. Doch Studien legen nahe, dass dies nicht immer der Fall ist - ganz im Gegenteil.

Über fünf Jahre ist es mittlerweile her, dass Kelly McGonigal sich für TED auf die Bühne stellte und versuchte unser Bild über Stress zu ändern. Bereits in der Vergangenheit diskutieren wir drei Irrtümer über diesen, doch unterscheidet sich die Perspektive des TED Speakers nochmal vollkommen von diesen Ansichten. Obwohl McGonigal viele Argumente für die positiven Aspekte des allseits bekannten Stresses vorbringt, scheinen sie nicht flächendeckend durchgesickert zu sein, weshalb es umso wichtiger ist, sie noch einmal zu wiederholen. Es besteht weiterhin ein ausgeprägtes Stigma zum Thema Stress und wie wir diesen wahrnehmen. Er wird häufig als ein unannehmlicher, gesundheitsschädlicher Faktor im Leben vieler und diesen zu vermeiden, scheint auf der Prioritätenliste der meisten recht weit oben zu stehen. McGonigal stellte anhand aktueller Thesen jedoch einen Gegenvorschlag vor: Was, wenn wir diesen willkommen heißen und umarmen, als sei er ein Freund und Helfer? Tatsächlich sei Stress ein lebensfördernder Faktor, wenn wir nur unser Mindset diesem gegenüber änderten. Doch wie?

Ein Geständnis

McGonigal leitete ihren TED Talk mit einem Geständnis ein. Als Gesundheitspsychlogin sei es ihr Job, ihren Patienten zu Glück und Gesundheit zu verhelfen – und über Jahre hätte sie dies behindert, indem sie einen Mythos verbreitete, an welchen auch sie glaubte: Stress ist der Feind. Stress macht krank. Von der einfachen Erkältung bis hin zur Herz-Kreislauf-Erkrankung. Das sind Ansichten, welche vielen von uns sicherlich vertraut sind, schließlich scheint entspricht auch laut McGonigal dies der gesamtgesellschaftliche Wahrnehmung.

Ihre Meinungen änderte sie allerdings abrupt nach gerade mal einer überaus aufschlussreichen Studie zum Thema Stress. In dieser wurden über acht Jahre hinweg etwa 30.000 Erwachsene in Amerika begleitet, welchen man zunächst zwei einfache Fragen stellte:

  1. Wie viel Stress fühlten Sie sich im letzten Jahr ausgesetzt?
  2. Glauben Sie, dass Stress gesundheitsschädlich ist?

Man griff daraufhin auf öffentliche Sterberegister zurück, um nachzuvollziehen, wer gestorben ist und wer nicht. Dabei tat sich erst einmal eine unangenehme Wahrheit auf: Solche, die besonders viel Stress angaben, hatten ein erhöhtes Sterberisiko von insgesamt 43 Prozent. Das scheint nun ein Argument dafür zu sein, den Stress weiterhin zu verdammen und als etwas Schlechtes abzutun – bis McGonigal ein weiteres Ergebnis aus der Studie anführt. Dieses Risiko galt nämlich nur für solche, die auch schlecht über Stress dachten; wer ein gesundes Verhältnis zu seinem Stress hatte, sah sich auch nicht von einem höheren Sterberisiko betroffen. Tatsächlich hatten diese Teilnehmer sogar das geringste Sterberisiko von allen Paritizipierenden – selbst gegenüber solchen, die sagten, sie seien nur wenig Stress ausgesetzt. Doch woran liegt das und was können wir daraus mitnehmen?

Eine gesunde Beziehung zum Stress

Anhand der vorliegenden Ergebnisse konkludierten die Forscher nun, dass etwa 182.000 Amerikaner vorzeitig starben, aufgrund ihrer negativen Beziehung zum Stress. Das würde die Angst vor Stress auf Nummer 15 der Top-Todesursachen in Amerika katapultieren, mit 20.000 Todesfällen im Jahr. Damit wäre Angst vor Stress als Todesursache noch vor Krankheiten wie Aids und Hautkrebs, doch auch vor Mord anzusiedeln. McGonigal wurde somit mit einem inneren Konflinkt konfrontiert: All die Jahre hatte sie Leuten erzählt, wie schrecklich und gesundheitsschädlich doch Stress sei. Sie stellte sich die Frage, ob denn ein anderer Umgang mit Stress wiederum gesundheitsfördernd sein könnte – und die Wissenschaft bestätigt dies.

Oxytocin ist ein Hormon, von dem viele von uns sicherlich schon mal gehört haben, zumal es in etwa so viel Hype generiert hat, wie einem Hormon wohl möglich ist. Es fördert Empathie, wird beim Kuscheln und Küssen ausgeschüttet und hat abseits davon noch sehr viele weitere positive Eigenschaften. Eins wissen viele hierbei allerdings nicht: Oxytocin ist ein Stresshormon und auch bei solchem wird es folglich ausgeschüttet.

