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Digitalpolitik
„Eine ‚Datenparanoia‘ ist unangebracht, schließlich basiert die Internetwirtschaft auf Daten“ – Thomas Jarzombek, CDU/CSU
Thomas Jarzombek, internetpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Mitglied des Bundestages, © Tobias Koch

„Eine ‚Datenparanoia‘ ist unangebracht, schließlich basiert die Internetwirtschaft auf Daten“ – Thomas Jarzombek, CDU/CSU

Anton Priebe | 03.03.16

Thomas Jarzombek, Mitglied des Bundestags CDU/CSU, spricht im Interview über die Internetwirtschaft in Deutschland, Datenschutz, Adblocker und Safe Harbor 2.

Wir sind dieses Jahr erneut Medienpartner der d3con 2016, die im März die erfolgreichsten und schlauesten Köpfe der RTA-Branche in der Hamburger Handelskammer versammelt, um gemeinsam zu diskutieren. Innerhalb der nächsten Wochen interviewen wir im Voraus einige der Speaker, um die aktuellen Trends und Top-Themen im Real-Time Advertising zu beleuchten.

Thomas Jarzombek ist internetpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Mitglied des Bundestages. Der Düsseldorfer hat sich 1996 nach dem Vordiplom in Wirtschaftswissenschaften der Heinrich-Heine-Universität selbstständig gemacht und ein IT-Unternehmen gegründet. Bis 2013 führte Jarzombek die Geschäfte des Dienstleisters, der mittelständische Unternehmen im Umkreis berät, und ist heute noch Gesellschafter. Der 42-Jährige ist seit 1991 Mitglied der CDU, wurde 2005 Landtagsabgeordneter und bei den Bundestagswahlen 2009 und 2013 direkt in den Deutschen Bundestag gewählt.

Interview mit Thomas Jarzombek, CDU/CSU

OnlineMarketing.de: Als internetpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sind Sie mit verantwortlich für die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Internetwirtschaft in Deutschland. Was würden Sie an diesen ändern, wenn Sie ganz allein entscheiden dürften?

Thomas Jarzombek: Grundsätzlich fehlt eine offene Diskussion über Daten und ihre Nutzung. Manchmal kommt es mir so vor als sei „Daten“ ein schlimmes Wort, was sofort eine Abwehrhaltung des Angesprochenen zur Folge hat. Ich möchte, dass wir darüber diskutieren wie wir die Daten nutzen können, nicht immer darüber wie man sie missbrauchen könnte. Wir brauchen ein Gesetz, um öffentliche Daten in vielen Bereichen sammeln zu können und zur Wohlfahrtssteigerung der Bevölkerung zur Verfügung zu stellen. So schaffen wir die Möglichkeiten für Gründer, auf der Vielzahl von Verkehrs-, Gesundheits- oder anderen Daten innovative Produkte und Dienstleistungen im Internet entwickeln zu können.

Wo sehen Sie im echten Leben den größten Handlungsbedarf – muss das Internet eher sicherer werden für Anwender oder eher unternehmensfreundlicher? Oder geht vielleicht auch beides?

Es muss beides gehen, beides darf nicht gegeneinander ausgespielt werden. Es ist wichtig den hohen Datenschutz gerade im öffentlichen Bereich nicht aufzuweichen. Der Erfolg des Internets und der Digitalisierung ist auch ein Erfolg des Vertrauens in die Sicherheit von Daten. Sicherheit steht an oberster Stelle. Ein Beispiel ist das IT-Sicherheitsgesetz, das die Sicherheit im Internet erhöhen soll. Am Anfang stehen hier Meldepflichten bei IT-Sicherheitsvorfällen. So kann das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik einen fundierten Lagebericht vorlegen und gleichzeitig kann die Sensibilität bei den Anwendern erhöht werden. Trotzdem sollte es keine unnötigen Barrieren z.B. für Start-ups geben. Wir brauchen Kreativität und Unternehmertum, das sich relativ frei entfalten kann, aber gleichzeitig klare Regeln, um die Nutzer zu schützen. Eine „Datenparanoia“ ist aber unangebracht, schließlich basiert die Internetwirtschaft auf Daten.

Auf der d3con werden wir Sie am 15.03. in Hamburg auf dem großen „Politik und Datenschutz Panel“ sehen. Da wird es sicher wieder um einige der großen Fragen gehen, die die deutsche Online-Marketing-Wirtschaft seit Jahren beschäftigen, beispielsweise: Der strikte Datenschutz in Deutschland macht den digitalen Werbern oft das Leben schwer, teilweise wird man sogar von Wettbewerbern bemitleidet, seinen Standort in Deutschland zu haben. Muss das so bleiben?

Nein. Es muss und wird bessere Regeln zum Verhältnis von Datenschutz und digitaler Wirtschaft geben. Wir müssen intensiv und unideologisch über die digitalisierte Wirtschaft diskutieren, nur dann entstehen sinnvolle Gesetze. Das gilt auch bei der Datenschutz-Grundverordnung, die auf europäischer Ebene verabschiedet ist, aber noch in nationales Gesetz umgesetzt werden. Nur dort, wo es technischen Freiraum gibt, können sich großartige neue Ideen entwickeln, aber das wird im Moment dadurch verhindert, dass Datenschutz zur Ideologie geworden ist. Wir brauchen beides, Freiraum für Innovationen und einen adäquaten Schutz der Daten.

