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Von Instagram zensiert: Warum nackt nicht gleich nackt ist
© ffirst - Canva, The Female Company

Von Instagram zensiert: Warum nackt nicht gleich nackt ist

Aniko Milz | 06.10.21

Nackte Haut auf Instagram? Kein Problem, könnte man meinen, dort wimmelt es schließlich von Unterwäsche- und Bikinibildern. Andere Inhalte werden jedoch nach wie vor rigoros gesperrt. Dazu gehören Posts des Unternehmens The Female Company, mit denen wir im Interview über das Thema gesprochen haben.

Milliarden Nutzer:innen und Millionen Posts, die täglich auf Instagram hochgeladen werden: Die Social App gehört zum Alltag vieler Menschen dazu. Je nachdem, wo wir uns in der App befinden, wird der Content, den unsere Freund:innen und Bekannte gepostet haben, angezeigt. Auf der Explore Page hingegen schlägt Instagram Inhalte vor, die zu bisherigen Likes und Aktivitäten passen. Alle Inhalte auf Instagram unterliegen den dort geltenden Richtlinien und Nutzungsbedingungen. Das bedeutet, dass viele Inhalte gesperrt werden, die gegen die Regeln verstoßen – oft bevor sie vielen Menschen ausgespielt werden. Teilweise aber auch erst später, weil sie von Usern gemeldet werden. Doch wer bestimmt, was online zu sehen sein darf und was nicht?

Instagram hat Richtlinien für den Content festgelegt

Zunächst einmal hat Instagram in den erwähnten Richtlinien festgelegt, welche Inhalte erlaubt, beziehungsweise verboten sind. Dazu gehören zum Beispiel Inhalte, an denen man die Rechte nicht hat, irreführende oder kriminelle Inhalte sowie Hassrede. Dazu haben User die Möglichkeit, jede Art von Post, die sie auf der Plattform sehen, zu melden. Ob die Meldung gerechtfertigt ist, entscheidet ein Team von Moderator:innen. Während einige Inhalte keines großen Nachdenkens erfordern, sind andere immer wieder strittig. So erlaubt Instagram Fotos und Videos männlicher Brustwarzen. Weibliche sind jedoch verboten.

Verboten sind:

  • Unbedeckte weibliche Brustwarzen, außer im Kontext des Stillens, einer Entbindung und der Momente danach, in gesundheitsbezogenen Kontexten (z. B. nach einer Brustamputation, zur Sensibilisierung für Brustkrebs oder bei einer geschlechtsangleichenden Operation) oder einer Protestaktion
  • das Drücken weiblicher Brüste, definiert als eine greifende Bewegung mit gekrümmten Fingern, die sowohl Abdrücke als auch eine deutliche Formveränderung der Brüste zeigt. Wir lassen das Drücken von Brüsten beim Stillen zu.

Viele Instagram Accounts beschäftigen sich mit dem Thema und machten mit einer Aktion auf die scheinbar sinnfreie Regel aufmerksam. Sie photoshoppten einen männlichen Nippel auf ihren eigenen weiblichen und testeten, ob Instagram das Bild so auf der Plattform lassen würde. Instagram schränkt Nacktheit nicht einfach ein, sondern gibt hierfür einen Grund an. Der Grundgedanke von Instagram, beziehungsweise Facebook ist folgender:

Facebook schränkt die Darstellung von Nacktheit oder sexuellen Handlungen ein, da manche Mitglieder unserer Gemeinschaft diese Art von Inhalten als anstößig empfinden. Außerdem entfernen wir grundsätzlich Bilder mit sexuellen Inhalten, um das Teilen nicht-einvernehmlicher Inhalte sowie von unzulässigen Inhalten in Zusammenhang mit Minderjährigen zu verhindern. Einschränkungen bezüglich der Darstellung von sexuellen Handlungen gelten auch für digital erstellte Inhalte, es sei denn, sie wurden zu Bildungszwecken gepostet, oder es handelt sich um humorvolle oder satirische Darstellungen.

Instagram als Bildungsplattform? Auch aufklärende Inhalte werden entfernt

Wer sich nicht an die Regeln hält, muss damit rechnen, dass Posts entfernt werden oder sogar der ganze Account für einige Zeit oder komplett gesperrt wird. Was darf Instagram entfernen?

Wir können jegliche Inhalte oder Informationen, die du auf dem Dienst teilst, entfernen, wenn wir der Ansicht sind, dass sie gegen diese Nutzungsbedingungen oder unsere Richtlinien (einschließlich unserer Instagram-Gemeinschaftsrichtlinien) verstoßen, oder wenn wir von Rechts wegen dazu verpflichtet sind. Wir können zum Schutz unserer Gemeinschaft oder Dienste unverzüglich die vollständige oder teilweise Bereitstellung des Dienstes für dich verweigern oder einstellen (einschließlich der Sperrung oder Deaktivierung deines Zugriffs auf die Facebook-Produkte und Produkte der Facebook-Unternehmen). Dies gilt auch, wenn du für uns eine Gefahr oder ein rechtliches Risiko darstellst, gegen diese Nutzungsbedingungen oder unsere Richtlinien (einschließlich unserer Instagram-Gemeinschaftsrichtlinien) verstößt, wenn du wiederholt die geistigen Eigentumsrechte anderer verletzt oder wenn wir von Rechts wegen dazu verpflichtet sind.

