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Human Resources
Mindset wichtiger als Skillset: Über den Culture Fit im Recruiting – Interview mit celebrate-CEO Steffen Behn

Mindset wichtiger als Skillset: Über den Culture Fit im Recruiting – Interview mit celebrate-CEO Steffen Behn

Michelle Winner | 10.09.21

Die passenden Angestellten zu finden, gestaltet sich nicht immer leicht und teilweise wird bereits in der Probezeit Lebwohl gesagt. Der Culture Fit kann helfen, genau das zu verhindern. Was es damit auf sich hat, erklärt Steffen Behn von celebrate.

In Rekrutierungsprozessen kommt es darauf an, die passenden Mitarbeiter:innen zu finden. Doch was bedeutet passend? Leistungsstark sollten sie sein, Erfahrung haben, den in der Stellenausschreibung beschriebenen Anforderungen entsprechen – doch reicht das? Sind Skills und Ausbildung wichtiger als die Persönlichkeit oder das Mindset der Beweber:innen? Nein, sagt die celebrate company. Das Unternehmen, das hinter der die kartenmacherei steht, beschäftigt 350 Mitarbeitende und bietet digitale Services und Papeterie-Produkte rund um die bedeutsamsten Momente im Leben an. Viele Angestellte wurden durch den Culture Fit ausgesucht.

Doch was ist dieser Culture Fit und wieso ist er so wichtig für Recruiting-Entscheidungen? Wir haben nachgehakt bei celebrates Co-CEO Steffen Behn. Er war bereits in den Gründungsprozess von kartenmacherei involviert, stieg dort 2011 als Head of Marketing ein und wurde im Juni 2020 Co-CEO bei celebrate. Steffen steuerte seit 2016 maßgeblich die Wandlung des Unternehmens von einer klassischen Organisation zum kundenzentrierten New-Work-Pionier und prägt bis heute die innovative Unternehmenskultur. Der Culture Fit gilt als besonders innovativ, denn durch diesen kann es sein, dass selbst top ausgebildete Harvard-Absolvent:innen abgelehnt werden, wenn deren Mindset nicht mit der Unternehmenskultur einhergeht.

Das Interview

OnlineMarketing.de: Für celebrate zählt beim Recruiting der Culture Fit – was genau versteht ihr unter diesem Begriff?

Steffen Behn: Der Culture Fit ist mit der wichtigste Schritt unseres Recruiting-Prozesses. Es ist ein offenes aber intensives Gespräch, in dem es um Werte, Einstellungen und Bedürfnisse der Kandidat:innen geht. Im Culture Fit versuchen wir eine Einschätzung zu erlangen, ob die Kandidat:innen sich in unserer Kultur gut entfalten könnte. Denn wir alle wollen wachsen, brauchen aber eventuell unterschiedliche Nährböden dafür. 

Gemeinsame Werte und Vorstellungen sind die Basis jeder guten Beziehung – das gilt auch für die Arbeit. Stimmt diese Basis nicht überein, entsteht Unzufriedenheit, die beiden Seiten schadet. Das haben wir in der Vergangenheit schmerzlich gelernt: Mitarbeiter:innen, die zum Teil fachlich sehr gut waren, haben mit ihrer Denk- und Arbeitsweise zu einer hohen Dysfunktionalität in unseren Teams geführt. Wenn sich trotz Gesprächen und Coachings keine Verbesserung herbeiführen lässt, müssen wir uns trennen. Für uns steht hier das Mindset ganz klar vor dem Skillset. Wir sehen es als wichtige Aufgabe des Recruiting-Prozesses, beide Seiten vor einem Mismatch zu bewahren und diesen so früh wie möglich zu erkennen. Deswegen haben wir schon vor über fünf Jahren den Culture Fit eingeführt.

Ihr erklärt selbst, dass ihr euch viel Zeit beim Kennenlernen von Bewerber:innen lasst: Wie genau sieht der Kennenlernprozess aus? Wie testet ihr den Culture Fit?

Wir legen großen Wert darauf, dass sowohl wir als auch die Kandidat:innen am Ende des Recruiting-Prozesses alle relevanten Informationen haben, um eine möglichst fundierte und nachhaltige Entscheidung zu treffen. Deswegen investieren wir viel Zeit und Mühe in jeden einzelnen Prozess – bereits bei der Sichtung von Bewerbungen. Danach folgt ein Video-Interview mit dem Recruiting und dem fachlichen Hiring Lead. Anschließend laden wir zu einem „Rec Day“ ein – eine Video-Session, in der fachliche Fragestellungen diskutiert werden und in der die Kandidat:innen viele der Menschen kennenlernen, mit denen sie zusammenarbeiten würde. Es folgt der Culture Fit als abschließendes 1-to-1-Gespräch. Der Hiring Lead trifft dann auf Basis des Feedbacks aller am Prozess Beteiligten eine finale Entscheidung. Da wir eine „Remote First“-Company sind, findet der gesamte Prozess in der Regel remote statt.

Welche Werte und Mindsets sind euch bei Bewerber:innen am wichtigsten?

