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Branding
Nur mit dem wahren Archetyp wird Brand Storytelling wirksam

Nur mit dem wahren Archetyp wird Brand Storytelling wirksam

Ein Gastbeitrag von Kim Christopher Birtel | 14.06.19

Lässt sich über Archetypen eine Markengeschichte entwickeln und kommunizieren, die breite Publika anspricht, dabei aber individualisiert werden kann?

In vielen Marketingabteilungen herrscht zur Zeit die Ratlosigkeit. Auf der einen Seite gibt es immer mehr Anspruchsteller, die „ihre“ Marke aktiv mitgestalten möchten und auf der anderen Seite gibt es Verantwortliche, die nach dem Zusammenhalt und Zusammenhang suchen. In diesem Spannungsfeld werden viele Methoden in die Anwendung gebracht. Nach über 15 Jahren Forschung und Entwicklung zeigt das Archetypenmodell eine potentialreiche Möglichkeit, die Sinn zu vermitteln und dabei die wahre Markengeschichte zu entwickeln hilft. Zugleich lässt sich diese Kerngeschichte individuell ausarbeiten und bleibt trotz der Heterogenität immer gleich.

Was sollte die Markengeschichte anrühren? Eine Frage der Wissenschaft

In einem Wirtschaftsumfeld gestiegener Komplexität haben sich Marketing und Wissenschaft in den letzten Jahrzehnten auf die Suche nach neuen Ansätzen gemacht. Vor allem Neurowissenschaftler haben unser Bild vom Menschen dramatisch verändert.

The difference between emotion and reason is that emotion leads to action while reason leads to conclusions,

erklärt der Neurowissenschaftler Professor Donald Calne. Die aktuellsten Erkenntnisse der Neurowissenschaft haben auch alte und bekannte Modelle der Psychologie nachträglich bestätigt und diese wieder en vogue gebracht. Sowohl Content Marketing als auch Storytelling haben ihr Revival nicht zuletzt der Hirnforschung zu verdanken. Lediglich Hollywood (und die Buchbranche) hat mit diesen Modellen schon immer gearbeitet, und damit weltweite Blockbuster produziert (z.B. Star Wars).

Heute arbeitet fast jede Organisation im anglo-amerikanischen Raum mit dem Modell des „Archetyps“. Nike verkörpert den Helden, Apple ist der Creator, Jack Daniel´s ist der Rebell, Disney ist der Magier usw. All diesen Marken gelingt es, sich mit den tiefsten Ängsten und Sehnsüchten von allen Menschen zu verzahnen und werden deshalb sofort erkannt. Sie erzählen archetypische Geschichten, die so alt sind, wie die Menschheit jung.

C.G. Jung erkannte:

Die Archetypen sind die großen entscheidenden Mächte, sie bringen die echten Ereignisse hervor, und nicht unser persönlicher Verstand und praktischer Intellekt […] Es sind ohne Zweifel die archetypischen Bilder, die das Schicksal des Menschen bestimmen.

Das Archetypenmodell des Schweizer Psychoanalytikers Carl Gustav Jung hilft uns dabei zu verstehen, wie sich Marken in uns Menschen abbilden. Jungs Theorien basieren auf der Idee, dass wir Menschen alle ein gemeinsames Unbewusstes haben. Sozusagen ein Areal in uns, das bei allen Menschen gleich ist. Die moderne Hirnforschung hat diese, fast 100 Jahre alte, Theorie bestätigt.

Betrachten wir den Grundaufbau unseres Gehirns, so erkennen wir im Wesentlichen zwei Areale. Zum einen den noch relativ neuen Bereich des Bewusstseins, der Sitz unserer Vernunft. Dieser Bereich arbeitet mit Text und Logik und ermöglicht es uns, abstrakt und mathematisch zu denken. Das Bewusstsein entstand womöglich vor ca. 280.000 Jahren. Aber erst vor ca. 40.000 Jahren begannen wir diese Kompetenz so richtig auszuspielen und schufen die Welt, in der wir heute leben. Der andere Hirnbereich ist das Unbewusste. Hier werden alle lebensnotwendigen Funktionen gesteuert. Das Unbewusste ist auch zentraler Sitz von unserem Überlebensradar und unserem emotionalen Zentrum. Hier werden Sinneseindrücke mit Gefühlen kombiniert und hormonell verarbeitet. Das Unbewusste ist vielleicht sogar 5 Millionen Jahre alt und zu 99,99 Prozent an allen Entscheidungen beteiligt.

