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Social Media Marketing
Verlust der Kernkompetenz – Folgen von zu festen Vorgaben im Influencer Marketing
Fehlgeleitete Influencer Kampagnen, die zur Lachnummer wurden. Der Fehler liegt häufig bei den Unternehmen, die falsche Vorstellungen von der Disziplin haben.

Verlust der Kernkompetenz – Folgen von zu festen Vorgaben im Influencer Marketing

Tina Bauer | 28.02.18

Francis Trapp, Brandnew, und Toan Nguyen, Jung von Matt/sports, sprechen im Interview unter anderem über die größten Fehler, die Unternehmen beim Einsatz von Influencern machen und wie sie diese umgehen können.

Influencer Marketing bekommt im Marketing Mix vieler Unternehmen weltweit immer mehr Gewicht. Die steigende Popularität bringt mehr und mehr Influencer auf den Markt und ein wachsender Anteil an Unternehmen möchte ebenfalls auf den Zug aufspringen. Doch dabei kann allerhand schiefgehen, wie einige Kampagnen jüngst bewiesen haben. Setzen Unternehmen sich mit dem Influencer Marketing nicht richtig auseinander, kann dies am Ende zu einem Imageverlust auf beiden Seiten führen.

Francis Trapp, Gründer von brandnew.io,und Toan Nguyen, Partner bei Jung von Matt/sports, beschäftigen sich eingehend mit der Thematik des Influencer Marketing und haben bereits zwei Studien zum Thema veröffentlicht. Darin haben sie tiefe Blicke hinter die Kulissen der Disziplin geworfen, und Gemeinsamkeiten sowie Geheimnisse von Top-Influencern und deren Selbstwahrnehmung untersucht. Mit uns haben die beiden über ihre Erkenntnisse gesprochen und erläutern im Interview, woran es meist scheitert und wie Unternehmen stattdessen erfolgreiche Influencer Kampagnen aufsetzen können.

Weg von strikten Vorgaben, Influencer an die Marke binden und ihnen gleichzeitig Freiheiten lassen

OnlineMarketing.de: Ihr habt in eurer ersten Influencer Studie jeden einzelnen Post von 700 Influencern innerhalb von zwei Jahren analysiert. Was hat euch dabei am meisten überrascht?

Francis: Dass es keinen negativen Einfluss hat, wenn Instagram Posts als Werbung gekennzeichnet sind. Wenn zum Beispiel #ad, #sponsored, #spon oder #sp verwendet wurde, war das Engagement signifikant höher, als wenn keine Kennzeichnung als Werbung erfolgte.

Wie können Brands bei der Auswahl für Kampagnen am besten herausfinden, ob der Influencer ehrliche Arbeit leistet und nicht irgendeine Art von Fraud betreibt?

Francis: Bei der Arbeit mit Influencern geht es nicht mehr nur darum einen berühmten Instagrammer zu bitten ein Foto zu senden und eine vorgeschriebene Caption reinzukopieren. Idealerweise sind Marke und Influencer vor der Veröffentlichung im Austausch. Ehrliche Influencer haben ein Interesse daran, ihre Erfahrung in die Zusammenarbeit mit der Marke einfließen zu lassen. Es geht also um den persönlichen Kontakt mit dem Influencer. Außerdem kann man auf entsprechenden Plattformen anhand von Daten, Ratings und Kennzahlen bewerten, inwieweit der Influencer zur eigenen Marke passt.

Wie schützt man sich im Generellen vor Fake Influencern?

Francis: Indem man sich in die Materie einarbeitet und Zeit damit verbringt für die eigene Marke passende Influencer zu finden. In welchen Themenwelten der Influencer kann ich mir meine Marke vorstellen? Welche Influencer veröffentlichen Inhalte zu meiner Marke oder zu Wettbewerbern? Zeigt der Influencer ständig verschiedenste Produkte? Ist das glaubwürdig? Hat der Influencer seine eigene Linie? Passt das, was der Influencer macht zu meiner Marke? Wirkt das auf mich selbst authentisch?

Eine Vielzahl von Influencern kann man auch über Analyse-Plattformen finden und kontaktieren. Man kann etwa bei Brandnew leicht in die sozialen Profile der Influencer abtauchen, aber auch anhand von Daten, wie z.B. dem Audience Credibility Score, erkennen, wie echt der Influencer ist.

Was sind derzeit die wichtigsten KPI und warum ist das Engagement nicht mehr aussagekräftig?

Francis: Die wichtigsten KPIs im Influencer Marketing sind immer auch von der eigenen Zielsetzung der Marke abhängig. So können Reichweite, Umsatz, Engagement aber auch Content wichtige KPIs sein. Es wird oft unterschätzt, wie qualitativ hochwertig Influencer Content ist. Die Videos und Bilder der Influencer können für Marken ein mögliches Content Problem lösen, wenn Marken selbst nicht genügend gute Inhalte haben.

Influencer versus Micro Influencer: Wer kann es besser und warum?

