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Digitalpolitik
Datenschutz durch Dritte? Zuckerbergs Idee vom global regulierten Internet

Datenschutz durch Dritte? Zuckerbergs Idee vom global regulierten Internet

Niklas Lewanczik | 01.04.19

Mark Zuckerberg hat 4 explizite Bereiche der Internetnutzung vorgeschlagen, die reguliert werden sollten. Für Facebook und Co. könnte sich Vieles ändern.

Facebook steht nicht allein unter Beobachtung von Kritikern, Datenschützern, Politikern usw., die sich fragen, ob es gerade bei so großen und einflussreichen digitalen Medien nicht einer strengeren Regulierung bedarf. Im Kontext immer neuer Datenskandale, der Verbreitung von Hasskommentaren und dergleichen und einem potentiellen Einfluss im Rahmen von Wahlen stehen Social Media vor der Frage, wie die Balance zwischen Eigenverantwortlichkeit als Unternehmen und gesamtgesellschaftlicher Verantwortung – auch in politischen Dimensionen – aussieht. Nun bringt Mark Zuckerberg vier zentrale Aspekte ins Spiel, bei denen er eine Regulierung von außen vorsieht.

Ausgerechnet Mark Zuckerberg baut auf Regulierung

In einem Text, den der Facebook-Chef unter anderem in der Washington Post veröffentlicht hat, stellt er einen Ansatz für eine Neuerung der Regeln für das Internet vor. Grundlegend dabei ist, dass Zuckerberg die Verantwortung für ein sicheres und gesellschaftsfähiges Netz auf mehreren Ebenen sieht. Nicht allein bei Unternehmen wie Facebook, sondern ebenso bei Regierungen und Regulatoren.

I believe we need a more active role for governments and regulators.

Die Freiheit für Nutzer und Entwickler, sich zu entfalten, soll genauso gewährleistet werden wie eine umfassende Cybersicherheit. Gerade dieser Aspekt hat in den vergangenen Jahren massiv an Bedeutung gewonnen. Daher sieht Mark Zuckerberg Regulierungsbedarf in vier konkreten Bereichen:

  • gefährliche Inhalte
  • Integrität bei Wahlen
  • Datenschutz
  • Datenübertragbarkeit

Insbesondere gefährliche oder schädliche Inhalte wie Hate Speech, terroristische Propaganda usw. sind immer wieder Zentrum der Diskussion um Social Media. Vor allem bei Facebook, aber auch bei YouTube und Co. lässt sich solcher Content nur bedingt ausschließen. Dafür sorgen Prüfungen auf Grundlage der jeweiligen Richtlinien, die per Algorithmus und zuweilen auch manuell durchgeführt werden, oft auch nach der Meldung der betroffenen Inhalte. Doch nicht jeder Hasskommentar wird entdeckt oder gelöscht. Facebook ist sich bewusst, dass nicht alle Entscheidungen von sozialen Medien alleine getroffen werden können und sollten. Deshalb sind die Plattformen dafür verantwortlich, dass ihre eigenen Richtlinien und Standards gegenüber gefährlichen Inhalten rigoros durchgesetzt werden.

Jedoch fordert Zuckerberg einheitliche Standards. Eine Idee hierfür wäre demnach die Errichtung von Standards durch Dritte, sodass diese Organisationen einen einheitlichen Standard zum Umgang mit schädlichem Content erstellen, an dem die Social Media und Digitalmedien überhaupt gemessen werden. Diese Regulierung könnte für einen effizienteren Umgang mit solchen Inhalten sorgen. Zudem wirft der Facebook-Chef in den Raum, dass Unternehmen einen Bericht zur Bekämpfung von gefährlichen Inhalten, wie Facebooks Transparency Report,  in jedem Quartal veröffentlichen. Denn diese seien so relevant wie Finanzberichte.

