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SEO - Suchmaschinenoptimierung
„Google drängt sämtliche Marktteilnehmer an den Rande des Ruins“ – SEO-Experte Philipp Klöckner

„Google drängt sämtliche Marktteilnehmer an den Rande des Ruins“ – SEO-Experte Philipp Klöckner

Anton Priebe | 26.05.14

Die Online-Marketing-Experten Ralf Scharnhorst und Philipp Klöckner über Googles Machtmissbrauch, die Folgen sowie Lösungen des Problems.

Erst vor wenigen Tagen fällte der Europäische Gerichtshof das Urteil, dass Google veraltete Links auf Anträgen von Einzelpersonen löschen muss. Nun kommt eine neue Offensive aus Europa: eine Klage wegen Missbrauchs der Marktmacht, ausgehend von über 400 Akteuren.

Starke Gegenspieler

400 Verlage und Unternehmen aus der Internetbranche haben sich zu dem Open Internet Project (OIP) zusammengeschlossen, um die Netzneutralität zu wahren beziehungsweise wieder herzustellen. Darunter finden sich Riesen wie der Axel Springer Verlag und die Unternehmensgruppe Lagardère. Der Vorwurf der Kläger begründet sich darin, dass Google die Suchergebnisse zu seinen Gunsten manipuliere. Konkurrenten würden demzufolge benachteiligt und die firmeneigenen Dienste künstlich bevorteilt werden. Außerdem seien Werbekunden des Suchmaschinengiganten besser dargestellt, die sämtliche firmeneigene Dienste nutzen würden.

Die Protestplattform

Auf der Website des OIP findet sich in einem veröffentlichten Manifest unter anderem folgender Vorwurf:

If a business cannot be found online, it cannot compete. Conversely, if Google’s services always appear most prominently, irrespective of their relevance, consumers may not find the most relevant offerings. Innovative digital enterprises that are creating jobs all over Europe risk their very existence if this abusive search manipulation persists.

Solch gefährdeten Unternehmen bietet die Seite ein Sprachrohr und die Beteiligten nehmen die Gefahr sehr ernst. Der Vorstandsvorsitzende des Axel Springer Konzerns Mathias Döpfner wird von T-Online aus einem offenen Brief der FAZ an den Suchmaschinenriesen mit den Worten „Wir haben Angst vor Google“ zitiert.

Noch muss sich in Geduld geübt werden

Ende 2010 hatte die EU-Kommission bereits ein Missbrauchsverfahren gegen Google eingeleitet. Im Februar wurde nach Bekanntgabe des Ausgangs protestiert. Eine Klärung im gegenseitigen Einverständnis nach Zusagen seitens Google konnte von den Klägern nicht nachvollzogen werden. Die endgültige Entscheidung im Verfahren wird jedoch erst nach der Sommerpause gefällt, wie Wettbewerbskommissar der EU-Kommission Joaquín Almunia bekannt gab.

Online-Marketing-Experten sehen den Missbrauch von Googles Marktmacht kritisch

Aufgrund des brisanten Themas haben wir mit den beiden Online-Marketing-Experten Philipp Klöckner, Suchmaschinen-Berater und Business Angel, und Ralf Scharnhorst, Inhaber „Scharnhorst Media“, Interviews geführt. Ihrer Meinung nach ist die aktuelle Lage äußerst kritisch. Laut Ralf Scharnhorst sehe Google die User nur als Produkt und Schlachtvieh:

Ich fordere für IT- und Medienunternehmen ab einem bestimmten Marktanteil (25 Prozent) einen User-Beirat. Damit die User nicht mehr nur als ‚Produkt‘ und ‚Schlachtvieh‘ gesehen werden, auch wenn sie keine ‚zahlenden Kunden‘ sind. Nach dem letzten EuGH-Entscheid könnten die Konzerne vielleicht dafür offen sein, so etwas wie eine Gewerkschaft ihrer User im Haus zu haben, bevor Gerichte sie vor vollendete Tatsachen stellen.

Mit Philipp Klöckner sprachen wir ausführlich über die Thematik. In dem Interview wird deutlich, welche Vorteile sich Google aufgrund seiner Marktstellung verschafft und wie die Unternehmen unter dem „Daten-Monopol“ Googles leiden. Alle Marktteilnehmer würden an den Rand des Ruins gedrängt werden und jeder User sei nahezu gezwungen, Google-Produkte wie Adwords, Google+ oder YouTube zu nutzen, um in der Online-Welt bestehen zu können. Für ihn sei der Schritt, gemeinsam gegen Google vorzugehen, absolut verständlich und nötig, um die Situation auf dem Online-Markt wieder fairer zu gestalten. Laut Philipp Klöckner drohe – wenn sich nichts ändere – sogar eine Situation zu entstehen, die mit sich bringt, dass sämtliche Innovation nur noch von Google ausgehen werde, da die Riesensuchmaschine sowieso über alles und jeden besser Bescheid wüsste und mehr Daten zur Verfügung habe als alle anderen zusammen.

