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Die Renaissance des Old School Marketing

Die Renaissance des Old School Marketing

Ein Gastbeitrag von Daniel Reif | 16.04.19

Google und Facebook versprechen immer weniger organischen Traffic. Klassische Maßnahmen wie das E-Mail-Marketing sind deshalb wieder sexy, weiß SEO-Guru Rand Fishkin.

Galt Facebook früher als Schlaraffenland, um Besucher auf die eigene Website zu locken, ist die Zeit von Social Media als Traffic-Generator wohl vorbei. Auch Google wandelt sich zunehmend von der Frage- auch zur Antwortmaschine. Wie Unternehmen auf diese Veränderung reagieren sollten und welche Probleme es aktuell im Influencer Marketing gibt, darüber sprach SEO-Guru Rand Fishkin auf der Search Marketing Expo (SMX) in München.

Plattformen halten Nutzer im eigenen Universum

Übergreifend zeigt sich bei allen Marketing-Plattformen die Tendenz, die Nutzer im eigenen Universum zu halten. Seit 2016 sinkt der Traffic über Links der sozialen Plattformen wie Facebook und Twitter zu externen Seiten kontinuierlich. Wie Rand Fishkin erläuterte, werden bei Twitter zum Beispiel Tweets im Ranking herabgestuft, wenn diese ausgehende Links enthalten. Mit solchen Tweets lassen sich also weit weniger Nutzer erreichen, als mit Tweets, die keinen Link enthalten. YouTube schneidet die Vorschau von Beschreibungstexten zu Videos an der Stelle ab, an der ein externer Link erkannt wird, um einen direkten Absprung zu verhindern. Instagram bietet die Möglichkeit, ausgehende Links in Posts zu setzen, gar nicht erst. Die Tendenz ist über alle Plattformen hinweg eindeutig: Social Media ist als Traffic-Generator auf dem absteigenden Ast.

Referral Traffic nimmt bei Facebook ab, Quelle: „The Four Horsemen of the Web Marketing Apocalypse“, Rand Fishkin (SparkToro)

Auch Google arbeitet in den letzten Jahren an der Transformation von der Frage- zur Antwortmaschine. Viele Suchanfragen werden direkt in den SERPs beantwortet und führen nicht mehr zu einem Klick, der auf eine externe Website führt. Google liefert zwar weiterhin den meisten Traffic, die Tendenz ist allerdings rückläufig. Während im Mobile-Bereich der Anteil der No Click-Suchen im organischen Bereich bereits bei 54 Prozent liegt – im mobilen Bereich endet über die Hälfte der Google-Suchen also bereits ohne Klick auf eine Website –, weist der Desktop-Bereich mit 64 Prozent organischen Klicks noch bessere Zahlen auf.

No Click nimmt organischem Traffic Einiges, Quelle: „The Four Horsemen of the Web Marketing Apocalypse“, Rand Fishkin (SparkToro)

Unternehmen messen Erfolge im Influencer Marketing nicht

Im Influencer Marketing, das sich auch in Deutschland hoher Beliebtheit erfreut, scheinen viele Unternehmen den Return on Invest (ROI) ihrer Maßnahmen nicht zu messen. Rand Fishkin schilderte zur Verdeutlichung das Beispiel eines Influencers im Fashion-Segment, der von der Hälfte der Marken nach Beendigung einer Kampagne nicht nach dem messbaren Erfolg gefragt wurde.

Ein Influencer stellt dar, wie unwichtig Manchem Metriken sind, Quelle: „The Four Horsemen of the Web Marketing Apocalypse“, Rand Fishkin (SparkToro)

Eine weitere Problematik im Influencer Marketing sind steigende Zahlen von Fake Followern und Fake-Profilen bei Instagram und YouTube. Rand Fishkin kritisierte weiterhin, dass das Potential im Influencer Marketing nur unzureichend ausgeschöpft wird, da meist nur die Kanäle YouTube und Instagram beachtet werden. Weitere Kanäle wie Podcasts, Blogs, E-Mail-Newsletter oder Facebook-Gruppen werden im Influencer Marketing häufig nicht einbezogen.

Wo Influencer Marketing stattfindet, Quelle: „The Four Horsemen of the Web Marketing Apocalypse“, Rand Fishkin (SparkToro)

Die Rückkehr zum Old School Marketing

Allgemein sinkt der ROI der Web Marketing-Kanäle. Was also tun? Rand Fishkin empfiehlt, wieder zum „Old School Cool“-Marketing zurückzukehren und die eigene Website mit eigener E-Mail-Liste in das Zentrum der Marketing-Aktivitäten zu stellen. Zehn neue Abonnenten des E-Mail-Newsletters oder Besucher der Website sind für ihn relevanter als 10.000 neue Follower auf Social Media. In der SEO rät Rand Fishkin dazu, nicht mehr rein nach Suchvolumen zu optimieren, sondern sich an den zu erreichenden Klicks zu orientieren. Longtail-Suchanfragen bieten in diesem Fall auch das bessere Potential, da sie meist nicht über Direkt Answers von Google abgedeckt werden.

