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Karrieretipps
Karriere ist nicht alles: Downshifting als Weg zum Glück

Karriere ist nicht alles: Downshifting als Weg zum Glück

Michelle Winner | 21.08.20

Einige streben den Aufstieg auf der Karriereleiter an, doch andere sehnen sich nach dem Abstieg. Downshifting kann nicht nur die Work-Life-Balance verbessern, sondern auch vor Stress und Burnout schützen.

Immer wieder wird über das Erklimmen der Karriereleiter gesprochen und Tipps dafür gegeben, wie man die nächste Sprosse erreicht. Doch tatsächlich ist die große Karriere nicht das Ziel eines jeden Arbeitnehmers. Einige entscheiden sich bewusst dagegen und schlagen tatsächlich den Weg in die Gegenrichtung ein. Downshifting ist die bewusste Entscheidung dazu, einen Job anzunehmen, der weniger Gehalt und Prestige verspricht. Doch wieso entscheiden sich Arbeitnehmer für das Downshifting und welche Vorteile kann dies haben?

Drei Gründe fürs Downshifting

Der Aufstieg die Karriereleiter ist oft mit wachsender Verantwortung und weniger Freizeit verbunden. Nicht selten kommen Arbeitnehmer mit dieser Art des Drucks nicht klar und sie werden unglücklich, weil beispielsweise das Privatleben in den Hintergrund rückt. Bei anderen führt der berufliche Aufstieg sogar an die Schwelle des Burnouts. Der Wunsch, einen Schritt zurück zu machen, ist also nicht verwunderlich, wird jedoch oft als Scheitern und Versagen empfunden. Experten wie Julia Gruhlich sehen das jedoch anders. Die Arbeitssoziologin hat zu dem wenig erforschten Thema eine qualitative Studie durchgeführt und mehr als 20 Interviews geführt. Dabei konnte sie feststellen, dass Downshifting sich nicht auf eine spezifische Gruppe begrenzt, sondern sich durch alle Altersklassen, Berufsgruppen, Positionen und Branchen zieht. Außerdem ermittelte sie die drei Hauptgründe fürs Downshifting:

1. Vereinbarung von Familie und Beruf

In der Studie stellte sich heraus, dass viele Arbeitnehmer sich aus familiären Gründen für das Downshifting entscheiden. Selbst Teilnehmer ohne Kinder haben teilweise einen Schritt zurück gemacht, weil ihnen bewusst war, dass ihre jetzige Position nicht vereinbar mit dem Familienleben ist, das sie sich vorstellen. Ende vergangenen Jahres sorgte ein bekannter Fall des Downshiftings für Aufsehen: Andreas Utermann, ehemaliger Chef von Allianz Global Investors, verzichtete auf seinen Posten als CEO, damit seine Frau wieder Vollzeit arbeiten konnte. Von einer ähnlichen Geschichte erfuhr Gruhlich im Rahmen ihrer Studie. Sie erzählt von einem Projektmanager:

Er sagte: ‚Ich habe zwei Kinder, meine Frau verdient gut und ich bin mit meinem Job zufrieden — aber das kann nicht alles gewesen sein, ich möchte mehr Zeit für die Kinder haben.‘ Er ist dann für zwei Jahre in Elternzeit gegangen und hat sich in der Zeit überlegt, dass er nicht zurück in den Job möchte, weil er nicht vereinbar ist mit dem, was er sich als Vater vorstellt. Er hat sich für Selbstständigkeit entschieden und ist Imker geworden. Die Frau ist Haupternährerin und er findet es entlastend.

