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Human Resources
Unternehmen fehlt es an Barrierefreiheit: Diese Maßnahmen können Inklusion fördern

Unternehmen fehlt es an Barrierefreiheit: Diese Maßnahmen können Inklusion fördern

Michelle Winner | 28.07.21

Vielen Arbeitnehmer:innen hatten noch nie Menschen mit Behinderung im Kollegium. Grund hierfür ist oft die fehlende räumliche sowie digitale Barrierefreiheit an Arbeitsplätzen.

Knapp die Hälfte der Arbeitnehmer:innen in Deutschland hat noch nie mit einem Menschen mit Behinderung zusammengearbeitet. Das zeigt eine aktuelle Untersuchung der Karriereplattform Monster in Zusammenarbeit mit dem Mitgründer von Sozialhelden e.V. Raul Krauthausen und YouGov. Ein entscheidender Grund hierfür ist die fehlende Barrierefreiheit an Arbeitsplätzen sowie fehlende Maßnahmen zur Inklusion. Unternehmen müssen in diesem Bereich dringend nachrüsten, denn wenn wir von Diversity sprechen, sind auch behinderte Menschen gemeint.

Kaum Berührungspunkte und fehlende Barrierefreiheit

34 Prozent der Befragten gaben an, dass ihr Arbeitsplatz weder räumlich noch digital barrierefrei ist, 18 Prozent konnten darüber keine Aussage treffen. Es ist also kein Wunder, dass in allen Altersgruppen Berührungspunkte mit Menschen mit Behinderung fehlen. Bei den 18- bis 24-Jährigen haben gerade einmal 20 Prozent im Arbeitsalltag mit Personen zu tun gehabt, die eine Behinderung haben. Bei den über 55-Jährigen sind es hingegen 44 Prozent. Dieser Unterschied basiert vermutlich auf der fehlenden Arbeitserfahrung der jüngeren Generation. Dennoch haben die meisten Befragten noch nie einen Menschen mit Behinderung in ihrer Abteilung gehabt, was sich bei vielen auch mit steigendem Alter nicht ändert. Raul Krauthausen erklärt dazu:

Die Zahlen zeigen einmal mehr, wie viel es in Sachen Inklusion in der Arbeitswelt noch zu tun gibt. Wir erleben tagtäglich noch große Vorurteile und Berührungsängste von Nicht-behinderten Menschen. Kommen Menschen mit und ohne Behinderung nicht miteinander in Berührung, lassen sich die Berührungsängste und Vorurteile in der Gesellschaft und im Arbeitsleben aber nicht abbauen. Dieser Damm muss gebrochen werden, damit Menschen mit Behinderung gleichberechtigt am sozialen und beruflichen Leben teilhaben können. Das kann aber nur gelingen, wenn Unternehmen auch wirklich bereit sind, sich mit ihren eigenen, oft unbewussten Vorurteilen und Ängsten auseinanderzusetzen, sich mit Menschen mit Behinderung zusammenzutun, um Lösungen zu finden und inklusiver zu werden.

Was bedeutet Barrierefreiheit?

Derzeit sind gerade einmal 26 Prozent der Arbeitsplätze in Deutschland wirklich barrierefrei, 22 Prozent zumindest teilweise. Viele Unternehmen scheinen beim Thema Barrierefreiheit lediglich räumlich zu denken, also beispielsweise rollstuhlgerecht. Dadurch sind 13 Prozent der Arbeitsplätze zwar räumlich barrierefrei, aber nicht digital. Doch was beinhaltet digitale Barrierefreiheit? Es muss gewährleistet werden, dass Arbeitnehmer:innen mit Behinderung das Internet sowie alle anderen digitalen Anwendungen und Geräte unabhängig von ihrer Beeinträchtigung nutzen können. Das beinhaltet beispielsweise Hilfsprogramme für Personen mit Sehbehinderungen, die unter anderem Texte vergrößert darstellen oder vorlesen lassen können. Krauthausen erläutert weitere einfache Wege für mehr Barrierefreiheit:

