Stell dir vor, du bist damit beauftragt, deine Website zu verbessern. Du berufst ein Meeting ein und stellst fest, dass dein Team innerlich schläft.
Da mit Spaß die besten Ideen kommen, stellst du diese Frage:
„Was können wir tun, damit sich unsere User so richtig über unsere Website aufregen.“
Auf einmal sind alle hellwach und die Beiträge sprudeln nur so heraus. Du bedienst dich der Cluster-Technik und ordnest die Beiträge deines Teams auf einer Pinwand in drei große Gruppen.
- Technik, die Zorn hervorruft.
- Usability, die einen wahnsinnig macht.
- Content, der tierisch auf die Nerven geht.
Betrachten wir ein paar Ideen zum Thema „Technik“.
1. Technik, die Zorn hervorruft
„…mit Gemütlichkeit, mit Ruhe und Gemütlichkeit.“
Da dürfen die Bilder schon mal etwas länger laden, weil sie größer sind. Oder der Code ist komplett überfrachtet. Oder das Serverpaket ist sparsam und langsam. Egal, die Leute müssen warten. Im Web gibt es ja kaum Konkurrenz.
„Sollen sie halt mit der Lupe lesen und mit dem Zahnstocher navigieren“
Klar, was braucht es mobil optimierte Webseiten? Gab es doch früher auch nicht. Schließlich muss man im Web auch mal Traditionen und Bräuche schaffen.
Du sitzt im Großraumbüro und auf einmal fängt dein PC zu Singen an
Es trällert laut aus deinen Lautsprechern. Weil der User gemäß Arbeitsvertrag privat surft und auf einer Seite mit viel Werbung gelandet ist. Dort starten die Videos automatisch, sobald er mit der Maus auch nur in deren Nähe kommt.
Und jetzt die Ideen zum Thema Bedienbarkeit:
2. Usability, die einen wahnsinnig macht
Wenn es richtig schön kompliziert wird, werden viele User besonders zornig.
„Ich möchte nur intelligente User, daher darf es ruhig etwas komplizierter sein“
Setze daher alles daran, dass es deine User möglichst schwer haben.
- Mega-Menüs, bei denen ständig die Links wegblinken
- versteckte Linkziele
- Linkziele, die ins 404-Nirwana leiten
- Formular-Felder für vierstellige Postleitzahlen, die Platz für drei Zeichen bieten.
- Sisyphus-Formulare, die sich über zehn Seiten erstrecken und bei denen der User beim kleinsten Fehler von vorne anfangen darf.
„Was braucht es Kontakt-Infos“
Steht doch alles im Impressum. Das reicht doch. Besonders im mobilen Einsatz.
3. Content, der tierisch auf die Nerven geht
Auch in Sachen Content ist dein Team sehr kreativ, wenn es um ärgerliche Inhalte geht.
„Bleib inkognito“
Die Website, die große Unbekannte. Keine vernünftige „Über uns“-Seite und wenn vorhanden, dann mit me-too-Content.
„Ich lese am liebsten Kant, Hegel, Habermas & Co.“
… das mögen die Kunden meines T-Shirt-Shops auch, oder? Kompliziert und philosophisch schreiben, das ist es. Denn daran erkennen die User, dass hinter der Website Menschen mit Niveau stecken.
„Ich geh mal schnell ins Restaurant, Wirtshaus, Kneipe, Gasthaus, Schänke, Bistro, Pizzeria, Italiener, Wirtschaft, …“
Solche Texte sind gut für die Suchmaschinen. Denn Suchmaschinen brauchen sprachliche Anker, sogenannte Keywords. Die helfen den Suchmaschinen die Seite zu finden und dadurch hat deine Seite bei den Suchmaschinen ein besseres Ranking. Und wenn du bei den Suchmaschinen besser rankst, dann machst du dank der Suchmaschinen ein besseres Geschäft.
„Bilder mit Katzen, Grinsen und Shake-Hands“
Wenn du eine Business-Seite baust, dann nimm ein Bild mit einem grinsenden Chef, der seinen grinsenden Angestellten weltmännisch die Hand gibt. Denn das ist authentisch und glaubhaft.
„Buy more!“
In einem Souvenir-Shop in Hongkong kannst du Inhaber erleben, die dich bei jedem Blickkontakt grinsend auffordern: „Buy more, buy more.“ Das ist Verkaufspsychologie in Vollendung und inspirierend für viele Web-Konzepte. Bau sie ein, die Ads, die Banner, die blinken und singen. Die Pop-Ups, die dir ins Gesicht springen, wie bei einer Sahnetorten-Schlacht.
Schluss – mach jetzt das genaue Gegenteil
Jetzt gehst du her und machst es genau umgekehrt. Du baust Websites, bei denen jeder Ärger im Nu verraucht:
- Technisch einwandfreie Seiten, die schnell laden.
- Seiten, die mobil gut lesbar sind und die Content bieten, der im mobilen Kontext relevant ist.
- Navigationen, die du auch mit Fäustlingen bedienen kannst.
- interne Links, die zum Ziel führen
- Übersichtliches Design und originelle Bilder, die Geschichten erzählen.
- Relevanter Content, der angenehm lesbar ist, der informiert, berät, unterhält.
- Handlungsaufforderungen dort, wo sie der User erwartet.
Am Schluss ein hübsches Beispiel der Website einer Marketing-Berühmtheit. Hier der Screenshot von der Startseite:
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Screenshot bluemelhuber.de
Wer auf diese Seite kommt, malt automatisch lustige Graffitis in den Canvas. Probiert es mal aus. Wer als erster die Navigation findet, kriegt vom Professor eine gute Note.
Was ist euer Favorit für die schlechteste Website, bei der euch zum Lachen und zum Weinen zumute ist? Schreibt es mir in ein paar Zeilen.
Quelle: Hubspot
Kommentare aus der Community
Also, ich lese weder Kant noch Hegel noch Habermas & Co. Was sagt das nun über mich aus?
…in diesem Zusammenhang wahrscheinlich, dass du einen T-Shirt-Shop nicht mit philosophischen Produktbeschreibungen versehen würdest. Und damit machst du alles richtig :-)
Grüße
Anton
Haha! Sehr lustig geschriebener Beitrag! Und schöne Beispiele.
Zwei Seiten habe ich:
Die eine gehört dem Designer/Developer der von Euch zitierten „Marketingberühmtheit“. Da geht es ganz und gar simpel zu, weil inhaltsleer: http://www.hatsumatsu.de/
Und die andere ist Stand 2001: Die Praxis einer Heilpraktikerin bzw. eine Therapeuten: http://www.learnline-loboda.de/.
Hab sie gefunden die Navigation, war total intuitiv;)
Ich kann nur Nespresso anführen. Immer bunter, immer teurer. Aber wenn man schnell mal etwas finden und bestellen will, wirds umständlich.
Da sieht man, dass an erster Stelle die Grafik steht und nicht der user. Ich will einfach und schnell bestellen. Das übersehen die meisten Firmen und machen Seiten, die sie selber toll finden.
Das stimmt leider. Manchmal ist der einfachere Weg, der bessere.
Sehr amüsanter Beitrag, gefällt mir gut. Hab leider gerade ein Beispiel zu bieten
Schreiben muss ich da nicht viel, ich muss nur auf die Seite verweisen: Deutsches Kameramuseum –> http://www.kameramuseum.de/index.htm
Ich denke mal, da ist alles gesagt, so neunziger kann man heute nicht mehr sein ….