Die Integrität bei Wahlen wahren

In Bezug auf Wahlbeeinflussung gilt Werbung bei Facebook als relevanter Faktor. Spätestens seit der US-Präsidentschaftswahl 2016 sind Facebook Ads und die digitale Manipulation von Wahlinteressen in einem Atemzug genannt worden. Seither hat Facebook viele Änderungen durchgesetzt, politische Werbung muss markiert und transparent dargestellt werden, die Advertiser haben sich zu verifizieren, es gibt eine Werbebibliothek mit Suchfunktionen und dergleichen mehr. Dennoch ist eine Einstufung von Ads als politisch nicht immer einfach, wie Zuckerberg betont. Das zeigte sich, als viele Werbeanzeigen der LGBTQ-Gemeinde fälschlich als politisch eingestuft wurden – was zur Blockierung dergleichen führte, weil sie nicht als politisch registriert worden waren.

Da sich die Vorschriften zu politischer Onlinewerbung meist auf Parteien oder Personen beziehen, wäre eine Regelung, die spezifisch politische oder politisierte Themen in den Fokus stellt, eine sinnvolle Ergänzung. Außerdem stellt Zuckerberg in den Raum, dass bei politischer Werbung die Frage nach der Verwendung von Daten und dem Einsatz von Targeting besonders brisant ist. Eine Regulierung könnte hier wiederum Standards für die gesamte Branche bereitstellen.

Ein Rahmen für den Datenschutz

Datenschutz ist sicherlich eines der Digitalthemen überhaupt und das nicht erst seit Cambridge Analytica. Die meisten großen Plattformen hatten bereits ihre Daten-Leaks und müssen sich der Aufgabe stellen, die Sicherheit der Daten von Nutzern zu gewährleisten, während sie gleichzeitig nicht zu viele ihrer Rechte beschneiden wollen. Mark Zuckerberg sieht für die globale Internetgemeinde sogar vor, dass Regularien ähnlich der DSGVO für den allgemeinen Datenschutz greifen sollten.

Ein allgemeines Gerüst wie diese Verordnung könnte mehr Datensicherheit erlauben. Daher sollten laut Zuckerberg in den USA und weltweit Regeln an der DSGVO orientiert aufgestellt werden. Demnach sollten Nutzer wie in der EU Rechte haben, um zu kontrollieren wie und wofür ihre Daten genutzt werden, während Unternehmen diese für ihre Dienste nutzen können, wenn sie entsprechende Einwilligungen erhalten etc. Neben der Vorgabe, dass Daten nicht lokal gespeichert werden sollten, gibt der Facebook CEO an, dass Unternehmen wie das seine für Missachtungen solcher Richtlinien verantwortlich gemacht und sanktioniert werden sollen.

Dass dieses Gerüst weltweit gilt, wäre für ihn sinnvoll, da es ein barrierefreieres Internet für Nutzer und Unternehmen mit klaren Richtlinien gäbe. Immerhin sind Social Media und Internetdienste keineswegs regional beschränkt. Allerdings sieht auch Zuckerberg ein, dass es noch Fragen zu beantworten gibt in Bezug auf Datenschutzvorgaben. Wann können etwa Informationen für das öffentliche Interesse frei genutzt werden? Und in welchem Umfang werden Technologien wie KI mit Daten bedient, beziehungsweise inwieweit sollten sie den Regelungen unterstehen? Dabei könnten die Gesetzgeber klare und einheitliche Vorgaben schaffen.

Eine weltweite Regelung nach Zuckerbergs Vorstellung scheint jedoch utopisch, da allein die Datenschutzideen der EU mit chinesischen Ansätzen stark kollidieren. Womöglich könnten aber die USA auf optimierte Datenschutzregeln pochen, um besonders die großen Tech-Player im Land strenger zu regulieren.

Datenübertragbarkeit sollte gewährleistet sein

Die Datenübertragbarkeit ist ein Prinzip, das Zuckerberg bei umfassenden Regelungen für das Internet gewährleistet sehen möchte.

 If you share data with one service, you should be able to move it to another.

Das sei besonders für die Entwicklung neuer Angebote wichtig. Die Übertragbarkeit ist jedoch ein Aspekt, der oftmals kritisiert wird, weil der Nutzer seine Daten oft an verschiedene Services weitergibt, die ein differentes Level an Datenschutz gewährleisten. Sofern Daten zwischen Diensten übertragbar werden, braucht es daher klare Regeln bezüglich der Verantwortlichkeit für die Datensicherheit, meint Zuckerberg. Auch solche Ansätze lassen sich in der DSGVO finden. Hierfür bräuchte es allgemeine Standards. Deshalb unterstützt Facebook auch das Data Transfer Project, das mithilfe von Open Source Code die Übertragbarkeit zwischen Diensten wie Facebook, Google oder Twitter ermöglichen soll.

