Dein wichtigster Touchpoint zur Digitalbranche.
Dein wichtigster Touchpoint zur Digitalbranche.
Büroalltag
„Ich mache es nur fürs Geld“ – Darum dürfen Arbeitnehmer geldgeil sein

„Ich mache es nur fürs Geld“ – Darum dürfen Arbeitnehmer geldgeil sein

Michelle Winner | 07.03.19

Geldgeilheit ist in Deutschland verpönt. Doch wieso? Jeder hat eigene Lebensstandards und unterm Strich müssen wir alle Miete, Lebensmittel und Co. finanzieren.

Nach Geld zu streben scheint in unserer Gesellschaft extrem verpönt zu sein. Doch wieso eigentlich? Gerade die Generation der Millennials ist es, die ein entspanntes, freundschaftliches und offenes Arbeitsklima einem hohen Gehalt vorziehen. Man sucht einen Job, in dem man sich selbst verwirklichen kann. Aber arbeiten wir nicht alle auch, um Geld zu verdienen? Was ist eigentlich Selbstverwirklichung? Sich kreativ auszuleben? Viel Freizeit für Reisen, Festivals und andere Aktivitäten zu haben? Sich ein Auto oder ein Haus zu kaufen? Eine Familie zu gründen? Jedem ist selbst überlassen, wie er sich selbst verwirklicht. Doch Fakt ist: Um die meisten Punkte dieser Liste zu erfüllen, benötigt man das nötige Kleingeld. Warum Geldgeilheit also weiterhin verpönen?

„Du bist geldgeil!“ – Vorwürfe sind schnell gemacht

Gerade Menschen mit einem (scheinbar) hohen Einkommen wird der oben stehende Satz oft an den Kopf geworfen. Sei es ein Unternehmer, der in ein weiteres Business investiert, ein YouTuber, der mehrmals in seinem Video Werbung schaltet oder Placements macht oder eben jemand, der zugibt seinen Job des Geldes wegen zu machen. Doch genau das erscheint unverständlich. Was ist schlimm daran, etwas für mehr Geld zu tun, solange man niemanden übers Ohr Haut oder die eigenen Prinzipien verrät? Fakt ist, jeder Mensch definiert seine Form der Selbstverwirklichung und seine Lebenstandards selbst. Den einen reicht die Stillung der Grundbedürfnisse und sich ab und zu etwas zu gönnen. Andere setzen auf Statussymbole. In diesem Sinne sollte doch das Motto „leben und leben lassen“ greifen. Die Werte anderer zu akzeptieren ist schließlich auch eine Art von Toleranz.

Doch manchmal scheinen wir in einem gesellschaftlichen Teufelskreis festzustecken. Nehmen wir doch das Beispiel Reisen, ein wichtiger Luxus von vielen, der zu Konfrontationen zwischen zwei Parteien führt. Gruppe A braucht zum Reisen nicht viel Geld. Sie lässt sich auf das Abenteuer ein, bucht spontan vor Ort, betreibt vielleicht sogar Couch Hopping. Gruppe B hingegen ist Fan von Pauschalreisen. Sie möchte gewisse Sicherheiten und auch gewisse Standards, was Unterkunft und Verpflegung angeht. Tauschen sich die beiden Gruppen aus, entstehen oft wilde Diskussionen, die schlichtweg überflüssig sind. Denn jeder hat seine eigenen Präferenzen – so eben auch beim Lebensstandard.

Sollte man Selbstverwirklichung über Geld stellen?

Auch diese Frage lässt sich nur schwer beantworten. Hier kommt es ebenfalls auf die Standards eines jeden selbst an. Es stimmt, Geld ist nicht alles im Leben und man sollte für einen gewissen Kontostand nicht die eigene Menschlichkeit vergessen. Doch „ohne Moos nichts los“. Wir alle brauchen Geld zum Leben, jeder unterschiedlich viel. Tatsache ist, dass in den großen Ballungsgebieten schon mal 40 bis 50 Prozent des Gehalts von der Miete verschlungen werden. Und diese Personen leben nicht in Luxusvillen, sondern Ein- oder Zweiraumwohnungen. Zudem kommt hinzu, dass gerade die Generation 1980 aufwärts oft mit starken Geldproblemen zu kämpfen hat. Es beginnt mit Ausbildung oder Studium und geht im Arbeitsleben weiter mit der Abzahlung von BaföG- und Kreditschulden. Und trotzdem sind die Millennials diejenigen, die Geld eine geringere Wichtigkeit zuschreiben.

