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Unternehmenskultur
Unconscious Bias: Wie unterbewusste Vorurteile Diversität in Unternehmen blockieren

Unconscious Bias: Wie unterbewusste Vorurteile Diversität in Unternehmen blockieren

Michelle Winner | 02.10.20

Versteckte Vorurteile ruhen in jedem von uns. Doch gerade bei Einstellungsprozessen sorgen diese dafür, dass es in vielen Betrieben einen Mangel an Repräsentation gibt. Selbstreflextion hilft dagegen vorzugehen.

Schon lange ist bekannt, dass diverse Teams ein Gewinn für Unternehmen sind: Je bunter, desto besser. Diversität am Arbeitsplatz steigert die Produktivität und sorgt für kreative Problemlösungsprozesse. Gleichzeitig ist sie aber auch ein Statement nach außen, ein Zeichen dafür, dass im Unternehmen jeder willkommen ist, unabhängig von Hautfarbe, Alter, Religion, Gender oder sexueller Orientierung. Ein diverses Team aufzustellen, ist jedoch nicht einfach. Grund hierfür sind versteckte Vorurteile, die Einfluss auf Einstellungsentscheidungen nehmen.

Unconscious bias – Was ist das?

Es ist keine Seltenheit, dass es Unternehmen an diverser Repräsentation fehlt. Doch liegt das tatsächlich am Mangel an diversen Talenten? Nein, denn diese sind zuhhauf auf dem Arbeitsmarkt vertreten. Das Problem sind eher unconscious biases, also unterbewusste Vorurteile seitens der Arbeitgeber. Und um dies direkt vorweg zu nehmen: Diese versteckten Vorurteile hat jeder von uns, egal wie offen man als Mensch ist beziehungsweise sich selbst empfindet. Unconscious bias heißt auch nicht, dass man selbst aktiv Personen diskriminiert, sondern lediglich, dass man unterbewusste, diskriminierende Denkweisen innehält. Um zu verdeutlichen, was das bedeutet, hier ein paar Beispiele für diese versteckten Vorurteile:

  • Die Handtasche im Fahrstuhl festklammern, wenn eine Person dunkler Hautfarbe einsteigt
  • Die Annahme, eine Frau kenne sich nicht mit Technik oder Sport aus
  • Wenn eine Schwarze Person in der Bahn kontrolliert wird, direkt davon ausgehen, dass diese vermutlich kein Ticket hat
  • Sich als Mann unwohl fühlen, wenn ein Schwuler sich in der gleichen Umkleide umzieht (beispielsweise beim Sport)
  • Davon ausgehen, dass Frauen unbedingt Mutter werden wollen
  • Denken, Menschen mit Behinderung seien dumm
  • Ältere Personen sofort als konservativ abstempeln

Diese Liste könnte noch ewig fortgeführt werden und eventuell fühlt sich beim Lesen dieser Beispiele der ein oder andere ertappt. Anstatt jetzt direkt in den Verteidigungsmodus zu wechseln und zu rufen „Ich bin aber nicht rassistisch/frauenfeindlich/homophob/islamophob/etc.“, sollte man ruhig bleiben. Unconscious bias bedeutet nicht, dass man aktiv diskriminierend ist. Doch dieses unwohle Gefühl der Ertapptheit sollte festgehalten werden, denn es zeigt uns, an welchen Stellen wir vielleicht doch nicht so offen sind, wie wir dachten.

Selbstreflexion als Mittel gegen unconscious bias

Um unterbewusste Vorurteile, die oft durch Umfeld und Gesellschaft implementiert werden, auszumerzen, braucht es Selbstreflexion. Das gilt für uns alle, aber ganz besonders auch für Personen, die Einstellungsentscheidungen fällen. Das zeigt auch das Beispiel von Charlie Scharf, CEO des US-Finanzdienstleisters Wells Fargo. Scharf geriet unter Kritik, nachdem er sich im Rahmen des Black Lives Matters Movement zur fehlenden Repräsentation in seinem Unternehmen geäußert hatte. Sonia Thompson berichtet für Forbes, er habe behauptet, dass es nicht genug Schwarze Talents auf dem Markt gäbe. Diese Behauptung stellte sich schnell als falsch heraus und Scharf entschuldigte sich für seine Kommentare. Er erklärte, dass diese auf seiner unconsious bias beruhten. In einem Statement beteuert er außerdem:

There are many talented diverse individuals working at Wells Fargo and throughout the financial services industry and I never meant to imply otherwise. It’s clear to me that, across the industry, we have not done enough to improve diversity, especially at senior leadership levels. And there is no question Wells Fargo has to make meaningful progress to increase diverse representation.

