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Büroalltag
Die Ängste der Angestellten: Warum 64 Prozent der Deutschen im Urlaub erreichbar sind

Die Ängste der Angestellten: Warum 64 Prozent der Deutschen im Urlaub erreichbar sind

Maja Hansen | 12.07.18

Über zwei Drittel der Berufstätigen sind aus Ängsten auch im Urlaub erreichbar. Wie sehen diese Befürchtungen aus und wie wirkt man ihnen entgegen?

Der Urlaub ist zum Abschalten da, sodass sich Gedanken von der Arbeit und den Kollegen lösen können. Diese Idealvorstellung davon, den Job im Urlaub komplett hinter sich zu lassen, ist leider eine Illusion. Eine aktuelle Studie von Bitkom zeigt, dass die Mehrheit deutscher Arbeitnehmer auch in ihren Ferien beruflich erreichbar sind. Ganze 64 Prozent lesen am Strand ihre Mails, führen Telefonate beim Wandern oder schreiben Textnachrichten im Flieger. Bitkom kam zu diesem Ergebnis, indem 1.219 Personen ab 14 Jahren telefonisch befragt wurden.

Über zwei Drittel aller Angestellten hierzulande lesen in ihrem Urlaub Kurznachrichten über iMessage oder WhatsApp. Ganze 57 Prozent erklären sich gegenüber ihrem Chef, Kollegen und Kunden als telefonisch erreichbar, während jeder vierte geschäftliche Mails im Blick behält. Die Erreichbarkeit im Urlaub scheint demnach für viele Berufstätige von großer Bedeutung zu sein. Doch warum ist das so?

Die vier Ängste der Arbeitnehmer

Dr. Bernd Slaghuis, Coach und Berater, erklärt auf seinem Blog, weshalb über zwei Drittel auch in ihrer freien Zeit die Gedanken nicht vom Job lösen können.

  1. Bloß nicht den Chef verärgern
    Slaghuis erklärt ironisch, dass man im Urlaub alles tun sollte, um den Chef nicht zu verärgern. Schließlich sei heutzutage kein Job mehr sicher. Mit den Gedanken, dass dein Chef schließlich auch durcharbeiten würde, siehst du keine andere Option als natürlich während deines Urlaubs erreichbar zu bleiben. Was würde passieren, wenn der Vorgesetzte Informationen benötigte und dich im Urlaub nicht erreicht?
    Aus der Angst heraus, den Ansprüchen des Arbeitgebers nicht zu genügen, führen viele deutsche Urlauber deshalb ihr Smartphone und ihren Laptop immer bei sich, um eine positive Basis mit ihrem Chef aufrecht zu erhalten.
  2. Stress nach dem Urlaub im Büro mit Arbeit am Strand vorbeugen
    Das Urlaubsfeeling hält mindestens noch die erste Arbeitswoche im Büro an. Für viele Berufstätige ist das leider kein Fakt. Denn die meisten benötigen eigentlich schon wieder Urlaub, wenn sie das volle E-Mail-Postfach sehen. Termine müssen gemacht werden und die Kollegen bringen einen auf den neuesten Stand der Dinge. Um die Erholung wenigstens noch ein paar Tage im Alltag zu genießen, ist es für viele sinnvoll, schon während des Urlaubs durch ein wenig Arbeit den Stress danach vorzubeugen.
  3. Ohne mich läuft nichts
    Du bist unabkömmlich für deine Firma. Denn du bist ist die Person, die die Verantwortung für bestimmte Aufgaben trägt und niemand sonst ist diesen Herausforderung richtig gewappnet. Es wird also zwangsweise passieren, dass Kolleginnen und Kollegen während deiner Urlaubszeit Fragen haben werden. Um sicherzustellen, dass während deiner Abwesenheit nichts schief läuft, ist für dich klar: Du bleibst auch im Urlaub erreichbar. So verpasst du keine wichtigen Entscheidungen und kannst dein grenzenloses Engagement demonstrieren.
  4. Will ich den Job überhaupt noch?
    Im Urlaub hat man Zeit, um über die persönliche Situation nachzudenken. So kann es passieren, dass man auf einmal beginnt, den aktuellen Job infrage zu stellen. Damit es gar nicht erst soweit kommt, vermutet Slaghuis, dass Berufstätige sich im Gegenzug lieber intensiver mit ihren Aufgaben im Job auseinandersetzen, als sich ihren Urlaub mit negativen Gedanken bezüglich ihrer eigenen Unzufriedenheit in der derzeitigen Anstellung zu vermiesen.

