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Reverse Recruiting: Der erste Eindruck zählt – auch aus Bewerbersicht

Reverse Recruiting: Der erste Eindruck zählt – auch aus Bewerbersicht

Mirijam Franke | 24.08.18

Im Zuge des Fachkräftemangels findet auf dem Arbeitsmarkt aktuell ein Umdenken statt. Plötzlich müssen sich Unternehmen bei Arbeitnehmern bewerben. Aber wie?

Bei den Begriffen Bewerbung oder Vorstellungsgespräch liefen bislang eher Arbeitssuchenden Schweißperlen über die Stirn. Auf Stellenausschreibungen gab es oft dutzende bis hunderte Bewerbungen und die Kandidaten lieferten sich einen harten Konkurrenzkampf. Mittlerweile haben sich diese Zustände in vielen Branchen um 180 Grad gewandelt. Auf öffentliche Stellenanzeigen herrscht gähnende Leere im Briefkasten und selbst attraktive Gehälter, flexible Arbeitszeiten oder andere Argumente im Rahmen des Employer Brandings können die begehrten Fachkräfte längst nicht mehr ausreichend begeistern. Arbeitgeber müssen also grundlegend umdenken. Genau genommen sind sie es zukünftig, welche sich bei den Arbeitnehmern bewerben müssen, erklärt Andreas Weck auf t3n.de. Der erste Eindruck spielt dabei eine entscheidende Rolle. Doch eins nach dem anderen.

Reverse Recruiting als Trend von morgen in der Personalbeschaffung

Fakt ist: Der Fachkräftemangel ist ein dauerhaftes Problem und wird nicht nur in Zukunft bleiben, sondern sich weiter ausdehnen. Immer mehr Branchen sowie Unternehmen werden also von einem Mangel an ausreichend qualifizierten Nachwuchskräften betroffen sein und müssen sich dementsprechend neue Strategien in der Personalbeschaffung einfallen lassen. Wo die Bewerber nicht mehr zum Unternehmen kommen, wird der Spieß in diesem Zuge kurzerhand umgedreht. Active Sourcing befindet sich im Aufschwung und immer mehr Arbeitgeber suchen gezielt – sei es mittels Headhunter oder auf eigene Faust – nach geeigneten Arbeitnehmern, um diese persönlich an- beziehungsweise von der Konkurrenz abzuwerben. Ein vielversprechendes Modell mit hoher Erfolgsquote; jedenfalls deutlich höher als die Schaltung klassischer Stellenanzeigen. Doch die Entwicklung geht noch weiter. Viele HR-Experten sind sich einig: Die Zukunft in der Personalbeschaffung heißt „Reverse Recruiting“.

Warum und wie sich der Arbeitgeber beim Arbeitnehmer bewirbt

Beim sogenannten Reverse Recruiting geht es um eine Sonderform der Direktansprache. Hierbei bewirbt sich der Arbeitgeber beim Arbeitnehmer um ein Vorstellungsgespräch zum beidseitigen Kennenlernen. Das Active Sourcing kann sowohl digital (beispielsweise über Karrierenetzwerke wie XING oder LinkedIn) als auch persönlich (auf Messen, Kongressen & Co) stattfinden. Noch wird das Reverse Recruiting vor allem in der IT, in Ingenieur- sowie sozialen Berufen ausgeübt, wo es an Fachkräften fehlt. Schon bald könnte die Strategie aber flächendeckend auch andere Branchen sowie Berufe betreffen. Denn ihr Erfolg spricht für sich: Der Arbeitgeber schreibt anstelle einer Stellenanzeige eine Art Bewerbung. In der Regel nutzt er dafür spezielle Portale, welche sich auf das Reverse Recruiting spezialisiert haben. Wechselwillige oder arbeitssuchende Kandidaten können dort ein Profil anlegen und somit direkt von den Unternehmen gefunden sowie angeschrieben werden. Sind sie nach dem ersten Austausch von Informationen zu einem Vorstellungsgespräch bereit, kommt es zu einem persönlichen Kennenlernen. Nur, dass sich in diesem Fall eher der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vorstellt und nicht umgekehrt.

