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ChatGPT stellt plötzlich selbst die Fragen – was steckt hinter dem versteckten Lernmodus?

ChatGPT stellt plötzlich selbst die Fragen – was steckt hinter dem versteckten Lernmodus?

Larissa Ceccio | 08.07.25

In ChatGPT ist ein neues Feature aufgetaucht – und plötzlich stellt die KI die Fragen. OpenAI schweigt, vieles bleibt unklar. Doch eins deutet sich an: Dieses Tool könnte verändern, wie wir in Zukunft lernen.

Einige Nutzer:innen entdecken derzeit ein Feature in ChatGPT, das nicht nur überrascht, sondern irritiert. In ihrer Tool-Auswahl erscheint plötzlich der Modus Study Together – und der verhält sich auffällig anders als gewohnt. Statt Informationen bereitzustellen, beginnt ChatGPT Fragen zu stellen. Doch warum? OpenAI selbst äußert sich nicht dazu. Das Feature wurde bislang nicht angekündigt, nicht erklärt, nicht promotet. Und doch entfaltet es schon jetzt eine Wirkung und erzielt Aufmerksamkeit in der Tech-Welt.

Während OpenAI mit Study Together die Tiefe der Nutzung erweitert, treibt das Unternehmen gleichzeitig die technische Entwicklung voran. Im Juni stellte OpenAI zwei neue Modelle vor: ChatGPT-4o, ein leistungsstärkeres und schnelleres Modell, sowie ChatGPT-4o mini, das vor allem durch Effizienz und niedrigere Kosten überzeugt.


ChatGPT erhält neues KI-Modell o3-pro:
Leistungsfähiger und günstiger

OpenAI Branding
Das neue OpenAI Branding vor Fotografie, © OpenAI


Was hinter ChatGPTs mysteriösem Lernmodus steckt

Wer Study Together aktiviert, erlebt ein spürbar anderes Dialogverhalten: ChatGPT reagiert nicht länger passiv auf Eingaben, sondern lenkt das Gespräch aktiv und fordert zum Mitdenken auf. Statt schneller Antworten gibt es also Gegenfragen, Reflexionsanreize, manchmal sogar Aufgaben. Erste Nutzer:innen berichten auf Reddit oder X, dass sie plötzlich aufgefordert wurden, Argumentationen selbst zu entwickeln – inklusive KI-Feedback zur Struktur. Genau das beschreibt auch KI-Beobachter:in RayLin auf X.

Der Modus ist bislang nur in vereinzelten ChatGPT Plus Accounts aufgetaucht. Wie viele Nutzer:innen tatsächlich Zugriff haben, ob Study Together dauerhaft bleibt oder in welcher Form OpenAI es weiterentwickeln will, ist offen. Ein offizielles Update fehlt. Laut TechCrunch äußerte sich OpenAI auf Nachfrage nicht zu Details. Auch ChatGPT selbst bleibt, auf Anfrage, vage:

OpenAI hasn’t officially announced when or if Study Together will be available to all users — or if it will require ChatGPT Plus.

Ein früher Hinweis kam vom KI-Experten Liem Do, der den Modus auf X erwähnte. Sein Beitrag sorgte prompt für Spekulationen. Könnte es sich um eine Vorstufe für KI-gestützte Gruppenformate handeln – ähnlich einer moderierten Study Group? Oder testet OpenAI hier bereits einen dialogischen Bildungs-Agent – möglicherweise als Antwort auf Googles LearnLM?

Noch wissen wir wenig. Aber genau das macht Study Together so spannend. Denn was hier gerade in kleiner Testumgebung geschieht, könnte langfristig den Umgang mit KI im Bildungsbereich neu definieren.

ChatGPT als Bildungsplattform? Nicht neu – aber neu gedacht

Dass ChatGPT längst im Bildungsbereich angekommen ist, zeigt sich nicht erst mit diesem neuen Feature. Lehrkräfte planen damit Unterrichtseinheiten, Schüler:innen nutzen es für Hausaufgabenhilfe und auch in Universitäten ist das Tool längst Teil des Alltags. Viele Student:innen lassen sich von ChatGPT Texte zusammenfassen, Recherchen strukturieren oder sogar ganze Arbeiten entwerfen.

