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Social Media Marketing
Kennzeichnungspflicht im Influencer Marketing: Mehr Klarheit kann auch einschränken

Kennzeichnungspflicht im Influencer Marketing: Mehr Klarheit kann auch einschränken

Niklas Lewanczik | 22.10.18

Im Interview erklärt uns Anwalt und Medienrechtsexperte Prof. Dr. Stefan Engels, wie die Kennzeichnungspflicht in Social Media sich grundsätzlich darstellt.

Das Bild zur Kennzeichnung von Werbung in Social Media wie Instagram ist derzeit ein wenig aus den Fugen geraten. Die Faustregel: „Wo Werbung drin ist, muss auch Werbung draufstehen“ wird ad absurdum geführt. Viele Influencer kennzeichnen Markennennungen auch ohne dafür erhaltenes Entgelt als Werbung, aus Angst, wegen falscher Kennzeichnung abgemahnt zu werden. Um in dieser Frage für mehr Klarheit zu sorgen, haben wir Rechtsanwalt Prof. Dr. Stefan Engels von DLA Piper zum Thema befragt.

Wer als Influencer Geld verdienen will, muss die Rahmenbedingungen kennen

Während der Verband Sozialer Wettbewerb (VSW) recht häufig Influencer abmahnt, weil sie ihrer Kennzeichnungspflicht für werbliche Inhalte bei Social Media nicht nachkommen, sind die Influencer selbst zusehends verunsichert. Was müssen sie konkret als Werbung markieren – und wie? Sind selbst gekaufte Marken, die im Post genannt und getaggt werden, bereits Anlass zur Kennzeichnung mit #Werbung? Rechtsexperte Prof. Dr. Stefan Engels hat uns einige Antworten gegeben, die die Komplexität des Themas relativieren.

Das Interview mit einem langjährigen Experten

OnlineMarketing.de: Zur Kennzeichnungspflicht von werblichen Inhalten: Derzeit herrscht insbesondere auf Instagram ein heilloses Durcheinander. Jeder User mit mittelmäßigen Reichweiten kennzeichnet Beiträge wild als Werbung, auch wenn lediglich etwa selbst gekaufte Produkte zu sehen sind. Können Sie hier etwas Klarheit verschaffen, ab wann ein Beitrag als Werbung gekennzeichnet werden muss?

Prof. Dr. Stefan Engels von DLA Piper

Prof. Dr. Stefan Engels: Im Grundsatz ist alles ganz einfach: Kommerzielle Kommunikation hat klar als solche erkennbar zu sein. Ist sie es nicht, muss sie gekennzeichnet werden. Erfolgt kommerzielle Kommunikation im Umfeld von redaktionellen Inhalten – wie z.B. einem Fitness-Channel oder Modeblog – nennt man sie Werbung, die zusätzlich von diesen redaktionellen Inhalten abzutrennen ist.
Wann aber liegt kommerzielle Kommunikation bzw. Werbung vor? Klar ist das dort, wo die Kommunikation direkt vom Unternehmen stammt. Was aber unterscheidet eine redaktionelle Produktempfehlung von einem werblichen Blogeintrag? Das zentrale Indiz für kommerzielle Kommunikation ist eine für die Veröffentlichung enthaltene Gegenleistung, die nicht zwingend ein Entgelt sein muss, sondern jede geldwerte Leistung sein kann. Geldwerte Leistungen sind beispielsweise ein attraktiver Gutschein, kostenlose Produktproben oder das Ersparen von Aufwendungen. Solche Aufwendungen können z.B. Flüge, Reisekosten oder Hotelübernachtungen sein, die für den späteren Beitrag gewährt werden.
Das Nutzen eines ohne Verpflichtung zur Verfügung gestellten Produktes stellt dagegen regelmäßig keine kennzeichnungspflichtige kommerzielle Kommunikation bzw. Werbung dar. Erst ein über- oder gar werbemäßiges Anpreisen ohne sachlichen Grund kann den späteren Beitrag gleichwohl zur Werbung machen.

In diesem Zusammenhang: bei mangelnder Kennzeichnung droht vor allem Influencern mit vielen Followern eine Abmahnung. Wie sieht es aus, wenn die Posts nur sehr wenige Abonnenten erreichen, sind sie dann wettbewerbsrechtlich relevant?

Die Zahl der Follower bzw. die Bekanntheit eines Blogs spielt für die Frage der Anwendung des Werberechts keine Rolle. Sämtliche Telemedien werden ausdrücklich von diesen Vorgaben erfasst.

