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Unternehmenskultur
Brauchen wir die Frauenquote? Ein Blick auf beide Seiten der Medaille

Brauchen wir die Frauenquote? Ein Blick auf beide Seiten der Medaille

Michelle Winner | 13.02.20

Befürworter erhoffen sich Veränderungen und Umdenken, Gegner sehen Ungerechtigkeit und Klischees darin. Dennoch sind sich beide Seiten einig: Die Arbeitswelt braucht mehr Diversität.

Sexismus am Arbeitsplatz und schlechtere Chancen durch das Geschlecht sind für Frauen nichts Neues im Arbeitsalltag. Trotz aller Aufklärungsarbeit und Diskurse gibt es immer noch Arbeitgeber, die weibliche Angestellte diskriminieren. Um dem einen Riegel vorzuschieben und Chancengleichheit zu fördern, wird oft über eine Frauenquote diskutiert. Während diese von Gesetzes wegen her bereits für Aufsichtsräte besteht, wird nun auch über eine Quote für die Vorstände nachgedacht. Der Anteil von Frauen liegt in diesen bisher nämlich nur bei 10,4 Prozent. Doch ist die Frauenquote wirklich ein Allheilmittel oder nur eine weitere Hürde?

Frauenquote? Nein, danke!

Gründerin und Innovation Consultant Céline Flores Willers spricht sich überzeugt gegen eine Frauenquote aus. Sie steht stellvertretend für eine Seite der Diskussion, die keinesfalls Sexismus unterstützt, jedoch in der Quote selbst ebenfalls Ungerechtigkeiten sieht.

Das Klischee der Quotenfrau

Eines der Hauptargumente gegen die Frauenquote, das auch Willers anführt, ist, dass viele weibliche Angestellte nicht als „die Quotenfrau“ gelten wollen. Diesen Titel erhält man als Frau in einer „Männerdomäne“ nur zu häufig. Zudem sehen einige es auch als Abwertung ihrer Leistung, in einem Unternehmen mit Frauenquote zu arbeiten, da schnell angenommen wird, man habe die Stelle nur aufgrund dieser bekommen. An dieser Stelle sollte sich auch die Frage gestellt werden, ob man als Frau wirklich für ein Unternehmen arbeiten möchte, das seine weiblichen Vorstandsmitglieder nur dank einer Quote hat. Und nicht von sich aus, wie auch Willers betont:

Eine Quotenfrau hat sich ihren Erfolg nicht selbst erarbeitet, sondern ist, wo sie ist, weil ein Gesetz das so entschieden hat. Sie schadet also dem Ruf von Frauen, die sich ihre Position aus eigener Kraft erarbeiten.

Diese Aussage ist natürlich radikal, denn nicht jede Frau, die „der Quote wegen“ eingestellt wird, hat diese Stelle nicht auch verdient. Willers geht außerdem darauf ein, dass eine Frauenquote für Ungerechtigkeit sorgt. Nehmen wir an, eine Frau und ein Mann bewerben sich auf die gleiche Stelle. Da die Quote erfüllt werden muss, wird die Frau eingestellt, obwohl der Mann objektiv betrachtet die besseren Qualifikationen hat. Das sorgt nicht nur für eine gewisse Unfairness, sondern kann zudem die Abneigung gegenüber „Quotenfrauen“ steigern. Das größte Problem an der Frauenquote bleibt jedoch, dass sie nicht einen der Kerne des Übels angreift. Die Praxis der hegemonialen Männlichkeit bleibt bestehen und kann durch die Quote noch geschürt werden.

Ist Motivation die bessere Alternative?

Frauen schaffen sich die gläserne Decke häufig selbst. Sie pressen sich selbst in die Rolle der ungerecht Behandelten, der der Griff nach Macht versagt wird. Dabei sind sie es selbst, die einfach nicht die Hand ausstrecken und sagen: Ich will!