Es sind vier zentrale Überlebensfragen, die uns alle einen

Und auf diese vier Fragen müssen und können Marken Antworten geben: Wer bin ich? Wie gelingt es mir Beziehungen herzustellen? Wie erfahre ich Schutz? Und wie komme ich ins Neue? Vermutlich arbeiten wir uns seit Millionen von Jahren an diesen Fragen ab – und wir haben standardisierte Antworten darauf gefunden. Diese Antworten beschrieb C.G. Jung als Archetypen. Einerseits, weil sie unser Überleben sichern und andererseits, weil es „Typen“ sind, die wir alle „in uns“ haben und sie alle gut kennen. Jedes Unternehmen steht im Dienste eines bestimmenden Archetyps. Scott Bedbury, einst Head of Marketing bei Nike und Starbuckse, betont in What Great Brands Do (1997):

[A] brand is a metaphorical story that […] connects with something very deep – a fundamental human appreciation of mythology […] Companies that manifest this sensibility […] invoke something very powerful.

Wie findest du den einen, wesentlichen Archetyp hinter einer Marke? Jede Marke ist eine Idee, die ein Gründer oder eine Gründerin einmal hatte. In dem Prozess der Markengestaltung hat dieser Mensch all seine Überzeugungen, Glaubensgrundsätze und Haltungen hineingelegt. Findet diese Idee seinen Erfolg, verzahnt sich der Gründer oder die Gründerin mit den Mitarbeitern und Kunden unbewusst. Doch der wesentlichen Träger dieser Idee ist nicht nur die Symbolik, sondern vor allem die Geschichte. Geschichten zu erzählen ist die älteste Kulturtechnik der Menschheit, um Wissen und Weisheit weiterzureichen.

Jeder Archetyp erzählt seine ganz eigene Geschichte

Der „Held“ lehrt uns das Scheitern und Auferstehen. Der „Souverän“ lehrt uns, in unserer Mitte zu bleiben und unser Königreich weise zu führen. Der „Verführer“ vermittelt uns die Kompetenzen der Liebe zum Leben. Das „Unschuldige Kind“ preist die Harmonie und die Verbundenheit mit dem Universum. Jedes erfolgreiche Brand Storytelling erzählt nur diese eine Weisheit auf eine sehr kreative Art und Weise. Analysiert man zum Beispiel Nike, so ist man überrascht wie einfach die Geschichte jeweils strukturiert ist. Das handwerkliche Können ist jedoch überragend. Die meisten Modelle kennen insgesamt zwölf dominante Archetypen und insgesamt sechzig Ausprägungen. Damit scheint die Möglichkeit der Erzählform begrenzt. Es handelt sich jedoch nur um eine formale Struktur. Es sind Archetypen und keine Stereotypen. So teilen sich zum Beispiel Adidas und Nike das Territorium des „Helden“ beziehungsweise die Ausprägung des „Athleten“. Der amerikanische Anbieter fokussiert aufgrund seiner eigenen Geschichte immer den Herausforderer, der eines Tages gewinnen wird. Adidas setzt stark auf den Verteidiger, der bereits gewonnen hat. Genauso verhält es sich auch mit der geschichtlichen Entwicklung der Unternehmen. Für viele Kunden scheint Nike die bessere Geschichte des „Helden“ zu erzählen. Es geht also nicht nur darum den bestimmenden Archetyp zu entdecken, sondern diesen möglichst relevant und aktuell zu repräsentieren.

„The cave you fear to enter holds the treasures you seek“ – Joseph Campbell 

Die Kunst der narrativen Struktur jeder Geschichte haben wir dem Mythenforscher Joseph Campbell und seiner Heldenreise zu verdanken. Dieser „Bauplan“ für funktionierendes Brand Storytelling findet sich hinter jedem großen Epos und diente ihm für den Erfolg von Star Wars. Die Heldenreise funktioniert vereinfachend so. Der Held einer Geschichte wird vorgestellt und muss eine Veränderung durchlaufen. Nach seiner Weigerung wird er gezwungen das Tor zur Unterwelt zu durchschreiten, durchlebt dort eine Auseinandersetzung mit dem Widersacher und steht an der Klimax vor dem absoluten Bösen. Der Held muss hier lernen alle vertrauten Strategien loszulassen, um mit den neuen Fähigkeiten zu triumphieren. Jetzt darf er oder sie den Schatz der Weisheit mitnehmen und wieder in den Alltag zurückkehren, um hier Meister oder Meisterin der zwei Welten zu sein.