OnlineMarketing.de: Teilen Sie die Meinung, dass Google seine Marktmacht ausnutzt? Wenn ja, inwiefern äußert sich das?

Philipp Klöckner: Dass Google in bisher mindestens vier Fällen seine Marktmacht wahrscheinlich missbraucht hat die Europäische Kommission ja bereits konstatiert und daher unterbreitet Google bereits zum dritten Mal Vorschläge um ein drohendes Verfahren noch rechtzeitig beizulegen. Die von Google angedachten „Zugeständnisse“ sind meiner Meinung nach aber nicht geeignet, um die identifizierten Probleme zu lösen, sondern bestenfalls Bauernopfer oder Anpassungen, die die Marktposition von Google weiter zementieren und dementsprechend regelmäßig von den Klageführern als lösungsdefekt zurückgewiesen werden.

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Suchmaschinen-Berater
und Business Angel

Suchmaschinen-Berater und Business Angel

Ein Beispiel für den Missbrauch ist zum Beispiel der Bereich Produktsuche. Schaut man sich den Sichtbarkeitsverlauf (der Sichtbarkeitsindex ist ein Aggregat aus allen Keywords, für die eine Domain von Google organischen Traffic empfängt) von großen Preisvergleichsportalen an, sieht man, dass Google diesen Konkurrenten (Produkt-SUCHE) fast gar keine Rankings mehr zugesteht und somit sämtliche Marktteilnehmer an den Rande des Ruins drängt. Begründet wird dies damit, dass der Panda und andere Google-Algorithmen herausgefunden haben, dass diese Angebote vom User nicht erwünscht werden. Gleichzeitig hat Google aber massig in die Marktreife seines eigenen Preisvergleichsprodukt Google Shopping investiert und zeigt dieses prominent über allen unbezahlten Ergebnissen an, obwohl die zuvor verdrängten Wettbewerber für den User tendenziell bessere Ergebnisse lieferten. Die gleichzeitige Promotion eigener Produkte und Abstrafung von Konkurrenten ist einer der Hauptbeschwerdepunkte im EU-Verfahren.

Ebenfalls problematisch ist das Bundling von Google-Produkten. Die vollständige und effiziente Teilnahme am Adwords-Werbemarktplatz setzt immer öfter die Nutzung anderer Google-Services voraus. So muss in der Regel ein G+ Profil erstellt werden, für Video-Ads muss YouTube genutzt werden, Location Integrationen sind nur mit Google Maps möglich. Konkurrenzprodukte sind regelmäßig nicht nutzbar, um den vollen Umfang von Adwords zu genießen.

Bundling ist auch ein Problem beim Dumping Betriebssystem Android, welches Google kostenfrei den Handyherstellern zur Verfügung stellt.

Zurzeit bereiten 400 Unternehmen, darunter Größen wie der Axel Springer Verlag und die Unternehmensgruppe Lagardère, eine Klage vor. Können Sie diese Aktion nachvollziehen?

Dass Unternehmen sich nur vereinigt befähigt sehen, Google noch Paroli zu bieten kann ich sehr gut nachvollziehen und ich glaube, diesen Schritt brauch es auch, allein um weitere Marktteilnehmer über die Missstände aufzuklären. Letztlich ist JEDES Unternehmen früher oder später mindestens vom Daten-Monopol Googles betroffen und ich rechne jedem Unternehmen, Journalisten oder Politiker hoch an, wenn er wenigstens jetzt, obwohl es gefühlt schon zu spät ist, anfängt sich kritisch mit dem Thema Google zu beschäftigen. Dies wurde leider lange versäumt. Dementsprechend sinnvoll finde ich eine solche Klage. Natürlich würde ich begrüßen, wenn im Ergebnis nicht nur die Erlöse oder Geschäftsmodelle der Beteiligten profitieren, sondern der Markt insgesamt wieder intakter funktioniert und eine „level playing ground“ geschaffen werden kann.

Transparenz: Ich bin Minderheitsgesellschafter der Visual Meta GmbH, welche die Produktsuche Ladenzeile.de und weitere Produktsuchen betreibt. Die VM ist einerseits eine der Beschwerdeführerinnen im ersten Beschwerdeverfahren bei der EU gegen Google, in dem auch die potentiellen Probleme identifiziert worden sind. Andererseits ist die VM eine 75 prozentige Tochter der idealo internet GmbH, welche wiederum eine 75 prozentige Tochter der Axel Springer SE ist.

