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Amazon gegen Ver.di: Streiks auf dem Firmengelände sind erlaubt

Amazon gegen Ver.di: Streiks auf dem Firmengelände sind erlaubt

Maja Hansen | 22.11.18

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts stellt Streikrecht über Besitzrecht. Es gebe keine Alternative, um mit Mitarbeitern ins Gespräch zu kommen.

Das Bundesarbeitsgericht hat am Dienstag in Erfurt ein Grundsatzurteil getroffen: Das deutsche Streikrecht wird gestärkt. Denn unter bestimmten Umständen dürfen Gewerkschaften auf dem Firmengelände ihres Tarifgegners streiken und Beschäftigte ansprechen. Basis dieses Urteils des höchsten deutschen Arbeitsgerichts war eine Klage des US-Onlineriesen Amazon gegen die Gewerkschaft Ver.di.

Hintergrund des Urteils: Streik in Pforzheim auf dem Amazon-Betriebsgelände

Im September 2015 und im März 2016 stellte Ver.di auf dem Amazon-Gelände in Pforzheim Informationstische und Streikposten vor dem Haupteingang auf dem unternehmenseigenen Parkplatz auf. Doch diese Aktion missfiel der Firma und so klagte Amazon, um solche Vorkommnisse zukünftig zu unterbinden. Denn nach Ansicht des Onlinehändlers wäre es nicht legitim, wenn Dienstleistungsgewerkschaftler andere Mitarbeiter, die regulär zu Arbeit kämen, zum Streik aufforderten. Zusätzlich berief Amazon sich auf das Hausrecht und verlangte, dass die streikenden Beschäftigten auf öffentliche Bereiche vor der Parkplatzzufahrt ausweichen sollten.

Doch der Ver.di-Anwalt Jens Schubert erklärt gegenüber der Süddeutschen Zeitung:

Wenn wir nicht auf diesen Parkplatz kommen, dann läuft unser Streikrecht komplett leer. Dann können wir andere Mitarbeiter nicht ansprechen, um auf Solidarität zu hoffen – es gehört zum Verfassungsrecht dazu, dass ein Grundrecht auch effektiv ausgelebt werden kann.

Urteil: Streikrecht wiegt mehr als Besitzrecht

Schubert erwartete das Urteil des Bundesarbeitsgerichtes mit Spannung. Der SPIEGEL zitiert seine Bedenken:

Wenn das Besitzrecht des Unternehmens stärker wiegt als das Streikrecht, könnte jedes Unternehmen eine Fläche vor seinem Betriebsgelände anmieten und damit das Streikrecht ins Leere laufen lassen.

Schließlich sei das Streikrecht ein Kommunikationsgrundrecht und für die Gewerkschaft sei es wichtig, „alle Beschäftigten zu erreichen, Gewerkschafts- wie Nichtgewerkschaftsmitglieder“. Andernfalls sei es mehr als schwierig diese Personen zu erreichen. Das BAG stimmte dieser Aussage zu und entschied, dass Gewerkschaften auf dem Betriebsgelände für den Arbeitskampf werben dürfen, da es keine Alternative gebe, um mit Mitarbeitern ins Gespräch zu kommen.

Das Urteil war zu Beginn der Verhandlungen allerdings noch nicht absehbar, denn zwei Vorinstanzen hatten jeweils unterschiedliche Einschätzungen der Lage. So sah das Landesarbeitsgericht in Berlin-Brandenburg die Gewerkschaftler im Recht, während das Landesarbeitsgericht in Rheinland-Pfalz zugunsten Amazons entschied. Doch das Bundesarbeitsgericht entschied nun, dass Amazon „kurzzeitige, situative Beeinträchtigungen ihres Besitzes hinnehmen“ müsse, da die Gewerkschaft „angesichts der örtlichen Verhältnisse“ nur auf dem Parkplatz mit allen Arbeitnehmern Kontakt aufnehmen könne. Stefanie Nutzenberger, Ver.di-Bundesvorstandsmitglied verdeutlichte, dass das BAG somit anerkannt habe, dass dem verfassungsrechtlich verbrieften Streikrecht Vorrang gegenüber dem Besitzrecht an einem Betriebsparkplatz gebühren kann. Gegen dieses Urteil des BGA ist keine Berufung mehr möglich.

Grundsätzlich bedeutet dieses Urteil laut der SZ nun Folgendes:

  • Arbeitgeber müssen auch auf dem firmeneigenen Gelände Streikmaßnahmen dulden.
  • Streikende Mitarbeiter dürfen dort am Streiktag Mitarbeiter ansprechen, die zur Arbeit erscheinen und sie auffordern, ihre Arbeit niederzulegen.

Dennoch betont die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts, Ingrid Schmidt, in der Urteilbegründung, dass diese Entscheidung „kein Freibrief für jedwede gewerkschaftliche Aktion“ darstelle.

Jahrelanger Streit zwischen Amazon und Ver.di über Tarifverträge

Schon seit Jahren versucht die Gewerkschaft Ver.di zu erreichen, dass Amazon seine Mitarbeiter in Deutschland nach den Tarifbedingungen des Einzel- und Versandhandels bezahlt. Doch der Onlineriese vergütet seine Angestellten nach den Richtlinien der Logistikbranche, in der deutlich schlechter gezahlt wird. Um dieses Ziel zu erreichen, ruft Ver.di immer wieder zum Streik auf, um Verhandlungen über einen Tarifvertrag zu erzwingen.

Auch wenn durch dieses Urteil kein Tarifvertrag geschlossen werden konnte, ist die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes, so Schubert von Ver.di, ein „Riesen-Erfolg“ für die Gewerkschaft. Ob Amazon mit diesem Urteil bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen wird, ist noch unklar, so die Tagesschau.

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