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Unternehmenskultur
Forschungsergebnis: Bewerber mit Migrationshintergrund werden benachteiligt

Forschungsergebnis: Bewerber mit Migrationshintergrund werden benachteiligt

Maja Hansen | 08.06.18

Jobanwärter mit Wurzeln in Afrika oder muslimischen Ländern leiden unter Pauschalisierung. Name und Herkunftsland sind ausschlaggebend für Jobchancen.

Menschen mit Migrationshintergrund müssen bundesweit länger als andere auf eine Jobzusage oder sogar auf eine Einladung zum Bewerbungsgespräch warten. Auch wenn es die Option gibt, sich anonym zu bewerben, nützt dies in den meisten Fällen leider nichts. Das bewies eine Studie des Wissenschaftszentrums in Berlin. Wissenschaftler haben nun im Rahmen einer Feldstudie untersucht, warum Arbeitgeber Menschen mit Migrationshintergrund benachteiligen.

Mit fiktiven Bewerbungen zum Ergebnis

Der Soziologe und Migrationsforscher Ruud Koopmans hat mit seinem Wissenschaftlerteam rund zwei Jahre knapp 6.000 Bewerbungen für eine repräsentative Datenbasis geschrieben. Diese waren zwar fiktiv, aber durchaus realitätsgetreu. Dabei wurde immer ein Schema verfolgt: Die Bewerber waren 1992 in Deutschland geboren und wollten nun nach einer Ausbildung und der ersten Berufserfahrung erstmals den Arbeitgeber wechseln. Die Forscher schickten die Bewerbungen an offene Stellen, die sie der Bundesagentur für Arbeit entnahmen. So wurden die Schreiben an offene Stellen für Köche, Hotelfachleute, Mechatroniker, medizinische Fachangestellte, Industriekauffrauen oder Verkäufer geschickt.

Die Wissenschaftler achteten bei den Anschreiben darauf, dass die Namen, Bewerbungsbilder und die Angaben darauf schließen lassen, dass die Vorfahren der Bewerber aus einem anderen Land stammten oder möglicherweise muslimischen Glaubens seien. Fakten, die eigentlich nicht ausschlaggebend für Recruiter sein sollten, um einen begabten und gut ausgebildeten Mitarbeiter zu finden, sind scheinbar doch für viele Chefs relevant.

Japan, Spanien, Schweiz und Polen sind als Herkunftsländer von Vorteil

Die Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) fand heraus, dass Bewerber, die Wurzeln in Polen, Japan, Schweiz oder Spanien hätten, keine Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt spüren würden. Ganz im Gegenteil würden diese Menschen eher einen Vorteil aus der Herkunft ihrer Vorfahren ziehen, denn sie bekamen im Schnitt sogar häufiger Einladungen zum Bewerbungsgespräch als Anwärter mit deutschem Namen. Ruud Koopman erklärt:

Wir konnten feststellen, dass Bewerber mit Vorfahren aus vielen europäischen, ostasiatischen und nordamerikanischen Ländern auf dem Arbeitsmarkt genauso behandelt werden wie Menschen ohne Migrationshintergrund.

Allerdings dürfe man die Vorteile, die diese Forschung nun für die Länder Spanien, Polen und China ergeben hat, nicht überbewerten. Anders hingegen sind die Ergebnisse der Bewerber zu bewerten, wenn diese Vorfahren aus Afrika hätten. Koopman räumt ein, dass die Personen, die aus afrikanischen oder muslimischen Ländern stammten, eindeutig von Diskriminierung betroffen seien. Auch Bewerber mit pakistanischen, dominikanischen, äthiopischen und marokkanischen Wurzeln wurden stärker diskriminiert. So erhielt nur jeder vierte, der Rückschlüsse auf eine muslimische oder afrikanische Herkunft zuließ, eine Einladung zum Bewerbungsgespräch. Im Gegensatz dazu erhielten sechs von zehn deutschen Bewerbern eine positive Rückmeldung.

Bewerber werden zu Stereotypen stigmatisiert

Die Forscher erklären ihre Ergebnisse damit, dass Personaler die Auswahl der Bewerber eher weniger auf Leistungsunterschiede stützen würden, sondern eher auf die Kultur und die damit einhergehenden Werte, die mit dieser in Verbindung gebracht wird. Koopman sagt, dass Bewerber mit Migrationshintergrund nur dann benachteiligt werden, wenn die Werte der Menschen im Herkunftsland stark von denen der Deutschen abweichen würden. Jobanwärter, die hingegen aus Ländern stammen würden, die mit der deutschen Wertekultur im Großen und Ganzen übereinstimme, würden dagegen kaum diskriminiert. Laut der Studie ist also die kulturelle Distanz der ausschlaggebende Faktor, weshalb Bewerber aus dem muslimischen oder afrikanischem Raum eher abgelehnt werden. Der Bildungsgrad spiele eher kaum bis gar nicht mit in die Entscheidung, so die Wissenschaftler.

Das Ergebnis ist erschreckend und zeigt, dass noch viel vor uns liegt, was Integration und die Bekämpfung von Vorurteilen angeht. Fakten, die nichts über die Qualität und Motivation des Bewerbers aussagen, beeinflussen dennoch die Auswahl der Personaler. Gelenkt von Stigmatisierung führt der Weg in einen diskriminierenden Bewerbungsprozess. Die Ängste der Arbeitgeber sind diffus, wie die SZ schreibt, und die Forscher weisen noch einmal darauf hin, dass jeder Potential mitbringe.

Insbesondere in Zeiten des demografischen Wandels, in denen Unternehmen händeringend nach Fachkräften und Auszubildenden suchen, sollte es aber im Interesse aller sein, das Potenzial an qualifizierten Bewerbern in Deutschland voll auszuschöpfen und allen Menschen eine faire Chance auf einen Arbeitsplatz zu geben – unabhängig davon, welchen Namen sie tragen und ob ihre Eltern einst aus einem anderen Land zugewandert sind.

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