Eine Ausnahme möchte Instagram beim Thema Nacktheit in Verbindung mit Aufklärungs- und Bildungszwecken machen. Dass das nicht immer funktioniert, zeigt der Fall von The Female Company. Das Unternehmen postet auf Instagram über sexuelle Aufklärung, den Menstruationszyklus und Sexismus. Vor Kurzem wurde der Account des Unternehmens für mehrere Tage gesperrt.

Screenshot LinkedIn

Wir haben mit dem Team von The Female Company über den Vorfall gesprochen. Die Social-Media-Verantwortlichen erzählten uns, was sie bei Instagram ändern würde, warum Aufklärung über Instagram so wichtig ist und warum sie sogar schon auf Porn-Plattformen ausweichen mussten.

The Female Company im Interview

OnlineMarketing.de-Redaktion: Ihr postet auf eurem Account viel zu sexueller Aufklärung, dem weiblichen Zyklus und Körper allgemein. Nun wart ihr kürzlich für einige Tage gesperrt. Wisst ihr, welcher Post den Bann hervorgerufen hat? Habt ihr von Instagram eine Erklärung bekommen?

The Female Company: Leider haben wir keine Erklärung von Instagram bekommen. Was aber feststeht: In der Vergangenheit hatten wir immer wieder Probleme mit Beiträgen, die den weiblichen Körper thematisieren und zeigen. Aufklärungs-Postings wurden gelöscht oder zensiert und selbst Produkt-Ads werden immer wieder nicht ausgespielt.

Ganz schön ironisch: Ihr versucht mit euren Hygieneprodukten bestehende Tabus zu brechen und plötzlich ist euer Content tabu. Wenn ihr bei Instagram arbeiten würdet, was würdet ihr konkret ändern?

Ganz genau: ironisch und auch sehr traurig. Denn wenn wir nicht offen darüber sprechen können, verfestigen sich Tabus noch mehr. Dabei sehen wir tagtäglich, dass es unzählige Fragen und teils gefährliches Unwissen zum eigenen Körper gibt. Soziale Medien sollten deswegen gezielter unterscheiden: Was ist Aufklärungs-Content und was tatsächlich sexualisierte Darstellungen. Nach welchen Richtlinien die Algorithmen hier handeln, ist komplett undurchsichtig, deswegen muss es hier dringend mehr Transparenz geben.

Dass Instagram euren Account vermutlich wegen Nacktheit sperrt, zeigt, dass vor allen Dingen der weibliche Körper immer noch sexualisiert wird und somit häufig als Tabu gilt. Ihr beschäftigt euch schon lange mit der Normalisierung von Weiblichkeit, Sexualität und anderen Tabuthemen. Habt ihr bei einer solchen Sperre dann manchmal das Gefühl, dass ihr gegen Windmühlen kämpft? 

Ja – obwohl schon viel offener über die Periode gesprochen wird, gibt es noch viele weitere Bereiche, die komplett tabuisiert werden. Wir sprechen mit Müttern, die noch nie vom Wochenbett gehört haben, viele Frauen haben sich noch nie in ihrem Leben auf Geschlechtskrankheiten untersuchen lassen und die Nachrichten von jungen Mädchen die mit ihrer ersten Periode überfordert sind, fluten unser Postfach – die Windmühlen sind definitiv nicht nur auf Instagram.

Wisst ihr noch von anderen Bereichen, in denen Content ohne Erklärung gelöscht oder Accounts gesperrt werden?

Letztes Jahr haben wir mit „One Girl One Cup“ das erste unzensierte Tutorial für die Benutzung von Menstruationstassen veröffentlicht – weil uns immer wieder verzweifelte Nachrichten zur richtigen Benutzung erreichten. Dieses Tutorial konnten wir aber nirgends ausspielen: YouTube hätte es sofort gesperrt. Deswegen sind wir zuerst auf Pornhub, dann auf alternative Porn-Plattformen ausgewichen, um unseren Aufklärungs-Content zu zeigen.

Kann man eurer Meinung nach bestimmte Inhalte, die Nacktheit oder auch sexualisierte Bilder beinhalten, überhaupt mit KI-Mechanismen kontextuell bewerten oder bräuchte es dafür stets eine manuelle Prüfung?

Unserer Erfahrung nach unterscheiden die automatisierten Prozesse nicht nach Aufklärung und Sex. Ob sie das (noch) nicht können, oder so programmiert sind und ob eine manuelle Prüfung die Sexualisierung von weiblichen Körpern wirklich verbessern würde, können wir nicht sagen. Mehr Transparenz wäre auf jeden Fall hilfreich.

Welche Inhalte sollten jedoch eurer Meinung nach zensiert und gesperrt werden?

Gewalt und Diskriminierung. Leider sind die Mechanismen hier an vielen Stellen deutlich ungenauer.

Instagram ist eine Plattform, die oft auch unrealistische Körperideale promotet. Denkt ihr manchmal darüber nach, ob ihr nicht einfach einen anderen Kanal mehr bespielen solltet, um die Plattform nicht zu unterstützen (in Form von Content, Ads etc.)?

Tatsächlich sind wir neben Instagram noch auf vielen anderen Plattformen unterwegs, in den letzten Monaten zum Beispiel verstärkt auf TikTok – und wir kommunizieren auch über unseren eigenen Blog und Newsletter. Trotzdem ist und bleibt Instagram ein zentraler Kanal, denn hier können wir neben unserer bestehenden Community auch immer neue Leute erreichen. Und genau das wollen wir schaffen, denn Tabus können wir nur gemeinsam brechen.

Wo würdest du persönlich unterscheiden? Was würdest du anders machen, wenn du bei Instagram arbeiten würdest?

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