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Human Resources
KI im Recruiting ist zuverlässig und effektiv – wenn sie richtig angewandt wird: Interview mit talentbay CEO Marc Irmisch-Petit

KI im Recruiting ist zuverlässig und effektiv – wenn sie richtig angewandt wird: Interview mit talentbay CEO Marc Irmisch-Petit

Michelle Winner | 27.10.21

KI im Recruiting wird oft mit Skepsis oder Unsicherheit begegnet. Dabei ist nicht die Technik Schuld an möglichen Fehlern, sondern die Menschen. Marc Irmisch-Petit von talentbay räumt mit Vorurteilen auf.

Künstliche Intelligenz bleibt ein umstrittenes Thema in unserer Arbeitswelt. Obwohl sie dazu beiträgt, Arbeitsprozesse zu vereinfachen und Zeit zu sparen, fürchten sich einige Menschen vor zu viel Automatisierung. Auch wird oft kritisiert, dass sie nicht zuverlässig genug sei: Vor kurzem berichteten wir darüber, wie KI im Recruiting geeignete Kandidat:innen fälschlicherweise aussortiert. Doch hier stellt sich die Frage, ob wirklich die Technik daran Schuld hat oder nicht viel eher die Programmierer:innen und Unternehmen.

Aus diesem Grund haben wir bei KI- und Recruiting-Experten Marc Irmisch-Petit nachgefragt. Der CEO der Karriereplattform talentbay hat mehr als 20 Jahre Erfahrung in Bereichen wie Recruiting, IT und Software, Telekommunikation und E-Commerce und punktet mit seiner Expertise hinsichtlich Digitalisierung und Innovation. Vor seiner Spitzenposition bei talentbay war er auch als Europachef bei Karriereportal Monster tätig. Im Interview stellt er sich unseren Fragen und erklärt, wie KI Rekrutierungsprozesse effektiv unterstützen und KI-Kritiker:innen ihre Skepsis genommen werden kann.

Das Interview

OnlineMarketing.de: Vor kurzem berichteten wir über eine Studie, in der festgestellt wurde, dass KI geeignete Kandidat:innen fälschlicherweise aussortiert. Wie zuverlässig ist KI im Recruiting generell?

Marc Irmisch-Petit: Im Recruiting ist KI sehr zuverlässig – auch im Vergleich zu anderen Einsatzgebieten wie beispielsweise Chatbots. So konnten wir mithilfe unserer KI bereits erfolgreich Studierende mit passenden Fachabteilungen vernetzen. Wie Menschen auch, macht KI manchmal Fehler – sie wird schließlich von Menschen entwickelt und gesteuert. Entscheidend ist ein gut funktionierendes System. Dieses muss von Anfang an entsprechend programmiert, implementiert und schließlich auch genutzt werden.

Was sind typische Gründe für das Versagen von KI? Ist eine KI nur so gut, wie die Person, von der sie eingesetzt wird?

Wenn eine KI Fehler macht, kann das unterschiedliche Ursachen haben, von technischen Störungen über Programmierfehler bis hin zur falschen Anwendung. Das heißt für vor allem: Regelmäßig reflektieren, hinterfragen und optimieren. Systeme müssen stetig weiterentwickelt werden. Und dafür benötigt man das Feedback der Nutzer:innen. Welche Anforderungen und Wünsche haben sie? Und welche Inhalte? Manches ist sehr individuell, manches hingegen für alle Nutzer:innen relevant. KI ist also durchaus so gut, wie die Person, von der sie eingesetzt wird. Aber auch wie die Person, die sie nutzt und weiterentwickelt.

Sind Lücken im Lebenslauf, beispielsweise durch längere Krankheit, Arbeitslosigkeit oder die Pflege Angehöriger, ein Problem für KI-basierte Recruiting Software? Haben es Bewerber:innen damit schwerer, bei einer Vorauswahl berücksichtigt zu werden?