Diese Einstellung kann gefährlich sein und Menschen in wahre Existenzkrisen stürzen. Denn selbst zum Stillen der Grundbedürfnisse ist Geld unabdingbar. t3n-Redakteur Andreas Weck fasst es in seinem Artikel zu dem Thema glasklar zusammen: „Wer glaubt, dass Geld nicht wichtig ist, schaue nur mal auf die, die keines haben.“ Und manchmal muss man Jobs einfach machen, weil man auf das Geld angewiesen ist. Studenten können ein Lied davon singen. Nicht jeder von ihnen hat das Glück einen Nebenjob in der Wunschbranche zu finden und so müssen sie sich oft mit undankbareren Arbeitsfeldern über Wasser halten. Auch sie tun dies „nur für die Kohle“ und daran ist nichts verwerflich.

Zu niedriges Gehalt begleitet dich durchs gesamte Arbeitsleben

Die gesamte Thematik könnte man noch viel mehr ausweiten und zusätzlich ein paar alte Philosophen ausgraben. Doch nun einfach zu den Fakten. Das Strada Institute for the Future of Work in den USA hat festgestellt, dass diejenigen, die mit einem zu niedrigen Gehalt ins Berufsleben starten, dieses nur schwer bis gar nicht wieder aufholen können. Viele Einsteiger zieht es zu den kreativen Startups, auch wenn die Bezahlung bedeutend niedriger ist oder sie sich unter Wert verkaufen. Das ist auch an sich nicht verwerflich. Jedoch wurde Folgendes festgestellt:

Von den Uni-Absolventen, deren erste Stelle ihrer Qualifikation entsprach, waren 87 Prozent auch noch fünf Jahre später angemessen bezahlt. Für acht von zehn Personen galt das sogar noch zehn Jahre nach dem Abschluss. Bei Spätzündern sieht das anders aus: Vier von zehn Uni-Absolventen waren anfangs überqualifiziert. Bei zwei Dritteln habe sich auch fünf Jahre später nichts an dem Status geändert. Bei 75 Prozent sah das sogar zehn Jahre später noch nicht anders aus.

Um dieses Risiko zu vermindern, ist es also kein schlechter Rat, die ersten paar Jahre der Berufszeit in einem vielleicht weniger aufregenden, aber etablierten Unternehmen zu verbringen, welches ein angemessenes Gehalt zahlt. Zu sagen: „Ich mache den Job des Geldes wegen“, hat also nichts mit skrupellosem Kapitalismus zu tun, sondern mit Eigensicherung. Dies sollte ebenso respektiert werden wie die gegenteilige Entscheidung.

Risiken eingehen – aber nicht komplett unbedacht

Das Ganze soll natürlich nicht bedeuten, dass die finanzielle Sicherheit über allem stellen muss.  Manchmal ist ein Sprung in die Ungewissheit genau das, was man braucht und was einen weiter bringt – egal ob Selbstständigkeit, Jobwechsel oder Einstieg in ein Startup. Doch man sollte sich nicht direkt von Anfang an selbst Steine in den Weg legen. Besonders wenn man nach Studium und Ausbildung mit Schulden zu kämpfen hat, sollte auf ein angemessenes Gehalt geachtet werden, auch wenn dafür Traumjob oder Traumunternehmen noch etwas warten müssen. Und auch erfahrene Arbeitnehmer müssen kein schlechtes Gewissen haben, wenn sie bei der Jobsuche an erster Stelle nach der Bezahlung gehen. Die Bedeutung der bunten Scheinchen darf nicht unbedacht klein geredet werden. Und „Geldgeilheit“ kann man sich durchaus erlauben, solange man fair und sich selbst treu bleibt. Geld ist selbstverständlich nicht alles, aber ohne geht’s auch nicht.

Kommentare aus der Community

Annette am 07.03.2019 um 15:37 Uhr

Toller Artikel, danke dafür! Mich würden tatsächlich die alten Philosophen interessieren, auf die Sie hier referenzieren. Können Sie einen Anlese-Tipp geben? :-)

Antworten
Michelle Winner am 08.03.2019 um 11:19 Uhr

Hallo Annette,
es freut uns, dass dir der Artikel so gut gefallen hat!

Bei dem Teil mit den Philosophen wollte ich besonders darauf hinaus, dass es unzählige Ansätze darüber gibt, was einem im Leben Glück bringt – abgesehen vom lieben Geld.

Zum Anlesen kann ich dir definitiv Epikur als wichtigen Glücksphilosophen der Antike empfehlen und die Stoa. Aber ebenso beschäftigten sich auch Platon und Aristoteles damit, wie der Mensch glücklich werden kann.

Auch in der neueren Zeit gibt es bekannte Vertreter, die das Themengebiet behandelten, beispielsweise Kant, Mill, und Nietzsche.

Und Schlussendlich gibt es auch noch die Philosophie des Geldes von Georg Simmel.

Ich hoffe es sind ein paar interessante Anreize für dich dabei.

Liebe Grüße,

Michelle

Antworten
Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*
*

Melde dich jetzt zu unserem HR-Update an und erhalte regelmäßig spannende Artikel, Interviews und Hintergrundberichte aus dem Bereich Human Resources.