2. Steigende Überlastung bis hin zum Burnout

Viele Arbeitnehmer, die sich für Downshifting entscheiden, tun dies aus Überforderung. Sie stehen an der Schwelle zum Burnout und sind überwältigt von Entscheidungsfreiheit, Flexibilität und dem damit einhergehenden Leistungsdruck. Gerade im Projektmanagement ließe sich das laut Studie beobachten. Die Position ist mit viel Verantwortung verbunden. Die Arbeit kann oft flexibel eingeteilt werden und man wird nicht 24/7 vom Chef überprüft oder angeleitet. Dafür misst sich der Erfolg jedoch an Leistung. An diesem Leistungsdruck zerbrechen viele und entscheiden sich daher zum beruflichen Rückschritt. Gruhlich erzählt von einer Projektmanagerin, die ihren Posten gegen einen Job im Callcenter getauscht hat:

[…] sie hat feste Arbeitszeiten und ist fremdgesteuert. Das, was man an diesem Job eher kritisiert, hat sie plötzlich aus dieser Perspektive heraus positiv gefunden.

3. Ethische Anforderungen an den Job werden nicht erfüllt

Berufsethische Anforderungen sind kein seltener Grund fürs Downshifting. Gemeint sind damit beispielsweise bestimmte Moralvorstellungen der Arbeitnehmer, wie die Ablehnung der puren Profitorientiertheit des Arbeitgebers. Gruhlich erklärt dazu:

Das finden einige problematisch, die hohe berufsethische Anforderungen an ihren Job haben. Sie möchten ihre Arbeit richtig gut machen, spüren aber ständig, dass es nicht funktioniert, weil der Arbeitgeber ganz andere Prioritäten setzt. Und darunter leiden sie zunehmend.

Ein Beispiel dafür aus der Studie ist die Geschichte einer Ärztin. Diese hat bereits früh während der Ausbildung festgestellt, dass die Gesundheit der Patienten nicht im Vordergrund stehe. Also brach sie das Studium ab, zog zu ihrem Freund nach China und studierte dort Medizin. Jahre später kehrte sie zurück nach Deutschland und eröffnete eine Klinik für chinesische Medizin. Dort nimmt sie nur eine begrenzte Anzahl an Patienten an, um jedem gerecht werden zu können. Außerdem arbeitet sie gerade so viel, dass es finanziell für sie ausreicht.

Gesellschaftlich verpönt und doch der richtige Weg

Wer sich fürs Downshifting entscheidet, trifft nicht immer auf Verständnis. Besonders Arbeitgeber, Kollegen und Freunde reagieren mit Unverständnis, wenn keine als „gesellschaftlich legitim betrachtete Alternative“ gewählt wird, so Gruhlich. Gemeint ist damit zum Beispiel die Kindererziehung. Doch diese Alternativrolle haben nicht viele Downshifter und so wird der Karriererückschritt schnell als unverständlich eingestuft. Natürlich ist die Reaktion abhängig von dem Umfeld, indem man sich befindet. Doch selbst wenn das Downshifting verpönt wird, ist es oft die richtige Entscheidung. Gruhlich erklärt, wieso viele ihrer Interview-Partner gestärkt aus der Geschichte hervorgehen:

Die Entscheidung machte sie handlungsmächtig: Downshifting hat ihnen geholfen, eine Grenze zu ziehen und sich selbst oft wieder zu besinnen und zu sagen: Was möchte ich im Leben? Und das in die Hand zu nehmen.

Downshifting sollte also nicht als berufliches Scheitern gesehen werden, sondern als Entscheidung für ein anderes Lebensmodell, so der Karriereexperte Frank Rechsteiner. Dieser erklärt außerdem, dass einige Jahre nach dem beruflichen Rückschritt auch wieder ein Aufstieg möglich sei – sofern dieser denn gewünscht ist. Tatsache ist, dass Downshifting facettenreich ist und nicht immer eine Kündigung bedeuten muss. Die Reduzierung der Arbeitsstunden, beispielsweise der Umstieg von Vollzeit auf Teilzeit, ist bereits als solches zu verstehen. Wem seine jetzige Position also zu viel ist, wer weniger Verantwortung tragen möchte, das Stresslevel senken und mehr Zeit ins Privatleben investieren möchte, sollte über Downshifting nachdenken. Denn der Schritt zurück kann einen Sprung nach vorne für die Lebensqualität bedeuten.

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