Dieses Zitat von Willers wirkt im ersten Moment gewagt. Einer Minderheit (hier gemeint die Frauen in Führungspositionen) zu sagen, sie würde sich selbst in die „Opferrolle“ drängen, ist heikel. Jedoch meint die Gründerin es nicht so, wie es im ersten Moment klingt. Willers hinterfragt, ob es wirklich die Aufgabe der Quote ist, Frauen dazu zu motivieren, eine Führungsposition anzustreben. Ihrer Meinung nach sollte der Impuls aus uns selbst entspringen. Me-Empowerment spielt für sie eine entscheidende Rolle, denn viel zu oft erscheint es so, dass Frauen sich weniger selbstbewusst als Männer geben. Und das, obwohl sie ihnen im Können um nichts nachstehen. Es braucht laut Willers keine Quote, um Frauen dazu zu motivieren, Geschlechterrollen anzugreifen und Führungspositionen anzustreben. Sie müssen es selbst wollen und fühlen. Zudem fehle es auch immer noch am Empowerment durch andere Frauen. Willers meint, dass dieses zwar selbstverständlich sein sollte, es Frauen jedoch schwieriger erscheint, sich gegenseitig Chancen einzuräumen. Empowerment funktioniert übrigens in verschiedene Richtungen:

Viele Frauen wollen karrieretechnisch gar nicht empowert werden, sondern längeren Mutterschaftsurlaub für ihre Kids, die Beschaffenheit ihrer Bratkartoffeln optimieren oder im Ehrenamt aktiv sein. Ich sage: Do it! ‚Female Empowerment‘ kann und sollte uns nicht vorgaukeln, dass nur der Chefsessel ein erstrebenswertes Ziel ist. Gleiches gilt für Männer!

Mit dieser Aussage spielt Willers auf eine Studie an, die zeigt, dass gerade einmal 34 Prozent der Frauen eine Führungsposition anstreben. Bei den Männern sind es 42 Prozent. Es sollte also nicht pauschal davon ausgegangen werden, dass ein Großteil der Arbeitnehmerinnen in die Chefetage möchte. Lieber sollten alle Ziele von Frauen gewürdigt und unterstützt werden. Willers fasst zusammen, dass die Frauenquote überflüssig ist. Sie ist überzeugt, dass sich die Ungleichheit durch die Motivation von Frauen beheben lässt. „Gibt es immer mehr motivierte und smarte Frauen, die in die Vorstände drängen, wird es auch immer mehr motivierte und smarte Frauen in Vorständen geben“, schreibt sie.

Frauenquote? Ja, bitte!

Der üble Beigeschmack, den Willers dem Begriff „Quotenfrau“ zuschreibt, lässt sich nicht leugnen. Dennoch ist es fraglich, ob Motivation allein die Ungleichheit ausmerzen kann. Denn schließlich gibt es seit Jahrhunderten smarte, selbstbewusste Frauen, die karrieretechnisch hoch hinaus wollten, die Chance aber nie erhalten haben aufgrund von Vorurteilen. Die Ungerechtigkeit wird sich nicht von selbst auslösen – sagt zumindest Tijen Onaran, Gründerin und Geschäftsführerin von Startup Affairs.

Gesellschaftliche Probleme lösen sich selten allein

Onaran hatte selbst lange den Glauben, dass eine Quotenregelung unnötig wäre. In ihren Augen waren Unternehmen darauf bedacht, zu wachsen und sich weiterzuentwickeln. Studien hatten zu diesem Zeitpunkt schon oft erwiesen, dass Diversität am Arbeitsplatz für kreative und innovative Lösungen sorgt und Frauen in Führungspositionen den Unternehmenserfolg positiv beeinflussen. Onaran glaubte deshalb, dass die Unternehmen bald schalten würden und von sich aus auf Diversität setzten. Falsch gedacht, wie sie sich selbst eingesteht:

Durch meine Einblicke in die Realität vieler Unternehmen, die ich in den vergangenen Jahren erhalten habe, muss ich jedoch feststellen, dass die Strukturen zum Teil sehr verkrustet sind. Vor allem Deutschland hinkt stark hinterher, wenn es darum geht, Frauen in Führungspositionen zu bringen.

Gerade weil die Veränderung von innen ausbleibt, bedarf es einer Veränderung von außen – in Form einer Frauen-, beziehungsweise Diversitätsquote, wie Onaran schreibt. Warten wir weiter ab, würde sich vielleicht sehr langsam und schleppend etwas ändern. Es würde noch Jahrzehnte Dauern, bis der Punkt erreicht wäre, an dem deutsche Unternehmen heute schon stehen sollten. Eine Quote ist daher ein wichtiges Mittel, um schnell für Veränderung zu sorgen. Doch gleichzeitig warnt Onaran:

Die Quote ist kein Allheilmittel. Sie ist aber bisher weltweit das einzige Instrument, dass in kurzer Zeit messbare Veränderungen bewirkt, um nicht nur, aber eben auch Frauen mehr Zugang zu Führungspositionen zu verschaffen. Sie ist ein notwendiger Impuls von außen, der nötig ist, weil eine Veränderung von innen heraus nicht oder nur sehr langsam stattfindet.

