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Social Media Marketing
EDEKA, LIDL & Co.: Warum Weihnachten das neue Kreativ-Hoch für Videos ist
Christoph Thielecke, Geschäftsführer von Unruly Deutschland

EDEKA, LIDL & Co.: Warum Weihnachten das neue Kreativ-Hoch für Videos ist

Anton Priebe | 12.12.16

Was macht die Weihnachtsvideos der großen Händler erfolgreich? Welche Strategie steckt dahinter und wie schaffen Marken eindrucksvollen Content? Die aktuellen Trends unter der Lupe.

Die Vorweihnachtszeit stellt für Händler den Höhepunkt des Jahres dar. Viele Marken setzen hier insbesondere auf Video Content, um sich Gehör zu verschaffen. Doch die Konkurrenz ist groß. Das hat dazu geführt, dass am Jahresende regelrecht ein kreatives Feuerwerk in Form von Bewegtbild-Kampagnen abgebrannt wird. Wir haben den Trend mithilfe von Christoph Thielecke, Geschäftsführer von Unruly Deutschland, analysiert.

Weihnachten gilt bereits als Kreativ-Hoch für Video Advertiser

Dass der aktuelle Weihnachtsspot von H&M aus der Feder eines Hollywood-Regisseurs stammt, veranschaulicht den Stellenwert, den Branded Video Content zu Weihnachten mittlerweile einnimmt. Spätestens mit #Heimkommen hat Edeka vergangenes Jahr gezeigt, wie ernst es auch den deutschen Händlern ist, in der Adventszeit mit Bewegtbild zu punkten.

Doch ein Video allein genügt nicht, um aus der Masse herauszustechen und auf sich aufmerksam zu machen. Wie schaffen es Marken, einen bleibenden Eindruck bei den Konsumenten zu hinterlassen? Was macht ein solches Video aus? Wir haben Christoph Thielecke im Hamburger Future Video Lab von Unruly getroffen und das aktuelle Geschehen diskutiert. Sein Team berät Unternehmen bereits im kreativen Prozess. Unruly analysiert, welche Emotionen besonders stark bei der Zielgruppe angesprochen werden sollten und wie diese erreicht wird, um den Effekt einer Video-Kampagne zu maximieren.

Interview mit Christoph Thielecke, Geschäftsführer von Unruly Deutschland

OnlineMarketing.de: Welche Trends sind derzeit im Video Advertising zu beobachten? Was wird um Weihnachten thematisiert und warum?

Christoph Thielecke: Grundsätzlich ist ein starker Trend – und das sehen wir an der Dichte der Kampagnen-, dass man überhaupt den Weg des Branded Content und des Storytelling geht.

Marken setzen auf Videos, weil sie eine Möglichkeit bieten, sich über Emotionen im Kopf der Consumer zu verankern. Im Gegensatz zu beispielsweise Bannerkampagnen bleiben Social Videos in Erinnerung. Gepaart mit den richtigen Emotionen bekommst du somit Anker in den Kopf. Egal wann dann eine Kaufentscheidung ansteht – es wird der abgerufen, der stärker berührt hat.

Zeit schenken wurde thematisch von Edeka, Penny und auch Otto aufgegriffen. Andererseits sehen wir mit REWE lustige Themen und mit LIDL jemanden, der mutig ist und in eine ganz andere Richtung gerannt ist. Die Zeit mit der Familie ist dominant, Wärme als Emotion ist alle Jahre wieder zu beobachten. An der Stelle passt aber auch der Zeitgeist – das ist einer der wichtigsten Punkte dabei.

Wenn wir Daten betrachten und Kampagnen vergleichen, sehen wir, dass derjenige, der ausschert, während viele andere in die gleiche Richtung gehen, auch derjenige ist, der nachhaltig Erfolg hat. Das hat damit zu tun, dass ein anderer, tiefer sitzender Anker erzeugt wird. LIDL wirft beispielsweise eine Genderdiskussion auf und stellt gleichzeitig Lebensfreude in den Vordergrund. Das hat sich als ziemlich gutes Rezept erwiesen.