Natürlich beruht Scharfs Entschuldigung auf dem Druck durch die öffentliche Kritik. Gleichzeitig zeigt sein Statement aber auch, dass es jedem möglich ist, das eigene Verhalten kritisch zu reflektieren und so unterbewusste Vorurteile auszumachen. Aus Unternehmenssicht ist diese Selbstreflexion besonders bei Einstellungsprozessen wichtig. Denn abgesehen von den bereits genannten Vorteilen, sorgen diverse Teams auch für ein inklusiveres Marketing, dass einem diversen Kundenspektrum ein Gefühl der Zugehörigkeit vermittelt.

4 Wege, um Teams diverser aufzustellen

Die unterbewussten Vorurteile zu überwinden, ist nicht einfach und viele Unternehmen haben damit zu kämpfen. Aber sie versuchen es zumindest und allein das ist bereits ein Schritt in die richtige Richtung. Doch wie können Team diverser aufgestellt werden? Die Frage hierbei lautet nicht, ob es diverse Talents gibts, sondern wo man sie findet und wie man sie anspricht. Deshalb gibt Thompson, die selbst Expertin für inclusive Marketing und Costumer Experiences ist, in ihrem Artikel Tipps wie genau das klappen kann:

1. Diverse Recruiter anheuern

Die Aufgabe von Recruitern ist es, für Unternehmen die vielversprechendsten Talente zu finden. Um das eigene Team also bunter zu gestalten, wieso nicht direkt Recruiter engagieren, die selbst einen diversen Background haben? Sie wissen, wo sie nach den richtigen Talents suchen müssen und wie sie diese vom Unternehmen überzeugen können. Zudem können sie dem Betrieb Schwächen aufzeigen, beispielsweise wieso eine Stellenausschreibung nicht inklusiv formuliert ist.

2. Suchen, wo die Fische schwimmen

Um diverse Talents zu finden, muss dort gesucht werden, wo diese sind. Thompson erklärt, dass sie selbst an einem College studiert habe, das lange Zeit speziell auf schwarze Studierende ausgerichtet war. Unternehmen kamen gezielt dorthin, um nach Talenten zu suchen und ihre Teams so diverser aufzustellen. Weiterhin schreibt Thompson:

There are universities, conferences, and professional organizations that serve and cater specifically to diverse talent, across a number of industries. Start partnering with them to find a large pool of diverse candidates to fill the roles you have available.

Diese Aussage trifft nicht nur auf die USA zu, sondern ist ebenso auf Deutschland übertragbar. Verschiedene Organisationen oder Universitäten haben oft spezielle Programme, die Diversity fördern. Sich als Unternehmen über eben diese zu informieren und mit ihnen zusammenzuarbeiten, kann eine große Hilfe bei der Suche nach diverse Talents sein.

3. Das eigene Netzwerk ausbauen

Wer die Verantwortung für Einstellunsgprozesse trägt, sollte ebenfalls einen Blick auf das eigene Netzwerk werden – und dieses gegebenenfalls überarbeiten. Tatsächlich werden Talents oft durchs Networking gefunden und umso wichtiger ist, dass das Netzwerk eben nicht aus einer homogenen Masse besteht, sondern selbst auch divers ist. Kontakte zu Personen aufzubauen, die bereits erfolgreich Fuß in der Branche gefasst und einen diversen Background haben, kann dabei helfen, eine ganz neue Auswahl an Talents zu finden. Frei nach dem Motto: Man kennt jemanden, der jemanden kennt, der jemanden kennt…

4. Sprich die Talente direkt an

Eine einfache und doch oft vergessene Maßnahme ist es, Stellenausschreibungen direkt an diverse Talents zu adressieren und diese zur Bewerbung zu ermutigen. So erzählt Thompson, dass große Unternehmen wie Spotify oder Google genau das auch schon getan haben: Sie haben Frauen, People of Colour und nicht-binäre Personen direkt angesprochen, um nicht nur ihre Teams diverser aufzustellen, sondern auch um diesen Menschen Chancen zu geben, die ihnen oft verwehrt bleiben. Unternehmen sollen sich also ruhig trauen, Praktika, Trainee-Programme oder generell Stellen speziell für diverse Talents auszuschreiben.

Zusammenfassend bleibt zu sagen, dass Diversity Unternehmen gut tut – sowohl beim Arbeitsklima als auch in Sachen Erfolg. Deshalb ist es wichtig, versteckte Vorurteile via Selbstreflexion aufzudecken und zu versuchen, diese abzulegen. Das gilt übrigens nicht nur für Einstellungsprozesse, sondern generell für jeden von uns. Im Übrigen geht es bei der bunten Gestaltung von Teams auch nicht darum, Diversität über Weiße, Männer oder Cis-Personen zu stellen, sondern Gleichberechtigung zu schaffen für jene, die schon viel zu lange ungleich behandelt werden und von struktureller Diskriminierung betroffen sind. Die Arbeitswelt macht in diesem Punkt stetig Fortschritte und es bleibt zu hoffen, dass diese Entwicklung beibehalten wird: Damit die Welt jeden Tag ein bisschen offener und bunter wird.

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