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Social Media Marketing
Von AfD bis SPD: Die Social Bot Landschaft wächst auch in der deutschen Politik

Von AfD bis SPD: Die Social Bot Landschaft wächst auch in der deutschen Politik

Niklas Lewanczik | 23.11.16

Der stetige Anstieg von Social Bots und Fake Followern wirkt sich zusehends auch auf die deutsche Politiklandschaft aus. Welche Politiker unter deren Einfluss stehen und was das für die Meinungsbildung bedeutet.

Sogenannte Social Bots sind ein nicht erst seit der US-Präsidentschaftswahl präsentes Phänomen sozialer Medien. Bei zunehmender Vernetzung von Social Media und aktuellen News bedeuten solche Bots eine Gefahr für freie Meinungsbildung – auch im Hinblick auf die deutsche Politik.

Das Internet als Nachrichtenquelle

Dass heutzutage viele Menschen über das Internet Nachrichten konsumieren und demnach auch einen Gutteil ihrer Meinungsbildung über Online-Medien generieren, ist keine Neuigkeit. Einer Bitkom-Umfrage zufolge nutzen 76 Prozent Online-Nachrichten. 19 Prozent derer gaben auch an, im Zuge dessen soziale Netzwerke zu Rate zu ziehen.

© Bitkom, Quelle: bitkom.org
Umfrage von Oktober 2016 © bitkom.org

Facebook, Twitter und Co. sind damit ein Quell von Neuigkeiten und Meinungen, die beständig wahrgenommen werden. Doch eine Meinungsbildung fällt gerade dann schwer, wenn sich im Social Media Kosmos – wie zuletzt bekannt wurde – Fake News und auch automatisierte Anschauungen tummeln. Besonders Twitter eignet sich aufgrund seiner Zeichenbegrenzung für den Einsatz von Bots. Zudem ist die Reichweite des Netzwerkes sehr groß. Bei der Präsidentschaftswahl in den USA wurden mindestens 33 Prozent der Pro-Trump-Tweets von Bots gesendet, wie die Oxford University herausfand. Seine Wahl zum Präsidenten ist auch auf eine gelungene Social Media Kampagne zurückzuführen, wenngleich ihm dabei auch Manipulation von Meinungen vorgeworfen wurde. Der Trend der Social Bots hat also im US-Wahlkampf schon Wirkung gezeigt. Was heißt das für die deutsche Politiklandschaft? Wird auch hierzulande versucht über Bots Meinungen zu manipulieren?

Automatisierte Meinungsbildung

Mit der Bundestagswahl 2017 im Hinterkopf stellt sich die Frage, in welchem Ausmaß deutsche Politiker auf Social Bots bauen. In Bezug darauf hat Bundesinnenminister Thomas de Maiziere diesen Monat angeregt, Bürger über Social Bots aufklären zu wollen. Die Nachrichtenagentur Reuters erklärt sein Bestreben: Meinungen müssten mit Menschen und nicht mit Maschinen verknüpft sein. Für den Wahlkampf lehnen die Bundestagsparteien den Einsatz von Social Bots ab, berichtet Spiegel Online. Die AfD allerdings wolle diese Technologie nutzen. Unabhängig von den Aussagen der Politiker gibt es schon heute eine Vielzahl von Bots unter den Followern von Spitzenpolitikern. Motherboard Deutschland hat mithilfe des Tool Twitonomy die 15.000 neuesten Twitter-Follower von 18 Top-Politikern analysiert. Dabei zeigt sich, dass die Anzahl der vermutlichen Fake Follower bei bekannten Politikern wie Heiko Maas (SPD), Peter Tauber (CDU) oder Christian Ströbele (Die Grünen) bei über 50 Prozent liegt.