Zuckerbergs Ziele

Zum Abschluss seines Texts gibt Mark Zuckerberg an, dass Facebook sich den Aufgaben seiner vier Punkte zu stellen hat. Er werde mit Gesetzgebern auf der ganzen Welt sprechen, um seine Ideen für umfassende Regelungen und Regulierungen zu diskutieren. Denn er geht davon aus, dass die Menschen sich nicht auf die Lösungen einzelner Unternehmen sollten verlassen müssen.

Zuckerberg weiß, dass mehr als diese vier Bereiche zur Debatte stehen, stellt diese jedoch als Priorität in den Fokus. Er stellt die Frage, was die (digitale) Gesellschaft anstrebt und wie eine Regulierung dabei hilfreich sein kann. Denn die Regeln für ein freies Internet haben Vielen, auch ihm, geholfen Dienste zu erfinden, die die Welt veränderten. Nun sei es jedoch auch an der Zeit diese Regeln zu überdenken, um eindeutige Verantwortlichkeiten für eine funktionierende Internetgesellschaft zu etablieren.

Während Zuckerbergs Vorschläge durchweg reflektiert und sinnvoll erscheinen, bleiben einige Beobachter skeptisch.

Wer jahrelang mit Hilfe ganzer Heerscharen von Lobbyisten weltweit gegen strengere Regulierungen kämpfte und mehrfach geltendes Recht ignorierte, ist kaum glaubwürdig als plötzlicher Anwalt für mehr Datenschutz und staatliche Vorschriften,

erklärte etwa die Netzpolitikerin der Linken-Fraktion im Bundestag, Anke Domscheit-Berg, gegenüber dem RND, so ZDFheute. Der Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz hält die Ideen des Facebook-Chefs für gut, aber kaum realitätsnah.

Bis heute hält sich der Konzern nicht an deutsches und europäisches Datenschutzrecht, verdunkelt seine Geschäftsmodelle, fällt regelmäßig durch harsche Datenschutzskandale auf und beweist beinahe täglich seine maximale Ignoranz gegenüber den Schutz- und Privatsphäre-Interessen der Nutzer.

Tatsächlich fiel Facebook in der jüngeren Vergangenheit durch rechtliche Gratwanderungen im Kontext der DSGVO ebenso auf wie durch fragwürdige Praktiken bei der Datenweitergabe an Dritte sowie der Generierung von Userdaten überhaupt. In diesem Kontext wirken die Aussagen Mark Zuckerbergs durchaus nicht unmittelbar überzeugend. Verstärkt wird der Eindruck dadurch, dass eine starke Regulierung von außen Facebooks Datenerhebung – die für das Werbenetzwerk so wichtig ist – deutlich einschränken könnte. Allerdings muss man dem Unternehmen auch zuerkennen, dass es aufgrund seiner Größe und seines Einflusses stets als erste Zielscheibe herhalten muss, wenn fragwürdige Inhalte auftauchen, Wahlen beeinflusst werden oder Daten verloren gehen. Dieser öffentlichen Anprangerung sowie einer damit verbundenen Verantwortung gegenüber Nutzern und anderen Unternehmen kann sich die Plattform nicht entziehen. Und so haben zahlreiche Neuerungen bei den Richtlinien, bei (politischen) Werbeoptionen, bei der Datenweitergabe etc. bereits für bessere Voraussetzungen für den Nutzer gesorgt.

Und Zuckerbergs Vorstoß ist, wenngleich zunächst skeptisch zu betrachten, doch ein Ansatz, über den es sich zu diskutieren lohnt. Denn eine umfassendere Regulierung des gesamten Internets durch allgemeingültige Standards mag langfristig eine große Stütze für die sich digital entwickelnde Gesellschaft sein. Zudem könnte sie politische Relevanz erreichen, da Social Media und sämtliche Internetdienste global als Projektionsfläche für Triviales wie Weltbewegendes fungieren. Damit sind sie automatisch zum Politikum geworden; und Zuckerbergs Forderung nach globalen Lösungen ist womöglich weitsichtiger als sie zunächst erahnen lässt.

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