Uns sind Ehrlichkeit und Vertrauen wichtig, ebenso wie Offenheit und ein Growth Mindset. Wir sind alle mit viel Leidenschaft dabei und haben große Ambitionen – als Team. Für Ego-Trips ist bei uns kein Platz, genauso wenig für Show-Offs und Hierarchiedenken. Wir gehen offen mit Fehlern um, sind extrem transparent und haben eine sehr starke Feedback-Kultur bei celebrate. Deswegen ist gegenseitiges Vertrauen besonders wichtig. Denn es ist eine Frage des Mindsets, ob ich aus Fehlern lerne und Feedback als konstruktiven Beitrag zu meinem persönlichen Wachstum begreife. Wenn nicht, werde ich bei celebrate nicht glücklich werden. 

Wie zuverlässig ist der Culture Fit? Könnten die Bewerber:innen auch tricksen und beispielsweise Antworten geben, von denen sie denken, dass ihr sie hören wollt?

Bisher haben wir sehr gute Erfahrungen mit dem Culture Fit gemacht, aber eine hundertprozentige Sicherheit gibt es natürlich nie. Ein Recruiting-Prozess kann nur eine Momentaufnahme sein. Im Culture Fit zu tricksen, ergibt für mich überhaupt keinen Sinn. Wenn wir merken, dass Kandidat:innen versuchen, vermeintlich gewünschte Antworten zu geben, konfrontieren wir sie oder haken stärker nach. Denn im Culture Fit geht es darum, ehrlich zu sein. Was bringt es, wenn beide Seiten erst in der Probezeit merken, dass es doch nicht passt? Auch die Kandidat:innen sollten den gesamten Recruiting-Prozess nutzen, um ihre Werte mit unseren abzugleichen. Wenn man zu dem Schluss kommt, dass es nicht zusammenpasst – und das ist völlig legitim – ist es doch besser, wenn beide Seiten das bemerken, bevor falsche Entscheidungen getroffen werden. 

Wie stellt ihr als Unternehmen euch den Bewerber:innen vor, damit auch diese erkennen können, ob sie zu euch passen?

Wir schreiben und sprechen viel über die Art wie wir arbeiten und was uns wichtig ist. Die Kandidat:innen, die sich bei uns bewerben, wissen meist schon vor dem ersten Interview einiges über uns – oft sind unsere Kultur und Arbeitsweise einer der ausschlaggebenden Punkte für eine Bewerbung. Der Wunsch nach Flexibilität, Vereinbarkeit mit der Familie und Entscheidungsfreiheit ist bei vielen sehr groß. Unsere Kultur erfordert ein ungewohnt hohes Maß an Verantwortung und Selbstorganisation. Man muss sich bewusst sein, dass das auch ein sehr großer Schritt aus der Komfortzone sein kann. Damit die Kandidat:innen bestmöglich erkennen, ob sie zu uns passen, kann ich nur raten möglichst offen und ehrlich in die Gespräche zu gehen, sich nicht zu verbiegen und alle Fragen zu stellen, die auf dem Herzen liegen.  

Wieso ist der Culture Fit so wichtig für euch bei celebrate?

Bei celebrate leben wir eine stark werte- und leistungsorientierte Unternehmenskultur. Wir setzen auf Vertrauen, Transparenz und darauf, dass wir alle gemeinsam jeden Tag wachsen wollen. Das ist das Rezept, das uns als Team die größtmögliche Erfüllung bietet und uns als Unternehmen so erfolgreich macht. Aber – und das mussten wir erst einmal lernen –  nicht jeder Mensch fühlt sich in unserer Kultur wohl. Das Culture Fit hilft uns, Mismatches so gut es geht zu vermeiden. Das dient einerseits den Kandidat:innen, aber bewahrt auch unsere Kultur vor negativen Einflüssen. Denn eine Unternehmenskultur existiert nicht von selbst, sie wird von den Menschen in der Organisation geformt.

Was ratet ihr von celebrate anderen Unternehmen, die künftig bei ihren Rekrutierungsprozessen ebenfalls auf den Culture Fit setzen möchten?

Ich bin ein großer Befürworter des Culture Fit und kann es jedem Unternehmen empfehlen. Um die richtigen Fragen stellen zu können, braucht es Klarheit über die Unternehmenswerte und darüber, welche Persönlichkeiten zu der eigenen Kultur passen. Die Entwicklung des Culture Fit Interviews ist also entsprechend aufwendig. Aber in meinen Augen lohnt sich das allemal! Viele Unternehmen scheuen die Mühe und sind schneller dabei, jemanden einzustellen als wir. Man muss sich aber bewusst sein, dass diese Unternehmen sich nur vermeintlich Zeit und Geld sparen, indem sie das Culture Fit implizit in die Probezeit verlegen. Wenn es nicht passt, kann man sich ja ganz schnell wieder von den neuen Kolleg:innen trennen. Diese „Hire und Fire“-Mentalität halte ich für wenig zielführend – es ist unfair den Kandidat:innen gegenüber. Außerdem kosten übereilte Recruiting-Entscheidungen das Unternehmen am Ende mehr als ein besserer Recruiting-Prozess.


Wir bedanken uns recht herzlich bei Steffen Behn für das schriftliche Interview und die ausführlichen Einblicke in das Konzept Culture Fit und dessen Bedeutung für das Recruiting.

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