© Motherboard, Quelle: motherboard.vice.com
Die vermuteten Fake Follower bei den Politikern der Bundestagsparteien liegen bei über 50 Prozent © Vice Motherboard

Motherboards erhellende Erhebung

Motherboard hat als Kriterium für Fake Follower Accounts angesetzt, die im Verhältnis deutlich weniger Follower haben, als sie selbst anderen Accounts folgen. Diese followers-to-friends ratio weist auf Fake Follower hin – eine hundertprozentige Sicherheit aber gibt es, ähnlich wie bei den Oxford-Wissenschaftlern, nicht. Angenommen wurde eine Rate von 30, das heißt ein Account, der 30 Accounts folgt, selbst aber nur einen Follower hat. Diese sind jedoch nicht zwangsläufig mit Social Bots gleichzusetzen.

Spannend ist die Tatsache, dass beispielsweise Christian Ströbeles Account am 3. August 2016 10.575 neue Follower verzeichnen konnte, wie Motherboard selbst berichtet. Das deute auf Social Bots hin. Solche zahlen lassen schon vermuten, welche einen Einfluss Fake Follower, also auch Social Bots, auf das Bild eines Politikers in den sozialen Medien werfen. Oder besser, auf die Meinungen, die er vertritt. Überraschenderweise haben gerade Politikerinnen der AfD, die ja den Einsatz von Social Bots für Meinungsbildung bejahen, geringe Fake Follower-Raten.

© Motherboard, Quelle: motherboard.vice.com
Geringere Fake-Raten bei AfD und FDP © Vice Motherboard

Weiterhin hat die Analyse ergeben, dass die Zahl der inaktiven Nutzer die der Fake Follower noch übertrifft. Von besonderem Interesse aber dürfte auch eine Randentdeckung sein. Motherboard stieß auf Fake Profile, die noch nicht getweetet hatten, allerdings diversen Politikern und Medien folgen. Sie könnten für zukünftige Meinungsmache in den Startlöchern stehen.

Der Einfluss Twitters auf die Meinungen

Wie stark Fake Follower und somit auch Social Bots Einfluss auf Meinungen ausüben könnten, zeigt sich, wenn man ein paar Zahlen kombiniert. Heiko Maas zum Beispiel hat vergleichsweise viele Follower auf Twitter (93.084) und davon wurden 55,26 Prozent als Fake Follower identifiziert. Maas zeigt mit durchschnittlich 16,8 Reaktionen pro Tweet eine große digitale Interaktionsfähigkeit.

Quelle: hamburger-wahlbeobachter.de
© hamburger-wahlbeobachter.de

In seiner Stellung als Justizminister ist ihm eine gewisse Glaubwürdigkeit eigen, die per se durch das Instrumentalisieren von Social Bots auch für Meinungsbildung im Netz missbraucht werden könnte.

Gerade in Social Media (und besonders auf Twitter) lassen sich die Bots wirkungsvoll einsetzen, schreibt die Deutsche Welle, denn:

  • Bots können in Debatten eine Meinung in großer Zahl untermauern, um eine Gegenmeinung zu marginalisieren
  • Social Media User können Bots schwer von realen Usern unterscheiden
  • Bots können unbelegten Aussagen eine (überwältigende) Stimme geben

Die Gefahr erkennen

Damit ist die Gefahr, die von den Social Bots für eine demokratisch-freie Meinungsbildung – gerade auch in der Politik – ausgeht, offensichtlich. De Maizieres Forderung nach einer Aufklärung über das Online-Phänomen ist ein richtiger Schritt und zeigt zugleich, was nötig ist. Den Einfluss, den automatisierte Accounts auf Meinungen nehmen können, kann man nur dann kontextualisieren und einschätzen, wenn man sich über die Quelle bewusst ist. Das Erkennen von Social Bots oder Fake Followern als solche dient einer Transparenz, die der eingangs erwähnten Gefahr entgegenwirkt. Social Media Plattformen operieren schon mit Maßnahmen, um Bots zu erkennen und zu sperren.

Politiker sollten im Lichte ihres Auftrags also um die Brisanz von Social Bots wissen und einen etwaigen Einsatz abwägen; zumindest aber sollte für User, Bürger und somit potentielle Wähler eine Differenzierung von realem User und Fake Follower möglich sein. Erst dann kann eine über die sozialen Medien generierte Meinungsbildung neben ihrem unweigerlichen Gewicht auch etwas an Wert gewinnen.

Quelle: Motherboard Deutschland

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