Gerade dieser Trend sorgt zunehmend für Unbehagen bei Lehrenden – und darüber hinaus. Professor:innen berichten von einer wachsenden Schwierigkeit, eigenständige Leistungen von KI-generierten Inhalten zu unterscheiden. Einige Hochschulen sehen sich gezwungen, Prüfungsformate anzupassen oder auf klassische Klausuren zurückzugreifen. Die Kritik: Die Nutzung von KI droht den Bildungsbegriff auszuhöhlen, wenn Wissen nur noch automatisiert abgefragt und reproduziert wird. Diese Sorgen spiegeln sich auch in aktuellen Diskussionen rund um akademisches Fehlverhalten wider: Wie etwa ein Beitrag im US-Magazin Vox zeigt, sind Universitäten weltweit zunehmend damit konfrontiert, wie sie mit KI-gestütztem Schummeln umgehen – und was das für das Selbstverständnis von Bildung bedeutet. Besonders eindringlich verweist der Beitrag auf einen Essay von James Walsh, Feuilletonautor des New York Magazine, der die Auswirkungen generativer KI auf die Hochschulbildung als stillen Umbruch beschreibt – und dabei ein erschreckend plausibles Bild einer akademischen Zukunft ohne klare Urheber:innenschaft zeichnet.

Vor diesem Hintergrund wirkt der neue Study Mode wie ein bewusster Gegenentwurf zur reinen Automatisierung. Er zwingt Nutzer:innen, sich aktiv mit Inhalten auseinanderzusetzen, Fragen zu beantworten und Erklärungen selbst zu formulieren – statt sich fertige Antworten vorsetzen zu lassen. Damit öffnet OpenAI offenbar eine alternative Nutzungsperspektiv, ergänzend zu den schnellen, direkten Antworten, die weiterhin im Zentrum des ChatGPT-Erlebnisses stehen werden. Eine Entwicklung, die sowohl Schüler:innen als auch Student:innen stärker in die Verantwortung nimmt und Lehrenden neue didaktische Optionen eröffnet. Bildung wird damit wieder als Prozess verstanden, nicht als bloßes Ergebnis.

Warum Study Together zum Gamechanger werden könnte

Die Richtung, in die sich ChatGPT entwickelt, ist strategisch klug gewählt. Während OpenAI mit leistungsstärkeren, aber günstigeren Modellen wie dem ChatGPT-4o mini auf mehr Reichweite setzt, wird gleichzeitig die Tiefe der Nutzung über Modi wie Study Together erhöht. Vor allem im Bildungsbereich eröffnet das neue Potenzial:

  • Lehrende könnten strukturierte, adaptive Übungseinheiten gestalten.
  • Lernende erhalten Impulse, die über reine Wissensabfrage hinausgehen.
  • Institutionen könnten Gruppenformate mit KI-Begleitung testen.

Noch handelt es sich um eine Testphase, doch die Richtung ist eindeutig: OpenAI will zusätzliche Lernoptionen schaffen, um noch mehr Nutzungskontexte bedienen zu können.

ChatGPT stellt Fragen – und das ist gut so

Study Together taucht leise auf – ohne Ankündigung, ohne Erklärung. Und trotzdem könnte genau dieses Feature eine wichtige Rolle spielen. Denn was hier getestet wird, ist kein weiterer Mode zur Aufgabenbeschleunigung, sondern ein neuer Ansatz fürs Lernen mit KI. ChatGPT reagiert nicht nur, die KI denkt mit. Sie stellt Fragen, fordert Rückmeldungen ein und begleitet den Lernprozess aktiv. Genau das fehlt bisher oft im Umgang mit generativer KI – die zwar schnell Antworten liefert, aber selten dazu anregt, selbst zu denken.

Wie OpenAI Study Together weiterentwickelt, bleibt abzuwarten. Doch der Ansatz macht deutlich: Lernen mit KI kann mehr sein als schnelles Prompting – es kann interaktiv, individuell und fördernd gestaltet werden. Wenn ChatGPT künftig nicht nur antwortet, sondern zum Denken anregt, entsteht daraus womöglich ein verbessertes Lernangebot. Ein Schritt hin zu einer reflektierteren Nutzung von KI im Bildungskontext. Während Study Together noch ohne offizielle Ankündigung getestet wird, ist eine andere wegweisende Integration fulminant eingeführt worden: Seit Mitte Juni ist die Bildgenerierung von ChatGPT weltweit über WhatsApp verfügbar.


ChatGPT-Bildgenerierung jetzt weltweit über WhatsApp verfügbar

Drei Screenshots eines WhatsApp Chats mit ChatGPT, in dem ein Katzenfoto per Textbefehl in ein farbenfrohes Anime-Bild und anschließend mit einem neuen Hintergrund versehen wird.
© OpenAI via Canva

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