Toan: Ich halte pauschale Generalisierungen für nicht so sinnvoll, vor allem weil sich Influencer-Marketing immer im Wandel bewegt. Durch die Kennzeichnungspflicht wird jeder gesponserte Post sofort ersichtlich – egal ob man nun 10.000 oder eine Million Follower hat. Der entscheidende Unterschied besteht darin, wer das Sponsoring so glaubwürdig transportieren kann, dass es die Follower anspricht. Aus dieser Sicht sind Micro-Influencer spannend, wenn sie ein spezifisches Themenfeld besetzen, das von einer spitzen und homogenen Followerschaft geprägt ist. Betrachtet man im Gegensatz die 1,4 Millionen Follower von Pamela Reif, hat man einen bunten Mix aus 72 Nationen mit riesiger Bandbreite an Interessen. Das Risiko von Streuverlusten ist groß. Ob Micro- oder Top-Influencer, am Ende geht es nicht um Quantität, sondern Qualität.

Was machen Agenturen und Unternehmen immer noch falsch beim Influencer Marketing und wie könnte man das einfach ändern?

Toan: Es gibt zwei Extreme: Manche Unternehmen haben ein vorgefestigtes Bild vor Augen, wie die Kampagne am Ende aussehen soll. Dadurch geben sie den Influencern strikte Vorgaben und bemängeln im Nachhinein, wenn etwas anders ist als geplant. Sie rauben den Influencern ihre Freiheit, die Kampagne nach eigener Phantasie und Expertise umzusetzen. Die Folge eines solchen Diktats ist meist schlechter Output und sinkende Authentizität – für Influencer und Marke.
Das andere Extrem bilden Unternehmen, die gar keinen Korridor vorgeben. Die wundern sich am Ende, wenn es überhaupt nicht markenkonform ist! Sie vernachlässigen, Influencer in ihre Markenwelt einzuführen. Unsere zweite Studie hat gezeigt: Man muss Influencern vertrauen und eher in wechselseitigen Beziehungen statt schnellen One-Night-Stands denken.

In letzter Zeit sieht man immer öfter Influencer, die ziemlich unambitioniert arbeiten (siehe Perlen des Influencer Marketings). Wie kommt sowas und wie lässt sich das verhindern?

Toan: Das sind unter anderem genau die Ergebnisse, die sich auf die strengen Guidelines der Unternehmen zurückführen lassen. Produkte sollen so auffällig wie möglich platziert werden, Texte auf jedes einzelne Wort hin abgestimmt sein. Viele Influencer befolgen dann einfach die Anweisungen, ohne ihre stärkste Kompetenz – die visuelle Sprache des Social Webs – miteinzubringen. They just want to get the job done. So entsteht weder persönliche Bindung zu der Marke noch Kreativität und das Resultat mündet in Lieblosigkeit.

Verhindern lassen sich solche Ergebnisse einerseits durch eine vertrauensvollere Einstellung der Unternehmen. Influencer kennen ihre Fans am besten, wissen am besten, was gut performed und was nicht. Andererseits liegt der Ball auch bei den Influencern, Kooperationen nur einzugehen, wenn das Produkt wirklich die eigenen Interessen und Ansprüche erfüllt und ehrlich beworben werden kann. Regelmäßig betonen Influencer, wie wichtig es für sie ist, nur mit Marken zu arbeiten, die sie auch wirklich gut finden. Die Wahrheit sieht dann doch manchmal anders aus.

Wie ist eure Meinung zu der letzten Milka Kampagne? Zu platt oder genau richtig?

Toan: Wir äußern uns im Regelfall nicht konkret zu der Arbeit anderer. Ich persönlich habe es beim ersten, zweiten und dritten Mal Angucken nicht sofort verstanden – aber naja: das muss nichts heißen. Wenn ich immer alles verstehen würde, hätte ich keine Studie gemacht. ☺

Mega, hier wurden genau die richtigen Markenbotschafter für eine realistisch wirkende Kampagen gewählt.

Performance oder Branding?

Francis: Branding.

Überschätzen sich viele Influencer bei der Preisfindung? Welche Faktoren zählen bei der Preisfindung?

Francis: Es gibt klar den Trend inflationärer Preisentwicklung in den letzten Jahren. Marken müssen aber auch wissen, dass der Aufbau von einem reichweitenstarken Profil die Influencer sehr viel Arbeit über mehrere Jahre bedeutet. Von nichts kommt nichts und daher haben Influencer auch ihren Preis. Grundsätzlich sehen wir in den Daten von Brandnew, dass die einflussreichsten Faktoren beim Preis Reichweite, soziales Netzwerk, Land des Influencers und Aufwand für die Content-Erstellung sind.

Wo seht ihr das Influencer Marketing in 3 Jahren?

Francis: Influencer Marketing wird in 3 Jahren ein fester Bestandteil im Marketing Mix sein. Marken werden eine Gruppe von Influencern haben, mit denen sie über einen längeren Zeitraum von mehreren Monaten immer wieder arbeiten. Die sozialen Netzwerke selbst werden Influencer Marketing integrieren, z.B. mit paid Posts oder mehr Influencer Analytics, die auch für Dritte zugänglich sind.

Danke euch beiden für das Interview!


Die Studien von Jung von Matt/sports und Brandnew findet ihr hier: 

Behind The Hype: Gemeinsamkeiten & Geheimnisse von Top-Influencern (2017)

Was Influencer heimlich bewegt und antreibt (2018)

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