Das hängt davon ab, wie die KI programmiert ist. Lücken im Lebenslauf sind aber eigentlich keine Besonderheit mehr – und damit für die meisten Arbeitgeber:innen kein KO-Kriterium. Im Gegenteil: Solche Lebensläufe stechen oft heraus und werden positiv bewertet. Das kann auch durch eine KI gepusht werden.

Die Studie lässt den Rückschluss zu, dass KI vor allem Fehler bei der Vorauswahl von Bewerber:innen macht, weil die Unternehmen zu hohe Ansprüche haben. Würdest du dem zustimmen?

Dann macht eher das Unternehmen den Fehler, nicht die KI. Denn die zu hohen Ansprüche haben viele auch in gewöhnlichen Stellenausschreibungen – ganz ohne Technologie-Beteiligung. Die Auswahl- oder Suchkriterien legen nur fest, nach welchen Eigenschaften die KI im Kandidat:innen-Pool suchen soll. Und das ist fair für alle Bewerber:innen, die für die zu besetzende Position in Frage kommen. Die KI sollte nach Schlüsselqualifikationen filtern, die unabdinglich sind. Dann ist sie auch fair.

Was sind die größten Vorteile daran, KI in den Recruiting-Prozess zu integrieren?

KI spart vor allem Zeit. Denn sie kann enorme Datenmengen in Sekundenschnelle erfassen, zusammenzufügen und analysieren. Einzelne Recruiter brauchen deutlich mehr Zeit, einen passenden Bewerber:innen-Pool zu erstellen. Mit KI funktionieren Personalentscheidungen somit schneller und zielgerichteter. Ein klarer Vorteil im täglichen War for Talents. Für Bewerber:innen hat KI auch Vorteile: Keine subjektive Meinung entscheidet über ihre Bewerbung, Vorurteile spielen keine Rolle. KI fördert also auch einen fairen und gleichberechtigten Recruiting-Prozess.

Also kann KI für mehr Diversität in Unternehmen sorgen, da sie bei der Vorauswahl von Bewerber:innen unbefangener und frei von Vorurteilen ist im Gegensatz zu Menschen?

KI trifft – anders als wir Menschen – vorurteilsfreie Entscheidungen. Sie kann also durchaus ein Mittel gegen Diskriminierung sein, vor allem im ersten Schritt des Bewerbungsprozesses. Ob Alter, Aussehen, Geschlecht oder Herkunft: All das spielt im Recruiting-Prozess leider immer noch eine entscheidende Rolle. Durch KI-gestützte Prozesse haben alle potenziellen Bewerber:innen von Beginn an die gleichen Chancen, ohne subjektive Einflüsse der Recruiter.

Welche Schritte im Recruiting-Prozess können automatisiert werden, welche müssen deiner Meinung nach weiterhin von Menschen übernommen werden?

Künstliche Intelligenz wird den Menschen – zumindest im Recruitingprozess – niemals vollständig ersetzen können. Und das soll sie auch nicht. Denn am Ende entscheiden Faktoren wie Sympathie und Menschlichkeit darüber, ob es matcht oder nicht. Bei der Vorauswahl passender Bewerber:innen oder als zusätzliches Analyse-Tool bei Bewerbungsgesprächen kann KI unterstützen. Alles weiter müssen die Personaler:innen und die Fachabteilung übernehmen.

Wie würdest du versuchen, Arbeitgeber:innen und Bewerber:innen ihre Skepsis oder gar Angst vor KI zu nehmen?

Ich rate allen Skeptiker:innen, es auszuprobieren. Denn KI ist so abstrakt, jeder von uns versteht darunter etwas anderes. Und erst, wenn man die Technologie ausprobiert, kann man sich sein eigenes Bild davon machen. Spätestens dann sind die Zweifel meistens verflogen. Wenn man transparent mit dem Einsatz von KI und ihrer Aufgabe umgeht, können Bedenken schnell ausgeräumt werden.


Wir bedanken uns recht herzlich bei Marc Irmisch-Petit für das schriftliche Interview und die ausführlichen Einblicke in die Vorteile von KI-gesteuerten Rekrutierungsprozessen.

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