Das heißt LIDL hat sich etwas besonders Innovatives ausgedacht?

LIDL fällt definitiv aus der Reihe, weil das Video Diskussionen auslöst. Einmal über die Genderthematik, auf der anderen Seite haben wir aber auch gemerkt, dass es eine Diskussion rund um LIDL selbst anstößt.

Außerdem aktiviert LIDL diese Kampagne in 16 Märkten mit 16 an die Märkte angepassten Video-Versionen, um die Kernbotschaft in der jeweiligen Landessprache zu transportieren. Damit stellt LIDL das Landen seiner Botschaft an erste Stelle, nicht die eine große View Angabe auf einem öffentlichen Counter.

REWE hat es mit dem humoristischen Ansatz jedoch auch gut gelöst und ist damit nicht unerfolgreich.

Welchen Stellenwert nehmen Videoproduktionen für Soziale Medien mittlerweile bei Marken ein?

Verschiedene Entwicklungen machen es für die Advertiser nicht leichter bei den Konsumenten mit ihrer Botschaft zu landen. Da wäre die allgemeine Abneigung gegenüber Werbung – die Adblocker-Durchdringung ist signifikant, wenn auch leicht rückgängig nach aktuellen Zahlen. Dann die veränderte Wahrnehmung. Keiner kann sich heutzutage mehr daran erinnern, was er gesehen hat. Das liegt auch daran, dass es so unglaublich viel Content gibt, dass es schwierig ist, überhaupt noch durchzudringen. Die Zeitkapazität der Konsumenten reicht dazu auch gar nicht aus.

Storytelling ist demnach das beste Vehikel, um durch die Masse hindurch nach oben zu kommen und mit Blick auf das Engagement verlässt man die technische Ebene der Adblocker. Ein geteilter Inhalt bewegt sich außerhalb des Adblocking – das ist eine Riesenchance.

Braucht ein erfolgreicher Spot viel Budget oder geht es nur um intelligentes Seeding? Was ist hier ausschlaggebend?

Das Budget ist eine Frage der Zielsetzung, das wiederum hängt von der Ziel-KPI ab, also welches dem View nachgelagerten Ziel setzt sich der Advertiser. Diskussionen um öffentliche View-Counter der zwei großen Plattformen sind nachgelagert zu betrachten. Vielmehr sehen wir den Diskurs dahingehend, dass User Engagement die Ziel-KPI einer erfolgreichen Social Video Kampagne ist. Denn letztendlich kann ich mir Views in beliebiger Anzahl kaufen, aber Engagement ist ein Indikator für die wirkliche Relevanz aus Sicht der Zielgruppe.

Grundsätzlich müssen Advertiser sich also entscheiden, ob sie “reichweitige“ Views oder „reichhaltige“ für ihre Kampagne einkaufen. Ein erfolgreiches Social Video braucht User Engagement, damit folglich reichhaltige Views. Die Kreation selbst kann dann je nach Komplexität der Idee mehr oder weniger kosten.

Den gesamten Prozess muss man sich in etwa so vorstellen wie beim Segelfliegen. Das Flugzeug ziehst du in die Höhe und klinkst es aus. Dann fliegt es in einem von der Physik vorherbestimmten Winkel zu Boden. Die Physik in diesem Fall ist die DNA des Contents. Je nach DNA des Contents kann eine Kreation ein anderes Potential beinhalten, um Engagement zu produzieren. Die Auswahl der Emotionen und deren Stärke definiert hier das Potential.

Das Mediabudget zieht also das Flugzeug in diesem Bild nach oben. Je höher der Ausgangspunkt, desto länger der Flug. Wenn das Video lang genug unterwegs ist und das Potential in sich trägt, kann sich über User Engagement ein viraler Effekt einstellen. Und dadurch Earned Media gewinnen.