Wie sieht es mit der Trennung von redaktionellen und werblichen Inhalten aus: Abmahnungen des Verbands Sozialer Wettbewerb wurden auch im Zuge von Produktinformationen im Lifestylesektor erteilt. Gibt es insgesamt, aber vielleicht gerade für diesen in Social Media so populären Bereich klare Indikatoren, wann eine Information als eine werbliche zu kennzeichnen ist?

Für die Anwendung obiger Grundsätze spielt der beworbene Gegenstand keine Rolle. Allerdings: handelt es sich um kommerzielle Kommunikation bzw. Werbung, muss diese auch die besonderen werberechtlichen Grundsätze für gefährliche Produkte (z.B. Tabak, Arzneimittel o.ä.) beachten (z.B. Produkthinweise). Daher ist auch vielen Werbepartnern in diesem Bereich daran gelegen, nicht unter das Werberecht zu fallen, da im redaktionellen Bereich freier berichtet werden kann.

Die Frage, ob jede Markennennung auch gleich Werbung ist, treibt viele Influencer um. In anderen Medien scheint diese Gleichung nicht aufzugehen. Muss es nicht eine uneingeschränkt eindeutige Richtlinie geben, die verhindert, dass viele Influencer wie derzeit beinah jeden Post mit Verlinkung oder Markennennung als Werbung kennzeichnen?

Sobald und solange ein Influencer mit seiner Tätigkeit Geld verdient bzw. verdienen will, ist er verpflichtet, die für ihn geltenden Rahmenbedingungen zu kennen und umzusetzen. Dies ist keine unbillige schwierige, oder gar unangemessene Verpflichtung. Die diesbezüglichen Regelungen sind sogar großzügiger als beispielsweise im Rundfunkbereich. Im Großen und Ganzen sind die Vorgaben allerdings gleich. Unterschiede sind den Spezifika der jeweiligen Medien geschuldet und sollten kein Grund für Gejammer sein.

Der VSW mahnt mit Hinweis auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb ab, reagiert damit im rechtlichen Bereich. Müssen nun die Landesmedienanstalten klare Vorgaben schaffen oder müssen Influencer aufgrund ihrer potentiell internationalen Reichweite auf andere Rechtsgrundlagen achten, etwa EU-konforme?

Der Verband sozialer Wettbewerb (VSW) ist eine im Wettbewerbsrecht vorgesehene Organisation zum Schutze der Wettbewerbsordnung, die zivilrechtlich für die Einhaltung der Gesetze unter Zuhilfenahme der Gerichte sorgt. Dieses Instrument ist marktkonform und auch nicht unbillig. Die Landesmedienanstalten dagegen sind öffentlich-rechtliche Aufsichtsbehörden und agieren mit Beanstandungen bis hin zu Verboten. Sie können für die Zivilgerichte keine abschließenden Vorgaben schaffen, da sie nur in ihrem Aufsichtssystem agieren. Gleichwohl helfen Einschätzungen der Landesmedienanstalten in Zweifelsfällen.

Letzten Endes sollte man sich übrigens gut überlegen, ob man wirklich Klarheit will, die eben auch weitere Einschränkungen mit sich bringen könnte. Und natürlich: Onlinemedien machen nicht an Grenzen halt. Allerdings dürften im EU-Ausland keine Probleme auftreten, da einerseits die Regeln einheitlich sind, andererseits das Herkunftslandprinzip deutsche Angebote schützt.

Aus Ihrer Sicht: immer mehr, vor allem junge, Menschen verdienen Geld, indem sie in Social Media Marken promoten. Ist das einfach nur ein Zeichen der Zeit oder genauso eine beunruhigende Tendenz?

In den Siebzigerjahren trugen junge Leute lange Haare und Hosen mit Schlag, was durchaus kritisch betrachtet wurde. Heute nutzen sie die ihnen individuell gegebenen Kommunikationsmöglichkeiten und verdienen dabei auch noch Geld. Darin kann man eine Veränderung von der Gesellschaftskritik hin zur Stabilisierung des herrschenden Systems sehen. Nur: damals war Gesellschaftskritik nicht nur möglich, sondern auch nötig. Aus dieser Entwicklung wird man daher allein die Einsicht ziehen, dass jede Generation ihre Themen sucht und findet.

Wir danken an dieser Stelle herzlich für das Interview.