Thomas Jarzombek auf dem Online-Karrieretag in Köln 2015, © Markus Paul
Thomas Jarzombek auf dem Online-Karrieretag in Köln 2015, © Markus Paul

Carsten Brosda, Beauftragter des Hamburger Senats für Medien, hat auf dem Neujahrsempfang des BVDW geäußert, dass man gegen Adblocker gegebenenfalls gesetzgeberisch vorgehen müssen, denn „man muss Inhalteproduktion auch finanzieren können.“ Wie stehen Sie dazu?

Hinter dieser Frage steht, wie sich insbesondere kostenlose Angebote im Internet auf anderem Weg finanzieren lassen. Andererseits zeigt das breite Angebot, dass es eine Nachfrage nach Werbeblockern gibt. Vielfach wird Online-Werbung nur als nervig und störend wahrgenommen.

Aber die Nutzer entscheiden selbst über die Installation und ob sie diesen gegebenenfalls für bestimmte Anbieter deaktivieren. Ich sehe daher die Lösung für die Zukunft nicht in der Gesetzgebung. Alle Beteiligten müssen sich über Prinzipien verständigen und Mechanismen entwickeln, die einen Interessenausgleich finden. Auf der anderen Seite können Anbieter von Inhalten jederzeit andere Instrumente nutzen, zum Beispiel die Sperrung von Inhalten bei aktivem Werbeblockern.

Derzeit wird ein zwischen der EU und den USA verhandelt. Wie will die deutsche beziehungsweise europäische Politik zeitnah Rechtssicherheit für den kommerziellen transatlantischen Datentransfer und ein echtes Level Playing Field schaffen, wenn nationale Sicherheitsinteressen der USA quasi immer Vorrang haben, das heißt der staatliche Zugriff auf Daten seitens US-Behörden auch außerhalb der USA gegebenenfalls weiterhin möglich sein soll?

Ich begrüße es, dass sich die Europäische Kommission und die Vereinigten Staaten am 2. Februar 2016 politisch einigen konnten. Der rechtssichere Datentransfer mit den USA hat erhebliche wirtschaftliche und politische Bedeutung. Außerdem ist es richtig, dass die Art. 29-Gruppe entschieden hat, alternative Übermittlungsinstrumente (Standardvertragsklauseln, Binding Corporate Rules) vorerst nicht auszuschließen. Die neuen Verpflichtungen für amerikanische Unternehmen, die personenbezogenen Daten von EU-Bürgern zu schützen und eine stärkere Überwachung durch das Department of Commerce und die US Federal Trade Commission sind eine Kernaussage. Außerdem konnte eine schriftliche Zusage der USA verhandelt werden, dass eine anlasslose Massenüberwachung von Daten der EU-Bürger durch US-Sicherheitsbehörden nicht stattfinde, sondern die Zugriffe klaren Beschränkungen und Kontrollmechanismen unterlägen sowie erforderlich und verhältnismäßig sein müssen. Gerade für Startups und den IT-Mittelstand, die häufig auf Serviceleistungen von IKT- und Softwareunternehmen angewiesen sind, die auf beiden Seiten des Atlantiks tätig sind, ist die Einigung eine sehr gute Nachricht.

Die Digitalwirtschaft kritisiert den jüngsten Kompromiss der Europäischen Institutionen zur Datenschutz-Grundverordnung an zahlreichen Punkten und bemängelt Überregulierung. Wie bewerten sie den erzielten Kompromiss und sehen Sie bei der Umsetzung in Deutschland noch Handlungsspielraum, wenn ja, wo?

Seit Jahren hat Europa um eine Reform des Datenschutzes gerungen. Im Dezember 2015 haben die Verhandlungen im Trilog einen Kompromiss hervorgebracht. Meiner Meinung nach überwiegen die Vorteile eines einheitlichen digitalen Datenschutzrechtes für alle 28 Mitgliedsstaaten. Die europäischen Unternehmen haben jetzt durch einheitliche Regeln die Chance einen erheblichen Teil ihres Verwaltungsaufwands herunterzufahren und Kosten zu sparen.

Natürlich kann die Datenschutz-Grundverordnung nicht alle Wünsche und Erwartungen erfüllen, an manchen Stellen hätte ich mir vielleicht ein etwas innovativeres Vorgehen gewünscht. Für mich stand im Mittelpunkt, dass die Instrumente der modernen Datenverarbeitung weiterhin möglich sind. Die Möglichkeiten von Big bzw. Smart Data müssen auch zukünftig genutzt werden können. Auch die zahlreichen Öffnungsklauseln in der Datenschutzgrundverordnung sind jetzt sinnvoll zu nutzen, darüber hinaus eine ganze Reihe von notwendigen Änderungen im sehr ausdifferenzierten deutschen Datenschutzrecht. Ich werde weiter dafür werben, dass zumindest die nationale Umsetzung der Datenschutzgrundverordnung zu innovationsfreundlich wie möglich gestaltet wird.

Vielen Dank für das Interview!


OnlineMarketing.de ist offizieller Medienpartner der d3con 2016. Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit den Event-Organisatoren entstanden. Interessierte können sich hier für die d3con anmelden. Außerdem organisiert OnlineMarketing.de die Aftershow-Veranstaltung des Events.

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