Wirksames Brand Storytelling gelingt es, die Weisheit des bestimmenden Archetyps über diese narrative Struktur zu vermitteln und sich so tief in dem Unbewussten von Menschen zu verankern. Heute sind wir noch einen Schritt weiter, denn digitale und interaktive Plattformen erlauben es, Menschen zu einem Teil der Geschichte werden und diese kreativ weitererzählen zu lassen. Das kann jedoch nur funktionieren, wenn man seinen eigenen Archetyp entdeckt hat. Ansonsten erzählt man die Geschichte eines anderen Archetyps und wird einfach übersehen.

Du möchtest deinem Storytelling mehr Wucht verleihen und tief in dem Unbewussten von Menschen verankern? Dann finde deinen Archetyp und erzähle dessen Geschichte kreativ und lade Menschen ein, Teil der Geschichte zu werden. Ohne den entsprechenden Archetyp im Hintergrund wird die Markengeschichte bedeutungslos und in dem Meer an Botschaften untergehen. Wenn du diese wirkmächtige Narration gefunden hast, erzeugst du Relevanz und schaffst einen Mythos. Ein besonders gutes Beispiel hat The North Face mit diesem Film abgeliefert.

https://www.youtube.com/watch?v=gHw55K4ByOA

Der „Explorer“ ist mit der Frage „Wer bin ich?“ beschäftigt. Dieser Archetyp folgt auf den „Innocent“ und ist tief in uns verankert. Seitdem es Menschen gibt, sind wir auch mit der Suche nach dem Unbekannten beschäftigt. Wir benötigen diese Auseinandersetzung, um mehr über uns selbst zu lernen und zu verstehen. The North Face verzahnt sich mit diesem Bekenntnis mit diesem Mythos und lädt diesen neu auf. Doch es bleibt nicht nur bei diesem Film. Das Unternehmen atmet und lebt diese Bestimmung in allen Facetten.

Die Suche nach der wahren Bestimmung einer Marke ist ein sehr lohnenswerte Arbeit. So gelingt es, die zentrale Idee in die Führung zu bringen und alle Menschen dahinter zu versammeln.

Eine Kurzanleitung zur Identifikation des bestimmenden Archetyps:

  1. Beschäftige dich mit der Historie und vor allem dem Gründer des Unternehmens. Arbeite heraus, welches der genannten Themen besonders stark im Fokus stand.
  2. Lese die Beschreibungen der Archetypen und gleiche diese mit den Anekdoten und Meinungen der Mitarbeiter des Unternehmens ab.
  3. Frage dich, auf welches große gesellschaftliche Problem dieser Archetyp eine Antwort hat und formuliere daraus eine Vision von einer besseren Welt.
  4. Nimm dir die Heldenreise zur Schablone und schreibe eine einfache Kerngeschichte für die Marke.
  5. Suche nach Bildern, Symbolen und Mythen, die den Archetyp seit Jahrhunderten besonders stark ausdrücken.
  6. Entwickle daraus eine Plattform, biete die Markengeschichte an und lade Menschen dazu ein, diese Geschichte selber und persönlich weiterzuerzählen.
  7. Sei achtsam mit den Impulsen und Entwicklungen und verarbeite diese in deiner Kommunikation.
  8. Habe Spaß bei deiner Arbeit.

Kommentare aus der Community

Eddy am 17.06.2019 um 08:42 Uhr

…Archtetyp?

Antworten
Niklas Lewanczik am 17.06.2019 um 11:48 Uhr

Vielen Dank für den Hinweis,

da ist uns ein Tippfehler durchgegangen.

Beste Grüße

Antworten
Michael Bloos am 14.06.2019 um 14:09 Uhr

Grandioser Artikel! Vertständlich, einleuchtend und frisch! Chapeau!

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