Tipps für Influencer

Nun ist eigentlich deutlich, dass Influencer Markennennungen dann nicht als Werbung kennzeichnen müssen, wenn sie sich auf selbst erworbene und nicht „übermäßig“ hervorgehobene und gelobte Produkte beziehen. Dennoch tun Viele genau das, um vorsorglich einer Abmahnung zu entgehen.

https://www.instagram.com/p/BojyFgwnISl/?utm_source=ig_web_copy_link

Bei der INREACH 2018 in Berlin stellte Cornelia Holsten von der Landesmedienanstalt Bremen fest, dass diese Praxis den Werbebegriff zwar verwässert, aber momentan mitunter doch angebracht ist.

Prof. Dr. Engels gab einige juristische Tipps mit auf den Weg. Zunächst sollten die Influencer prüfen, von wem sie abgemahnt werden. Bei einer Abmahnung muss untersucht werden, ob eine Änderung im Post usw. vonnöten ist. Hierbei rät er jedoch, sich unbedingt schon auf eine mögliche Änderung vorzubereiten. Sobald nämlich eine Verfügung zugestellt wird, ist diese gültig. Als Beschuldigter kann man sich mit Verhandlungen, mit einer Verteidigung oder schlicht mit der Annahme der Schuld positionieren.

Um eine zivilrechtliche Auseinandersetzung womöglich abzuwehren, kann es sich auch lohnen, den Streitwert zu reduzieren. In jedem Fall sollten Beschuldigte aber, wenn möglich, eine Anhörung wahrnehmen, um ihren Standpunkt zu erläutern; und sich auf Fachexperten verlassen. Im Bestfall werden die werblichen Kooperationen vertraglich so geregelt, dass keine Streitpunkte entstehen. Dann ist die Regel für die Werbung gar nicht mehr so komplex. Das wird sie allerdings bei der Betrachtung der inhaltlichen Gestaltung. Bei mehrsprachigen Followern sind auch Kennzeichnungen wie #Ad/Werbung sinnvoll, um sich abzusichern. Bei Bewegtbild müsste man im Zweifelsfall #Produktplatzierung setzen.

Für Influencer gilt also: mit dem Privileg des Geldverdienens über Social Media geht die Verantwortung einher, sich mit dem entsprechenden Werberecht auseinanderzusetzen oder sich professionelle Hilfe zu holen. Weitere Hinweise gibt es auch bei den FAQs der Landesmedienanstalten. Schlussendlich ist die Regelung bis auf wenige Fälle gar nicht so komplex. Wird es jedoch unklar, ist Kreativität und Recherche gefragt. Und im Zweifel kann eine zweideutige Auslegung auch zugunsten des Influencers funktionieren.

Kommentare aus der Community

Olk am 23.01.2019 um 16:33 Uhr

Hi,
kann es sein, dass hier „Prof. Dr. Stefan Engels: … Ist sie es nicht, muss sie gekennzeichnet werden. …“ das Wort „nicht“ zuviel ist?

Antworten
Niklas Lewanczik am 24.01.2019 um 10:07 Uhr

Hallo Olk,

das „nicht“ muss durchaus stehen bleiben. Es geht schließlich darum, dass die kommerzielle Kommunikation gerade in einem Kontext, der nicht zweifelsfrei werblich sein muss (also Instagram-Auftritte von Bloggern o.ä.), von anderen, z.B. redaktionellen oder privaten, Inhalten abgegrenzt werden muss. Dafür ist die Pflicht zur Kennzeichnung dar. Herr Prof. Dr. Engels weist in dem Satz auf Posts hin, bei denen ein kommerzielles Verhältnis allein aus dem Rezeptionskontext oder im Visual selbst nicht zwingend ersichtlich wird. Deshalb heißt es entsprechend: „Ist sie es nicht, …“.

Beispielsweise könnte kommerzielle Kommunikation dann nicht klar als solche zu erkennen sein, wenn Markenkleidung im Post dargestellt wird, die für ein (wie auch immer geartetes) Entgelt präsentiert wird, was dem Nutzer aber nicht unmittelbar klar ist.

Dass im Umkehrschluss kommerzielle Kommunikation, die erkennbar ist, in Social Media auch gekennzeichnet werden muss, war womöglich von Prof. Dr. Engels vorausgesetzt worden (ich denke daher rührt die Irritation). Er zielt jedoch auf einen anderen Aspekt ab.

Beste Grüße

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