Reverse Recruiting ist Teil der Employer Branding Strategie

Das Reverse Recruiting basiert demnach auf der Employer Branding Strategie des betreffenden Unternehmens. Es geht darum, dem Arbeitnehmer einen attraktiven Arbeitsplatz zu versprechen. Ihm wird also ein Angebot offeriert, welches er bestenfalls nicht ablehnen kann. Diese Versprechungen müssen anschließend aber auch gehalten werden, verrät Andreas Weck und zitiert eine Studie aus dem Hause Robert Half. Demnach brauchen die Interessenten beim Bewerbungsgespräch nur rund fünf Minuten, um sich für oder gegen den betreffenden Arbeitgeber zu entscheiden. Doch selbst, wer mit dem ersten Eindruck überzeugt, sollte sich seiner Sache noch nicht zu sicher sein.

Versprechungen müssen mit der Realität übereinstimmen

Wer dem Kandidaten also von einem Arbeitsplatz am Fenster mit wunderbarem Blick in die Natur berichtet, darf ihn nicht in einer stinkenden Ecke der Großstadt empfangen. Und wenn ein Unternehmen mit seinem jugendlichen Image überzeugen möchte, sollte das Vorstellungsgespräch nicht steif, im Anzug und per „Sie“ geführt werden. Es geht also darum, beim Reverse Recruiting Versprechungen gemäß dem hauseigenen Employer Branding zu machen und diesen Eindruck im Rahmen des persönlichen Kennenlernens zu festigen. Wer hingegen viel verspricht und den Kandidaten bereits auf den ersten Blick enttäuscht, hat kaum noch eine Chance auf die Rekrutierung des Talents. Die Arbeitsmarktstudie des Personaldienstleisters im DACH-Raum Robert Half befragte 1.000 Arbeitnehmerinnen sowie Arbeitnehmer und kam dabei noch zu weiteren überraschenden Ergebnissen:

  • Rund 16 Prozent der High Potentials entscheiden sich bereits in den ersten fünf Minuten eines Vorstellungsgesprächs für oder gegen den betreffenden Arbeitgeber.
  • Etwa 75 Prozent fällen ihre Entscheidung zumindest nach dem ersten Kennenlernen.
  • Nur etwa jeder Dritte bevorzugt noch ein zweites oder drittes Aufeinandertreffen, um das Unternehmen besser kennenzulernen.

Und noch eine weitere Lektion können die Arbeitgeber aus den Studienergebnissen lernen: Wer nicht authentisch ist, wird vielleicht Fachkräfte gewinnen, nicht aber langfristig halten können. Werden die Erwartungen der neuen Arbeitnehmer nämlich nach Arbeitsantritt im Unternehmen enttäuscht, kündigen viele bereits wieder nach nur einem Monat. Ein professionelles Onboarding sowie ein realistisches Abbild der Unternehmenskultur im Vorfeld sind für die Mitarbeiterbindung somit essentiell.

Also ja, der erste Eindruck ist im Vorstellungsgespräch aus Bewerbersicht entscheidend. Aber nein, er kann nicht alleine über den Erfolg oder Misserfolg der Personalgewinnungs- sowie Mitarbeiterbindungsstrategie entscheiden. Du siehst: Erfolgreiches HR-Management ist tatsächlich in den letzten Jahren deutlich komplexer geworden – Tendenz steigend.

Was hältst du vom Reverse Recruiting? Wie wird sich die Personalbeschaffung deiner Meinung nach zukünftig verändern? Und anhand welcher Kriterien entscheidest du als Fachkraft dich für oder gegen einen Arbeitgeber? Vielen Dank für deinen Kommentar!

Kommentare aus der Community

4scotty am 11.10.2018 um 16:38 Uhr

Ich plädiere eher für den Namen „Reverse Application“ für diesen Ansatz. Denn heißt Reserve Recruiting nicht eher man setzt Mitarbeiter frei, also Recruiting andersrum?! Sorry für die Haarspalterei :-)

Antworten
Niklas Lewanczik am 12.10.2018 um 08:11 Uhr

Hallo 4scotty,

eine ganz richtige Bemerkung. Tatsächlich würde dieser Terminus wohl eher den Kern der Sache treffen. Vermutlich spielt beim Reverse Recruiting für die Bezeichnung aber eine Rolle, dass das Recruiting selbst als grundlegende Kategorie einen hohen Wiedererkennungswert hat. Inzwischen ist dieses Konzept auch schon ein Begriff.
Dennoch ist es genau genommen richtig, dass die Arbeitnehmer ja keine Unternehmen rekrutieren, sondern dass sich Unternehmen eher bei Arbeitnehmern bewerben.

Danke für den Hinweis und beste Grüße.

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