Zahlreiche Suchanfragen erhalten vergleichsweise wenige Suchen pro Monat (mit einem Klick aufs Bild gelangst du zur größeren Ansicht), Quelle: „The Four Horsemen of the Web Marketing Apocalypse“, Rand Fishkin (SparkToro)

Für das Content-Marketing, PR und Anzeigen empfiehlt Rand Fishkin die Schaffung eines Marketing-Schwungrads. Anfänglich muss mehr Zeit investiert werden, da nicht alle Maßnahmen sofort erfolgreich sein werden. Im Laufe der Zeit entwickeln sich die Marketing-Maßnahmen des Kanals dann zum Selbstläufer. Folgend das Beispiel des Schwungrads im Content-Marketing:

Das Content Marketing Flywheel, Quelle: „The Four Horsemen of the Web Marketing Apocalypse“, Rand Fishkin (SparkToro)

Zusammenfassend rät Rand Fishkin dazu, zunächst den organischen Traffic und die eigene Marke zu optimieren. Im nächsten Schritt sollte die Optimierung der Anzeigen und der Conversion Rate folgen. Bei allen Aktivitäten sollte der Nutzer im Vordergrund stehen, auch bei der Auswahl des passenden Social Media-Kanals für die Zielgruppe.

Im digitalen Zeitalter droht die Kundenentfremdung

Die Fokussierung auf den Nutzer empfahl auch Karl Gilis am zweiten SMX-Tag in seiner Keynote des Tages zu Überlebensstrategien in der neuen Ära der Digitalisierung. Er erinnerte an Unternehmen wie Kodak, die aufgrund der fehlenden Ausrichtung auf ihre Kunden vom Markt verschwunden sind, da Marketing-Maßnahmen an der Zielgruppe vorbei geplant wurden. Die Unternehmen hatten die persönliche Bindung zu ihren Kunden verloren. Die heutige Digitalisierung kann den Prozess der Kundenentfremdung rasant beschleunigen, wenn keine konsequente Ausrichtung der Website und der Marketing-Maßnahmen auf den Kunden erfolgt.

Kundenentfremdung: Warum Kunden abspringen, Quelle: „Wenn die Technologie unser Leben bestimmt – Überlebensstrategien für eine neue Ära“, Karl Gilis (AGConsult)

Auch die automatisierte Personalisierung von Websites kann am Kunden vorbei laufen, wenn die Personalisierung nicht optimal gelöst wird.

Eine personalisierte schlechte Erfahrung, Quelle: „Wenn die Technologie unser Leben bestimmt – Überlebensstrategien für eine neue Ära“, Karl Gilis (AGConsult)

Wie kommt es zu Fehlentwicklungen bei der Website-Personalisierung? Laut Karl Gilis werden bei Kundenbefragungen häufig die falschen Fragen gestellt, welche die wirklichen Bedürfnisse der Nutzer nicht berücksichtigen. Auf Basis dieser Kundenbefragungen werden dann Websites umgesetzt, die den Nutzer nicht emotional erreichen. Wichtig ist also, am Anfang des Prozesses die richtigen Fragen zu stellen.

Ähnliche Entwicklungen zeigte Karl Gilis bei Google Ads-Anzeigen auf, die meist im Anzeigentext nicht den suchenden Nutzer direkt ansprechen, sondern stattdessen Informationen zum Hersteller oder zum Produkt kommunizieren. Der Nutzer sollte immer direkt angesprochen werden, dies wird zum Beispiel von Booking.com gut gelöst. Das Fazit von Karl Gilis:

Give them what they want and you’ll get what you want.

Best Practice bei Booking.com (mit einem Klick aufs Bild gelangst du zur größeren Ansicht), Quelle: „Wenn die Technologie unser Leben bestimmt – Überlebensstrategien für eine neue Ära“, Karl Gilis (AGConsult)

Standard-Themen und Newcomer: Fazit zur SMX 2019

Bereits länger bekannte Thematiken rund um Machine Learning und Content-Automatisierung wurden auch in diesem Jahr in diversen Sessions auf der SMX behandelt. Standard-Themen wie Website-Migration, Mobile-Optimierung und Usability bleiben weiterhin auf der Agenda. Auffällig ist die weiterhin starke Google-Zentrierung der Branche, obwohl Google nachweislich immer weniger Traffic liefert. Allerdings bleibt das Unternehmen in Sachen Suche so oder so der unangefochtene Platzhirsch. Automatisierung, Prozessoptimierung und Datenanalyse sind im Search-Marketing Pflichtthemen, die zunehmend wettbewerbsentscheidend werden. Letztlich sollten aber alle Marketing-Maßnahmen vor allem am Nutzer ausgerichtet werden und messbar sein, dann klappt es auch mit dem ROI.

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