Was muss Google ändern, um die Lage zu entschärfen?

Einerseits wäre es mehr als fair und auch gut für den Markt, wenn Google seine eigenen Produkte demselben sophistizierten Ranking-Algorithmus unterwerfen würde, wie die der Konkurrenten. Aus Marktsicht ist es mehr als problematisch, dass Google als Schleusenwärter zum Internet die Macht hat, seine eigenen Angebote qua Markteinführung auch zum Marktführer zu küren und dabei Konkurrenten zu verdrängen. Damit ließen sich viele Wettbewerbsthematiken vorerst lindern.

Problematischer ist jedoch die Anhäufung von Daten und Datenquellen in der Hand von nur einem IT-Unternehmen. In der Ökonomie des 21. Jahrhunderts kann mit der Hilfe von Daten (und Google hat die meisten und gewinnt weiter an Vorsprung) eigentlich JEDES Geschäftsmodell angegriffen und verdrängt werden. In letzter Konsequenz muss man sich fragen, ob Wettbewerb noch möglich ist, wenn eine Mehrheit der verfügbaren persönlichen Daten in einer Hand liegt. Wie will ich ein Produkt oder Service noch besser machen, wenn Google doch viel mehr über mich, meine Kunden und den Markt weiß als jeder andere. Viele Geschäftsideen werden schon heute mit dem Verweis „What if Google does it?“ oder „Letztlich kann Google das jederzeit selber besser“ begraben. Es kann nicht gut sein, wenn sämtliche Innovation nur noch von Google ausgehen kann.

Eine kleine Prognose: Wie wird der Streit um die Netzneutralität ausgehen? 

Hier könnte Google tatsächlich zwischenzeitlich ein weißer Ritter sein. Denn wenn ISPs ihre Übertragungsgeschwindigkeit drosseln, ist Google einer der Benachteiligten, denn das Unternehmen ist an einer möglichst guten und möglichst komfortablen Verfügbarkeit von Internetzugängen und der damit einhergehenden steigenden Nutzung extrem interessiert. Letztlich ist das Wachstum des Internet an sich auch der Hauptwachstumstreiber für Google. Ein „Ausbremsen“ ist also schlecht.

Folgerichtig hat Google mit dem Pilotprojekt Google Fiber neue Standards bei Übertragungsgeschwindigkeit und Preis gesetzt. Spannend ist nicht nur, dass Google den konventionellen ISPs damit schnelle und billige Konkurrenz macht, sondern damit auch die Erwartungen von Verbrauchern steuert und die ISPs zum Nachziehen zwingt. Umso mehr verwundert, dass diese nun das Internet drosseln wollen und Nutzer in die Hände von Google treiben. Fiber ist noch nicht flächenddeckend verfügbar und daher können Nutzer das Verhalten der ISPs vorerst nicht mit dem Wechsel zu Google sanktionieren.

Letztlich machen diese aber gerade mit diesem Schritt extrem angreifbar. Wie Sie wissen, arbeitet Google mit Hochdruck an nicht mehr terrestrisch gebundenem Internetzugang über Drohnen und Ballons. Rein theoretisch könnte Google demnächst jeden Kabelanschluss überflüssig machen und Nutzer kostenlos aus der Luft mit Internet versorgen. Aber auch die bodengebundene Anbindung via Google Fiber wird sicher vorangetrieben.

Obwohl Google hier kurzfristig also vermutlich der Netzneutralität gut tut, indem sie herkömmliche ISPs „challengen“ – finde ich dieses Szenario sehr bedenklich, weil Google letztlich die gesamte Internetinfrastruktur besitzen würde und unregulierbar wäre. Google wäre dann Suchmaschine, Browser (Chrome), Betriebsystem (Android/ChromeOS) und Carrier/ISP (Fiber/Airborne Internet) in einem. Wo sollte eine Regulierung noch ansetzen?

Aus den USA ist keine Regulierung zu erwarten, da Google einerseits für die US das Horchrohr in die ganze Welt ist und andererseits der zweithöchste Lobbyspender. Und selbst für den Fall an rechtliche Grenzen zu stoßen hat Google eine Exit-Strategie oder Autarkie-Vision, welche aus schwimmenden Städten in internationalen Gewässern und dem Internet aus der Luft bestehen könnte.

Quelle: T-Online & DIE WELT

Kommentare aus der Community

Stefan am 10.06.2014 um 11:35 Uhr

Wenn ihr Kennzahlen in Artikeln verwendet, solltet ihr diese auch korrekt erklären. Der erwähnte Sichtbarkeitsindex basiert nur auf 250 Tsd. Begriffen als Querschnitt. „Alle“ ist da wohl stark übertrieben.

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