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Technologie
Algorithmen meistern und Emotionen wecken – Lehren vom New Marketing Tech Summit

Algorithmen meistern und Emotionen wecken – Lehren vom New Marketing Tech Summit

Anton Priebe | 08.11.18

Die Konferenz beleuchtet Trendthemen in MarTech und AdTech. Ihr gelingt auch der Schritt zurück und der Fokus auf das Wesentliche im Marketing.

Das Marketing von heute ist technologiegetrieben und entwickelt sich permanent weiter. Der New Marketing Tech Summit in Hamburg gibt den Teilnehmern bereits zum zweiten Mal einen Überblick über den Markt und diskutiert aktuelle Themen in der Szene.

Algorithmen und Künstliche Intelligenz bei OTTO

Ob Facebook-Werbung, Google Ads oder Displaykampagnen – Online Marketing basiert fast immer auf starken Algorithmen. Kerstin Pape, Leiterin Online Marketing bei OTTO verrät, dass ihr Unternehmen seit ein paar Jahren alles inhouse managt, was irgendwie machbar ist. Dazu sind eigene Algorithmen nötig, die das Online Marketing steuern. OTTO hat den Hype um Künstliche Intelligenz ernst genommen und strategisch eingebunden. Den Luxus eines zehnköpfigen Teams, das Online Marketing-Tools entwickelt, in Kombination mit zwei BI-Teams, die sich auf Algorithmen konzentrieren, hat allerdings auch nicht jeder. Der Log-In auf der Website bzw. in der App hilft hier sicherlich auch ungemein.

So wird beispielsweise das Thema RTA-Display inklusive Retargeting komplett im eigenen Unternehmen abgewickelt. Dies erlaubt ein sehr viel feineres Managen der Kampagnen als es die großen Player anbieten. Darüber hinaus muss OTTO seine CRM-Daten mit niemandem teilen – einer der Hauptgründe für diese Inhouse-Strategie. Auch SEA ist bei OTTO voll automatisiert. Das Erstellen und die Verwaltung der Search-Accounts, die Kontenstruktur, die Generierung von Texten, die Keyword-Klassifizierung und das Bidding – alles wird von eigenen Algorithmen übernommen. Künstliche Intelligenz findet sich sonst noch in Voice Bots, Produktempfehlungen, Verwaltung von Kundenbewertungen, Bilderkennung, Ertragsprognosen für Display und Vorhersagen für Verkäufe.

Die Fokussierung auf KI hat auch die Jobprofile bei OTTO verändert. Andere Kompetenzen stehen nun im Vordergrund. Beispielsweise werden heute eher Allrounder gesucht, die sich mit den verschiedenen Werbeökosystemen (Facebook, Google etc.) gut auskennen und BI im Self-Service lernen. Der moderne Online Marketing Manager muss sich eben selbst seine Daten besorgen können.

Der New Marketing Tech Summit fand im Hamburger Mojo Club unter der Erde statt.

Wenn es nach János Moldvay von Adtriba geht, müsste Pape eigentlich von Machine Learning sprechen. Die ganze Digitalszene redet seit Jahren von Künstlicher Intelligenz. Dabei sind die Begriffe klar voneinander getrennt. Das, was bei vielen Unternehmen unter der Haube steckt, ist zweifelsfrei intelligent, basiert aber auf Machine Learning. Moldvay gibt jedoch zu, dass er „auf der Welle mitschwimmt“. Adtriba hat sich auf präzise Attribution spezialisiert – mithilfe von „Künstlicher Intelligenz“.

Viele Unternehmen ohne Datenstrategie

Die Arbeitsgrundlage von Algorithmen bilden Daten. Die meisten Unternehmen tun sich jedoch bei der Entwicklung einer vernünftigen Strategie für deren Verwendung schwer, weiß Ex-Googler Jürgen Galler, jetzt Mitgründer bei der 1plusX AG.

Die Eckpunkte jeder Datenstrategie lauten:

  • Ziel: Was will ich erreichen und wie will ich das messen?
  • Ressourcen: Welche verfügbaren Daten gibt es und welche muss ich beschaffen?
  • Vorgehen: Möchte ich Daten sammeln bzw. kaufen oder berechnen?
  • Infrastruktur: Welche Technologie verwende ich und wie sieht das mit Integrationen aus?

Diese elementaren Punkte scheinen selbstverständlich, werden aber viel zu oft falsch angegangen. Galler berichtet von Managern, die zu ihm kommen, und der Überzeugung sind, dass sie unbedingt eine DMP brauchen. Bei der Nachfrage, was man damit erreichen wolle, lautet die Antwort: „Das Marketing verbessern.“ Das ist aber kein klares Ziel und kann keinesfalls als strategische Grundlage dienen. Hier herrscht Nachholbedarf.