Wir alle kennen die typischen Stressreaktionen: Rasantes Herzklopfen, schnellerer Atem, eventuell Schweißausbrüche. Im Normalfall verstehen wir diese Zeichen als Angst oder als schlechten Umgang mit dem Druck – doch was, wenn unser Körper uns eigentlich mehr Energie zuführen will; uns auf die anstehende Herausforderung vorbereitet? Denn in der Tat sind diese Symptome hilfreich. Schneller Atmen bedeutet mehr Sauerstoff und Testpersonen, welche ihre Stressreaktion so positiv konnotiert sahen, verspürten auch weniger Angst. Doch eine weitere interessante Reaktion machte sich bemerkbar: Typischerweise steigert eine solche Stressreaktion das Herzschlagen. Ein Prozess, bei welchem sich unsere Adern zusammenziehen. Hierin liegt eine Begründung, inwiefern Stress zu Herzrhythmusstörungen und dergleichen führen kann. Bei Probanden der Studie, welche ihren Stress positiv wahrnahmen, war dies nicht der Fall und die Adern blieben entspannt. Das Herz schlug weiterhin schneller, doch in einer insgesamt gesünderen Manier, vergleichbar mit Momenten des Muts oder der Freude.

Inwiefern ist das gesundheitssfördernd?

Wir haben nun zwar diskutiert, inwiefern ein gesunder Umgang mit Stress das Sterberisiko mindern kann – und inwiefern es die Lebensqualität steigert, den eigenen Stress wahrzunehmen, ist wohl selbsterklärend. Doch muss man nun noch erklären, inwiefern ein gesunder Umgang mit Stress auch noch gesund ist. Ganz einfach: Das zuvor genannte Oxytocin. Dieses schützt nämlich in Stressmomenten unser Herz und hilft diesem sich zu regenerieren, nachdem die Nebeneffekte von Stress aufgetreten sind. Oxytocin stärkt das Herz – doch auch unser Sozialverhalten, denn es ermutigt uns mit anderen in Kontakt zu treten, Hilfe zu suchen, zu reden und dergleichen. Dass ein gesundes Sozialleben auch der eigenen Gesundheit wohltut, wusste man auch schon in längst vergangenen Zeiten. Oxytocin ist ein Empathiehormon und es hilft uns bei unserer Lebensqualität immens.

McGonigal schließt mit einer weiteren Studie, in welcher etwa 1.000 US-Amerikaner begleitet wurden, zwischen 34 und 93 Jahren. Erneut folgten zwei Fragen:

  1. Wie viel Stress hatten Sie im vergangenen Jahr?
  2. Wie viel Zeit haben Sie darauf verwendet, Ihre Freunde, Nachbarn oder Menschen in Ihrem Umfeld zu unterstützen?

Erneut wurden die Sterberegister abgerufen. Mit jedem besonders einschlagenden Stressereignis, wie beispielsweise finanzielle Schwierigkeiten, steigerte sich das Sterberisiko um 30 Prozent – doch es gibt ein Aber. Diese Prozentzahl galt nämlich nicht für jeden. Solche, die ihren Mitmenschen viel geholfen haben, für Freunde, Familie und Umfeld da waren, wiesen kein erhöhtes Sterberisiko auf.

Was bedeutet das für uns?

Wenn wir mit unserem Stress umzugehen wissen, ihn als etwas Positives wahrnehmen und auf unser Oxytocin hören, sehen wir uns keineswegs durch Stress in unserer Lebensspanne beeinflusst. Wie McGonigal selbst es sagt:

When you choose to view your stress response as helpful, you trigger the biology of courage.

Doch bedeutet das keineswegs, dass wir nun freiwillig den Stress suchen sollten, uns überfordern müssen und dergleichen. Man solle ihn einfach als nichts inhärent Schlechtes verstehen, seine positiven Seiten anerkennen und ihn zu einem gewissen Grad auch wertschätzen. Man muss nämlich auf sich Acht geben, manchmal ist der Stress einem zu viel, manchmal braucht man eine Auszeit – auch das darf man nicht vergessen. Wohl kaum können wir unser ganzes Leben durcharbeiten. Ob auf der Arbeit, im Studium, der Ausbildung, im Privaten oder vielleicht sogar in der Schule, ein gesunder Umgang mit Stress erlaubt uns ein ganz einfaches Mantra, bei welchem unser Körper uns unterstützen möchte: Ich traue mir das zu. Eins konnte McGonigal nämlich aus diesen Studien und ihrem neuen Mindset zum Thema Stress lernen:

Chasing meaning is better than avoiding discomfort.

Die von der Gesundheitspsychologin besprochene Studie findest du im Übrigen hier.

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