Schließen Urlaub und Arbeit sich wirklich aus?

Ist es denn wirklich so, dass Arbeit während des Urlaubs verteufelt werden sollte? Wenn diese beiden Begriffe in einem Zusammenhang fallen, ist die Verbindung durchaus negativ konnotiert. Denn Urlaub ist schließlich dazu da, um die Gedanken frei zu bekommen, die Sonne zu genießen, neue kulinarische Schätze zu entdecken, Zeit mit der Familie zu verbringen, Abenteuer zu erleben und die Seele baumeln zu lassen. Da hat Arbeit keinen Platz. Oder doch?

Bernd Slaghuis meint: Urlaub und Arbeit müssen sich nicht ausschließen. Er ist der Überzeugung, dass diese Entscheidung von jedem ganz individuell getroffen werden müsste. Er hebt hervor:

Vielleicht können Sie Ihren Urlaub nur echt genießen, wenn Sie sich jeden zweiten Tag 15 Minuten Zeit nehmen, um einen Blick in die neuen E-Mails zu werfen. Vielleicht gibt es Ihnen ein gutes Gefühl von Sicherheit, wenn Sie vorher Ihrem Chef erklären, dass Sie für ihn im Notfall erreichbar sind. Womöglich beruhigt es Sie, tatsächlich einen Kollegen zu haben, von dem Sie wissen, dass er sich bei Ihnen meldet, sollten Dinge geschehen, über die Sie auch gerne während Ihres Urlaubs informiert werden möchten.

Slaghuis appelliert, dass letztendlich jeder für sich selbst entscheiden müsse, was im Urlaub zur Entspannung beiträgt. Problematisch werde es aber dann, wenn die persönliche Erreichbarkeit aus einem Gefühl der Verpflichtung enstehe. So werde die Arbeit im Urlaub zur Belastung. Wer also glaubt, dass Arbeit im Urlaub wirklich zur persönlichen Entspannung beitrage, der sollte diese Angewohnheit mit der Familie oder der Urlaubsbegleitung absprechen. Dennoch sollte bei jedem Berufstätigen der Erholungsfaktor im Urlaub im Vordergrund stehen.

Arbeit im Urlaub vermeiden: Hinweise für Beschäftige

Die Diplom-Psychologin Nina Pauls gibt Hinweise für die Erreichbarkeit von Arbeitnehmern während ihres Urlaubs. Sie rät dazu, Vorgesetzte direkt zu fragen, wie viel Erreichbarkeit im Urlaub erwartet wird. In dem Zusammenhang ergänzt sie, dass Beschäftigte nach dem aktuellen Arbeitsrecht dienstliche Kommunikation während ihres Urlaub ignorieren dürfen und nicht erreichbar sein müssen. Laut der Umfrage von Bitkom beherzigen knapp ein Drittel der Deutschen diese Möglichkeit und sind in ihrem Urlaub geschäftlich komplett ausgespannt. Doch die Psychologin beruft sich auf Umfragen, die zeigen, dass dieses Verhalten für viele Berufstätige keine realistische Option darstelle. Deshalb gibt sie drei Hinweise für Angestellte.

  • Erwartungen klären: Wenn du das Gefühl hast, immer erreichbar sein zu müssen, dann kläre die gegenseitigen Erwartungen mit deinem Arbeitgeber. So könnt ihr gemeinsam eine Lösung finden, mit der ihr hoffentlich beide zufrieden seid.
  • Vertretung organisieren: Wer übernimmt deine Aufgaben während deiner Abwesenheit? Wenn du deine Aufgabenbereiche vor deiner Urlaubszeit auf Kolleginnen und Kollegen aufteilst, kannst du an deinem Urlaubsziel entspannt abschalten.
  • Distanz schaffen: Versuche dich am Feierabend und auch im Urlaub auf deine Erholung zu konzentrieren. Im Idealfall findet so wenig Arbeit wie möglich Einzug in deine Freizeit.

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