Die Deutsche Post weist darauf hin, dass Menschen nicht überwiegend digital sind – das vergessen viele angesichts der technologischen Entwicklungen immer wieder.

Die Deutsche Post macht hingegen auf einen oft vergessenen Punkt auf Marketingkonferenzen aufmerksam: der Mensch ist nicht rein digital. Der Großteil des Lebens findet immer noch offline statt. In Dialogmarketing sind allein 2017 vier Milliarden Euro geflossen. Die Deutsche Post verdient dank Briefmarken kräftig mit.

Was Offline-Daten betrifft, ist die Post natürlich eine Goldgrube. „Bei jedem zehnten hier im Raum kennen wir die Mikrozelle. Wir wissen also genau, in welcher Wohnung er wohnt“, so Christian Heuser. Langsam aber sicher öffnet sich die Post für entsprechende Lösungen, die beide Welten miteinander verschmelzen lassen. Als Beispiel führen Heuser und sein Kollege Lars Schlimmbach verschiedene APIs an. So kann die Lösung DMaaS Direktbriefe auf der Basis von Cookies ausliefern. Eine Integration mit Flyeralarm erlaubt es andererseits Werbepost in zuvor bestimmte Gebiete zu verschicken.

Die DSGVO als Treiber von Personalisierung

Personalisierung gilt seit Jahren als Zauberwort im Marketing: je persönlicher die Ansprache des Kunden, desto besser. Technologie kann hier wahre Wunder leisten, doch heute existiert die reelle Gefahr, den Bogen zu überspannen. Insbesondere in Deutschland, deren Einwohner schon aus der Geschichte heraus auf Datenschutz pochen, ist der Grad der Personalisierung teilweise kritisch. Andreas Helios, Marketingchef MEE von SAP Customer Experience, weist auf das Risiko der Überpersonalisierung hin, die von den Nutzern mitunter als unheimlich wahrgenommen wird. Er rät dazu, immer wieder zu überprüfen, ob das nächste Level der Personalisierung tatsächlich noch Sinn ergibt oder nur umgesetzt wird, da es technologisch möglich ist.

Andreas Helios und Lisa Gradow auf dem Panel.

Eine ähnliche Strategie fährt Lisa Gradow, Mitgründerin von Usercentrics. Ihrer Meinung nach geht es vor allem um die Zustimmung der Nutzer, die Daten zur Personalisierung zu verwenden, und in dem Zuge um deren transparente Aufklärung. Überraschend kommt das nicht, schließlich bietet ihre Plattform genau diesen Service an. Gradow überrascht dann doch noch, indem sie darauf hinweist, dass das Marketing den Weg mit dem Hinweis auf die Cookies immer falsch herum gegangen sei. Statt personalisierten Content mit entsprechenden Bannern auszuspielen, sollte man die User vielmehr im Voraus fragen, ob sie überhaupt angepasste Inhalte haben wollen.

Die Diskussion in den Unternehmen über Personalisierung bekommt Hilfe von unerwarteter Seite: der DSGVO. Was für viele Marketer ein Symbol des Grauens war und ist, setzt nun Budgets frei und stößt Prozesse in diesem Bereich an, verrät Helios. Im Zentrum der Debatte steht seiner Meinung nach das Vertrauen der Nutzer. Im Endeffekt geht es darum, Value für den Consent zu liefern, also eine bessere Experience im Gegenzug für Daten. Das scheint nicht einfach zu sein, wie eine aktuelle Analyse von Usercentrics beweist. Demnach sind zwölf Websites der Dax-30-Unternehmen mangelhaft in Bezug auf die Umsetzung der DSGVO, nicht nur was die Policy betrifft. Wie Sean O’Connor, Marketing Director EMEA von Bing Ads, allerdings bemerkt: „It’s still early days. We have a long way to go.“ Offensichtlich sowohl technologisch als auch politisch.

Marken müssen Emotionen wecken

Online Marketing-Urgestein Karl Kratz geht einen Schritt von der Technologie weg. Bei aller Liebe zum technologischen Fortschritt geht den Produkten die Magie verloren. Dabei ist die Hauptaufgabe von Marken doch Emotionen zu erzeugen. Heute berührt uns fast nichts mehr – die Angebote brauchen den Aha-Effekt zurück.

Karl Kratz demonstriert, wie Magie vom Hirn verarbeitet wird.

Sein Rezept für eine starke Marke: Resonanz, Einzigartigkeit, emotionale Bandbreite und Selbsterkennung. Als Einstieg vielleicht ein etwas einfacheres Bild: Wenn man sich eine Website anschaut, vor dem Bildschirm sitzt und sich denkt: „Wie machen die das nur?!“, hat das Unternehmen dahinter gute Arbeit geleistet. Technologie kann also auch magisch wirken.

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