Wie eine Armee von programmierten Robotern wirken die Botschafter von Amazon, die sich momentan auf Twitter formieren und den Ruf des Unternehmens zwanghaft verteidigen. Die Accounts haben alle den Zusatz „FC Ambassador“ in ihrem Namen und als Hintergrundbild das „Amazon Lächeln“. Die meisten Profilbilder zeigen Tiere und die einzelnen Bios sind alle gleich strukturiert: Jobtitel, Standort des Lagers, Länge des Anstellungsverhältnis, das Wort „Amazonian“ und eine Auflistung von zwei bis drei Dingen, die man mag. Das kam vielen Usern auf Twitter suspekt vor und so teilte einer von ihnen seine Beobachtung mit der Welt:
I’ve seen more believable hostage videos pic.twitter.com/lTDj5QAlJ8
— FLAMBOYANT SHOES GUY
(@bornwithatail_) 23. August 2018
Die Botschafter verteilen positive Vibes – es wirkt fast schon gruselig
Neben dem einheitlichen Aussehen der Accounts, fällt besonders auf, dass sie alle die gleiche Message zu verbreiten scheinen wollen: „Seht her, Amazon ist nicht so böse, wie ihr behauptet!“ Vor Allem antworten die Botschafter auf kritische Tweets anderer User. So verneinen sie angebliche Missstände und erklären, dass in den Lagern angenehme Temperaturen herrschten. Außerdem dürfe man immer zur Toilette gehen, bekomme ein faires Gehalt und habe ein tolles Management. Offenbar sind monotone Arbeiten und schlechte Arbeitszeiten ein Gerücht. Zumindest wenn man den Botschaftern Glauben schenken will.
Did you know that Amazon pays warehouse workers 30% more than other retailers? I feel proud to work for Amazon – they’ve taken good care of me. Much better than some of my previous employers.
— Shaye – Amazon FC Ambassador
(@AmazonFCShaye) 21. August 2018
On the contrary, we Amazon employees get paid very well.
In fact Amazon pays fulfillment center employees ~30% more than traditional retail stores. On top of that we also get full health benefits that includes dental & vision! I almost forgot to mention…we also get stocks!— Jeremy – Amazon FC Ambassador
(@AmazonFCJeremy) 18. August 2018
Aufgesetzter Optimismus gegen schlechte Arbeitsverhältnisse
Bereits seit Jahren kursieren Meldungen über die schlechten Arbeitsbedingungen bei Amazon in den Medien. Egal ob in den USA, Deutschland oder einem anderen Standort. Laut Aussage dieser Berichte sei die Arbeit körperlich anstrengend und gleichzeitig todlangweilig. Gehetzte Angestellte müssten ihren täglichen Soll erfüllen und stünden unter ständigem Druck und Beobachtung. Doch obwohl diese Berichte seit Jahren im Umlauf sind, gibt es immer wieder neue unschöne Details. Gerade deshalb wirken die Aussagen der Botschafter einfach aufgezwungen und gespielt fröhlich:
I can safely say that none of MY ideas have panned out anywhere near what Jeff Bezos has accomplished. I am more than happy, though, to continue working here, at BFI4, in WA. I receive a (more than fair) wage and work with some really good people. Making history, every day.
— Carol – Amazon FC Ambassador
(@AmazonFCCarol) 23. August 2018
I love „couch shopping!“ It’s ALMOST as much fun as being here at work in the FC. As a picker, we get to see all the unique things people purchase. It keeps the night interesting, waiting to see what is going to come across my screen next.
— Carol – Amazon FC Ambassador
(@AmazonFCCarol) 23. August 2018
Ist das der richtige Weg gegen schlechte Publicity?
Vielleicht hat Amazon seine Arbeitsbedingungen in den Lagern inzwischen verbessert. Und natürlich soll das bekannt gemacht werden. Doch diese fast schon gruseligen Amazon Botschafter sind wohl ein Schuss ins eigene Bein. Inzwischen gibt es sogar schon Fake-Accounts, die die Aktion auf die Schippe nehmen:
Phew
After a hard Day’s work there’s nothing like heading out through the anti-theft security gates to go to the bathroom before starting another hard day’s work on my second shift. So blessed y’all! Some people don’t even have one job and Lord Bezos lets me have two!
— Amy – Amazon FC Ambassador (@fc_ambassador) 24. August 2018
Nach eigener Aussage arbeiten die Botschafter übrigens freiwillig als solche. Sie bekommen dafür keine zusätzlichen Prämien und seien normale Lagerarbeiter. Amazon selbst hat dies inzwischen wiederlegt. Das Botschafteramt sei ein Vollzeitjob, der auch bezahlt werden würde. Auf Nachfrage antwortete der Liefergigant wie folgt:
FC ambassadors are employees who have experience working in our fulfilment centers. It’s important that we do a good job of educating people about the actual environment inside our fulfillment centers, and the FC ambassador program is a big part of that along with the fulfilment center tours we provide.
Die ganze Aktion wirkt aufgesetzt und lächerlich. Fraglich ist, wie lange die sogenannten Botschafter noch ihr Unwesen auf Twitter treiben werden, schließlich sind genug andere User bereits genervt. Doch vielleicht geht Amazon noch einen Schritt weiter und vergrößert seine Armee. So könnten auch im deutschsprachigem Twitter-Raum bald die frohen Botschaften aus Jeff Bezos Lagerhäusern geteilt werden. Doch wie der User FLAMBOYANT SHOES GUY es so schön formuliert hat: Es gibt selbst Geiselvideos, die glaubhafter wirken.
Kommentare aus der Community
Wieder nur eine Anti-Amazon Propaganda. Keine hat das Recht über Amazon herzuziehen, sofern er/sie keine eigene Erfahrung gesammelt hat.
Fakt ist: Amazon zählt 30% über dem jeweiligen Standort Durchschnitt…
Fakt 2 ist: die Mitarbeiter machen das Freiwillig. Was genau spricht dagegen? Zu schreiben dass das „Roboterhaft“ rüberkommt ist reine Meinungsmache. Sprechen wir doch bitte über Argumente…