Niemand ist von Anfang an perfekt. Aber schon kleine Verbesserungen helfen, beispielsweise beim Bewerbungsprozess. Diesen barrierefrei zu gestalten ist mit vergleichsweise wenig Aufwand verbunden, trägt aber bereits enorm dazu bei, Kontaktpunkte zwischen Unternehmen und Menschen mit Behinderung überhaupt erst herzustellen. Zum Beispiel indem Talenten mit Hörbeeinträchtigung eine Alternative zu Telefoninterviews geboten wird. Von der Bewerbung aus kann dann gemeinsam ausgelotet werden, wie die Reise weitergeht und was im Unternehmen eventuell noch angepasst werden muss, damit die Person die Stelle antreten kann. ‚Einfach mal machen‘ muss die Devise lauten!

Positiv zu erwähnen ist jedoch, dass das Bewusstsein für Inklusion steigt. Besonders die jüngere Generation von Arbeitnehmer:innen legt Wert auf Diversity und Chancengleichheit und kennt zudem die digitalen Möglichkeiten, die es gibt, um den eigenen Arbeitsplatz barrierefrei zu gestalten.

Was können Unternehmen tun?

Um Inklusion zu fördern, gibt es neben den bereits genannten Wegen noch weitere Maßnahmen. Das kann beispielsweise mit dem richtigen Wording anfangen. So ist es wichtig, Personen mit Behinderung nicht auf die Behinderung selbst zu reduzieren. Ausdrücke wie „die Behinderten“, „behindert sein“ sowie „Handicap“ oder „besondere Bedürfnisse“ sollten daher vermieden werden. Oft herrscht eine unterbewusste Angst vor dem Wort „Behinderung“, doch man darf es ruhig nutzen, wie die Autor:innen von MyAbility.org erklären. Menschen mit Behinderung oder behinderte Menschen sind also anerkannte Ausdrucksweisen, ebenso wie „eine Behinderung haben“, „Einschränkung“ oder „Beeinträchtigung“.

Weitere Maßnahmen für mehr räumliche und digitale Barrierefreiheit sind zum Beispiel:

  • Treppenlifte, wenn es keinen Aufzug gibt
  • Rampen mit Handläufen
  • ausreichend breite Türen (mindestens 90cm)
  • automatische Türöffner
  • rutschhemmender Bodenbelag
  • Notfallöffnungen von außen für Türen in Sanitäranlagen
  • Ausstattung in Badezimmern sowie Gemeinschaftsräumen soll im Sitzen zu erreichen sein
  • Automatische Seifenspender, Papierhandtuchspender, etc.
  • Untertitel für Videodateien und Bilder
  • Verwendung einfach lesbarer Schriftarten
  • Beschaffung von Hilfs-Software
  • Tastaturen für Menschen mit Sehbehinderung
  • Gebärdendolmetscher für wichtige Meetings, Seminare, Weiterbildungen
  • Dimmbare Lichter
  • Beschriftungen in Blindenschrift (auch an technischen Geräten)
  • Sprachsteuerung für Geräte

Die Liste lässt sich noch ausweiten. Doch allein diese Punkte zeigen, dass teilweise einfache Schritte schon dazu beitragen können, die Barrierefreiheit am Arbeitsplatz zu verbessern. Unternehmen sollten dringend nachrüsten und wer auf Diversity setzt, sollte dabei auch an die Inklusion von Menschen mit Behinderung denken. Nur so kann gegen Vorurteile und für mehr Chancengleichheit gekämpft werden.

Kommentare aus der Community

Jörg Morsbach am 29.07.2021 um 10:54 Uhr

Ich möchte in diesem Zusammenhang gerne auf den European Accessibility Act (EAA) bzw. das kommende Barrierefreiheitsstärkungsgesetz hinweisen. Das Gesetz adressiert Teile der Privatwirtschaft und hat zum Ziel, die Barrierefreiheitsanforderungen für wichtige Produkte und Dienstleistungen in der Europäischen Union zu harmonisieren. Die digitale Teilhabe für Menschen mit Behinderungen soll damit zukünftig weiter verbessert werden. Denn für eine inklusive Gesellschaft ist digitale Barrierefreiheit auch in der Privatwirtschaft ein wichtiger Faktor.

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