Oftmals hören wir von Kunden, die sich an die Agentur wenden mit dem Auftrag: „Mach mir mal ein Viral“. Fehler Nummer eins, da man keinen Viralclip geplant produzieren kann. Viralität ist sehr selten, das passiert vielleicht bei fünf oder sechs Videos global im Jahr. Alle anderen Inhalte bewegen sich in einem Korridor, der plan- und berechenbar ist. Ein passendes Zitat von Lee Clow, Chairman und Global Director von TBWA\Worldwide, zu dem Thema: “Next time someone wants a viral, sneeze on them. A viral is a phenomenon, not a format.”

Fehler Nummer zwei: Mit der Media-Strategie “Post and Pray” das Video einfach nur hochzuladen und den nächsten Hit zu erwarten. Content is King, Distribution is Queen. Aber die Queen hat die Hosen an. Anders: Eine schwache Kreation kann durch die beste Media Strategie nicht zum Hit werden. Aber eine großartige Kreation kann durch eine mittelmäßige Media Strategie ausgebremst und um ihr Potential gebracht werden.

Die Höhe des Kreativ- oder Mediabudgets bestimmt also nicht zwangsläufig den Erfolg eines Videos.

Was ist mit der Länge des Videos? Womit arbeiten die meisten Marken?

Es ist unglaublich schwer, eine emotionale Story in kurzer Zeit zu erzählen. Starke 30-Sekunden-Spots sind sehr selten.

Deswegen sollte man sich bei der Kampagnenplanung lossagen von irgendwelchen Zeitlimits. Das Wesentliche ist die Spannungskurve der Story selbst. Wenn ich die so stark wie nur möglich hinbekomme, ohne Längen oder zu sehr komprimiert dargestellt, sodass etwas verloren geht, dann mache ich den besten Job. Sich vorher zeitlich festzulegen hilft nicht, denn sonst entfernt man sich automatisch von der besten Spannungskurve.

Die meisten Videos sehen wir dennoch bei ungefähr zwei Minuten. Die klare Empfehlung lautet jedoch, sich in der Kreation komplett von einem vorgegebenen Zeitrahmen zu verabschieden.

Läuft Online-Video der Werbung im TV in Zukunft den Rang ab?

Als Onliner sollte ich ausschließlich die Flagge für Online hochhalten und sagen, dass TV aussterben wird, aber nein. Das ist bei weitem nicht so. TV hat sich in seiner Rolle in Bezug auf Werbung schon verändert. Aber die wird es definitiv weiter geben.

Aber: Wir haben gelernt, dass starke Online-Kampagnen im TV funktionieren. Maximal optimierter Online-Content erzielt seine Wirkung also auch im TV. Dies leitet eigentlich die Umkehrung einer bestehenden Strategie ein. TV wird nicht online verlängert, sondern andersherum. Die Weihnachtsclips laufen beispielsweise auch als TV-Spots. Vielleicht etwas gestaucht, um in das Format zu passen, aber im Grunde genommen genauso.

Dennoch, wenn der Content schon Engagement auslösen will und darf, fehlt beim Fernseher die technische Voraussetzung. Wie teile ich einen TV-Spot? Ich muss das Device wechseln. Edeka hat den Heimkommen-Spot einmal im TV gezeigt. Ansonsten nur online. Andere Marken machen das ähnlich.

Vielen Dank für das Interview!

Kommentare aus der Community

Markus Gull am 12.12.2016 um 08:29 Uhr

Danke für den guten Bericht!
Was bei den durchwegs sehr gut gemachten und gut produzierten Weihnachtsspots allerdings verblüfft ist, wie fern die Botschaften von der Marken-Story der jeweiligen Brands meistens sind. Da wird enorm viel Geld ausgegeben ohne nachhaltige Wirkung für die Marke zu bekommen, also Differenzierung über Awareness und Sympathie hinaus. Und: Wenn man den Lidl-Spot ansieht, denkt man mehrfach an Edeka – erkennt die Absicht und ist verstimmt.

Antworten
Harald F. Ross am 12.12.2016 um 07:59 Uhr

Gefühlvolle und emotionalgeladene Weihnachtsvideos sind nichts Neues!

Wer hat´’s vor mehr als15 Jahren erfunden? Ich glaube, es kam von einer Filmhochschule, mit Joopi Hesters in der Hauptrolle.

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