An dieser Stelle betont Onaran außerdem, ebenso wie Willers, dass jeder einen eigenen Impuls haben sollte. Keine Frau sollte sich blind auf die gesetzlichen Vorgaben verlassen, um Karriere zu machen. Es geht um Selbstbewusstsein, Motivation, Qualifikation – die eigene Agenda. Denn unabhängig vom Geschlecht geht es auf dem heutigen Arbeitsmarkt darum, herauszustechen.

Umdenken ist wichtiger als die Quote

Eine Frauenquote bringt erste Veränderungen, aber keinen Langzeiteffekt. Um diesen zu erzielen, muss ein Umdenken in den Köpfen der Chefetagen stattfinden. Diversität sollte ein natürlicher Teil unseres (Arbeits-)Alltags werden. Onaran räumt ein, dass, solange dieses Umdenken nicht stattfindet, die Frauenquote immer auf Widerstand treffen wird. Schließlich sei sie ein aufgezwungenes Instrument der Politik, die sich selbst nicht daran hält. Dies zeige ein Blick auf die Besetzungen in Parteien, Behörden und Ministerien. Es sei aber nicht nur eine Frauenquote, über die nachgedacht werden sollte:

Die Frage, wie wir Veränderungen hin zu einer moderneren, produktiveren, innovativeren und effizienteren Arbeitswelt, in der sich alle wohlfühlen und ihr Bestes geben können, schaffen, hängt aber nicht ’nur‘ von der Frauenförderung ab. Was wir brauchen, ist eine echte Diversitätsförderung. Denn das Geschlecht ist nur eine von vielen Komponenten, die in der Summe Diversität ausmachen.

Eine Diversitätsquote soll laut der Gründerin dazu führen, dass alle Menschen gerechte und gleiche Chancen erhalten. Unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Glauben oder sexueller Orientierung. Dass das nötig ist, zeigen beispielsweise reißerische Headlines wie die der Bild-Zeitung zur aktuellen politischen Lage: „Jens Spahn: Ist die CDU modern genug für einen schwulen Kanzler?“. Eine solche Frage sollte gar nicht erst gestellt werden, da die sexuelle Orientierung nichts mit den beruflichen Fähigkeiten zu tun hat. In diesem Sinne erscheint es, unabhängig davon, wie langfristig die Veränderungen durch Quoten sind, nicht falsch, wenn Onaran sagt:

Darum greift selbst eine Frauenquote letzten Endes noch zu kurz. Vielmehr müssten Unternehmen zu einer Diversitätsquote verpflichtet werden. Nur so wird es den Unternehmen gelingen, dass ihre Belegschaften in absehbarer Zeit die Realität der Gesellschaft abbilden. Das ist es, was ihnen ihren wirtschaftlichen Erfolg, ihre Innovationskraft und ihre Zukunftsfähigkeit sichern würde.

Was hältst du von der Frauenquote?

Beide Parteien der Diskussion, hier durch Willers und Onaran repräsentiert, haben einleuchtende und starke Argumente. Zum einen können Quoten der nötige Impuls von außen sein, der zu schnellen Veränderungen führt und so die Menschen zum Umdenken anregt. Gleichzeitig ist der mit Quoten verbundene Zwang kritikwürdig und führt durch das Klischee der „Quotenfrau“ schnell zu noch mehr Vorurteilen. Unabhängig davon, für wie sinnvoll man solche Diversitätsquoten hält, haben beide Seiten jedoch das gleiche Ziel: Mehr Gerechtigkeit, mehr Chancengleichheit und mehr Diversität in unserer Arbeitswelt. Wie siehst du das? Hältst du Frauenquote und Co. für sinnvoll? Oder findest du ebenfalls, dass Vorurteile und Ungleichheit durch so etwas nicht bekämpft werden können?

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